Stand Februar 2012
Wilde Rinder und Pferde hautnah
In Berlin-Buch kann man neuerdings auf Safari gehen, aber Vorsicht: Nicht jedes kuschelig-aussehende Tier eignet sich zum Anfassen!  
Während man Safari-Parks meistens nur mit gesicherten Autos erleben darf, kann man in Berlin-Buch ganz normal durch die Wälder auf den eigenen zwei Beinen wandern. Sogar den Hund darf man mitbringen, allerdings sollte der nicht gerade Lust auf saftige Steaks haben. Denn in den Wäldern von Berlin nördlichstem Stadtteil verblüffen seit Herbst 2011 freilaufende Rinder die Besucher. Oftmals stehen sie direkt an der Straße – was viele Autofahrer zu einem verblüfften Halt veranlasst.
200 Tiere auf 850 Hektar
Insgesamt 140 schottische Hochlandrinder und an die 60 Konik-Pferde grasen hier einträchtig vor sich hin und versuchen, sich mit dem eisigen Berliner Winter zu arrangieren. „Das ist ein einmaliges Experiment, um den Wald wieder zu naturieren“, beschreibt Olaf Zeuschner die Idee. In seinem Gebiet liegt der größte Teil der insgesamt 850 Quadratmeter Fläche.
Getragen wird das Projekt vom „Förderverein Naturpark Barnim e.V.“ in Wandlitz. Die finanziellen Mittel kommen größten teils vom Bundesamt für Naturschutz.
Alte Waldweide ganz neu
„Früher gab es keine Trennung von Forst- und Landwirtschaft. Die Herden lebten ganz normal im Wald und wurden durch Hirten betreut. Im 18. Jahrhundert gab es einen großen Hunger nach Energie durch die beginnende Industrialisierung. Holz wurde immens wichtig. Mit Waldgesetzen wollte man erreichen, dass die Holzproduktion in die Höhe getrieben wird“, blickt Olaf Zeuschner  zurück in frühere Zeiten.
„Die Waldweide wurde abgeschafft und verboten, weil die Tiere natürlich nicht nur brav Gras zu sich nahmen, sondern gerade in jungen Bäumen begehrte Leckerbissen sahen.“
Die Kuh ist stärker
Nun knüpft man an auf den Rieselfeldern um Hobrechtsfelde wieder an diese gute alte Zeit an. Dazu wurden an die 60 Kilometer Elektrozaun gezogen, damit die Tiere nicht verloren gehen oder auf die Straße rennen. „Der Zaun wird aus dem Stromnetz gespeist, denn Akkus und Solarzellen bekomen gerne Füße“, weiß Zeuschner. Es gibt eine ganze Reihe von Eingängen, von wo aus man als Spaziergänger den „Wildpark“ persönlich genießen kann. „Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass Rinder im Zweifelsfall die Stärkeren sind. Wenn ein Tier im Weg steht, ist empfehlenswert, als Mensch einen Bogen zu machen anstatt zu versuchen, das Rind von einer anderen Route zu überzeugen“, so der Tipp des Försters.
„Insbesondere sollte man sich nicht mit Mutterkühen anlegen, die natürlich ihren Nachwuchs beschützen wollen.“
Allerdings sind die schottischen Hochlandrinder eine alte friedliche Rasse, so dass man kein Problem mit dem „roten Tuch“ haben dürfte!
Füttern verboten!
Mittlerweile haben schon mehr Menschen Freundschaft mit den Tieren geschlossen, als dem Waldmann recht ist: „Ich sehe immer wieder, dass gerade die Konik-Ponys gefüttert werden. Das ist aber jetzt im Winter sehr schädlich. Die Tiere passen sich der kalten Situation an, indem sie den Stoffwechsel herunterfahren. Wenn sie gefüttert werden, ändert sich das. Da sie aber im Endeffekt weniger Futter als im Sommer finden, kann dies den Tieren schaden.“
2000 Jahre zurück?
Mit der Waldweide möchte man die Zeit um 2000 Jahre zurück drehen. „Es gibt kein Wissen mehr über Waldweide. Ich denke, dass dadurch ein neuer Kreislauf der Natur entsteht, der uns eine höhere Artenvielfalt beschert“, hofft Olaf Zeuschner. Besonders skeptisch ist er, ob es eine gute Idee war, hier Pferde einzusetzen: „Die könnten wesentlich stärkere Verbissschäden an den Bäumen verursachen als Rinder.“
Verantwortlich für die Tiere ist eine Agrargenossenschaft. Ob deren Mitarbeiter nun täglich mit dem Melkschemel durch den Wald streifen, um die Tiere einzufangen und Milch zu gewinnen? „Das glaube ich weniger. Die wirtschaftliche Nutzung besteht eher darin, dass die Kälber verkauft werden. Ob das Fleisch wegen der Rieselfelder kontaminiert ist, müssen erst Untersuchungen ergeben.“
Wald auf Wanderschaft
Erst mal ist der ungewöhnliche Versuch auf vier Jahre begrenzt. „Wir sehen jeden Tag prüfend, was passiert und sind immer bereit, in diesem oder jenem Punkt die Weichen zu verändern“, beschreibt Olaf Zeuschner, wie spannend für die Fachwelt ist, was auf den Rieselfeldern rund um Berlin-Buch geschieht. Eines ist schon jetzt klar: „Wenn man den Wald den Tieren überlässt, so werden wir erleben, das er wie früher beginnt zu wandern. An den Stellen wo er bevorzugt abgefressen wird, macht er Gräsern Platz um sich dann auf weniger fruchtbaren Böden  auszudehnen. Ob die Leute das schätzen, wenn in unserer unruhigen Zeit nun auch noch der Wald zu wandern anfängt?“    
Infos:  
www.naturimbarnim.de 
Olaf Zeuschner Tel. 0 30/9 49 56 00
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