Stand Oktober 2010
Durch Rundungen ins Märchen-Land
Die Bestätigung für die Schauspielschule in Weimar hatte sie schon in der
Tasche. Doch dann funkte es und bald stellten sich zarte Rundungen ein.
Die Geschichte klingt so romantisch wie ein Märchen – und setzte sich ebenso fort. Denn aus dem glücklich-verliebten Mädchen aus einem kleinen Dorf bei Kyritz an der Knatter, das als junge Kindergärtnerin in die Region kam, wurde erst eine glückliche Mutter und nun, in der „zweiten Lebenshälfte“, doch so etwas wie eine Schauspielerin. Denn die märchenhafte Liebe mündete in einer Karriere als – vielfach begehrte Märchenerzählerin.  
Auf Anhieb 1. Preis
„Ich hatte auf diesem Gebiet keinerlei Erfahrung und meldete mich aus Neugier und Interesse 1990 zu einem Wettbewerb in Bayern.
Das Ergebnis war umwerfend: Ich erhielt den ersten Preis und zugleich noch den Publikumspreis“, berichtet Ursula Pitschke.
Damit entstand in Kleinmachnow vor nunmehr 20 Jahren der „Berlin-Brandenburgische Märchenkreis“. Das Vortragen von Märchen wurde damit im ganzen Land populär, dank Ursula Pitschke. Jeden Herbst laden die „Brandenburgischen Märchentage“ jung und alt zu Veranstaltungen ein, 2010 gibt es die Märchentage zum 20. Mal!
Lange Winternächte am Kachelofen
„Als Kindergärtnerin hatte ich natürlich viel mit Märchen zu tun. Ich hatte sie selbst gerne gehört, wir wohnten in einem romantischen Bauernhaus, wo man sich im Winter um den Kachelofen kuschelte. Mein Vater liebte es, Geschichten vorzutragen und zu fabulieren.“
Ursula Pitschke fasziniert am Märchenerzählen, „dass das eine sehr anspruchsvolle Form von Schauspiel ist. Man muss ja in einem Zug mehrere Rollen glaubhaft besetzen. Oft sind es fünf Personen oder mehr, die man gleichzeitig spielt.“
Kritische Kinder
Besonders Kinder als Zuhörer sind sehr offen und gleichzeitig kritisch und merken sofort, wenn etwas nicht stimmt.
Dazu gehört das Problem mit dem beliebten Kindermärchen Frau Holle: „Die fleißige Stieftochter muss in einen Brunnen und landet dann bei Frau Holle im Himmel. Dann wieder ist sie auf der Erde aktiv. Wie das gehen soll? Die Kinder fragen da sehr oft, ich weiß es aber ebenfalls nicht!“
Silvester ohne Kapelle?
Bevor Ursula Pitschke als Märchenerzählerin in die Schauspielkunst einstieg und damit im Alter ihren Jugendtraum verwirklichen konnte, legte sie eine Zwischenstation im Kleinmachnower Kulturhaus, den „Kammerspielen“, ein. Sie hatte sich im Fernstudium für den Managerposten qualifiziert und war von 1985 bis 1989 dafür zuständig, dass in der Künstlergemeinde zwischen Potsdam und Berlin hochkarätige Kultur und beste Unterhaltung zu erleben waren. „Dadurch konnte ich den Künstlern immer ein wenig auf die Finger sehen“, strahlt sie. Natürlich kostet so eine Tätigkeit viel Nerven: „Wir hatten jedes Jahr ein großes Silvesterprogramm. Ich erinnere mich daran, dass wir einmal ohne Musiker auskommen mussten, weil die im Schnee stecken geblieben waren. Was tun? Schließlich holten die Besucher von zu Hause ihre Lieblings-Schallplatten und wir improvisierten eine Disko. Am Ende war es ein toller Erfolg. Als die Anspannung an mir abfiel, brach ich in Tränen aus.“
Sinn fürs Improvisieren
Improvisieren ist bei der
Tätigkeit als Märchenerzählerin ebenfalls sehr wichtig. „Bei einem Märchen geht es darum, dass das gute Mädchen blonde Haare hat und das böse dunkle Haare. Ich war in eine Schulklasse geladen und sah, dass es da ein farbiges Mädchen gab, das natürlich dunkle Haare hatte. Die konnte ich unmöglich dem Gespött ihrer Klasse aussetzen. Also habe ich dieses Märchen beim Erzählen so abgewandelt, dass am Schluss beide Mädchen gut weg kamen.“
Eigener Märchengarten
Ursula Pitschke lebt in
einem zauberhaft-blühenden Märchengarten und liebt selbst ganz besonders Zaubermärchen. Sie schätzt die Sprachkraft der Gebrüder Grimm und den exotischen Zauber der Märchen des Orients oder des Dänen Hans Christian Andersen. „In Märchen wird Gut und Böse ausbalanciert, es geht immer um Gerechtigkeit. Das ist ein zeitlos-aktuelles Problem. Außerdem geht es oft um Tiere. Wenn man zu denen gut ist, dann helfen sie einem. Beides sind Ansätze, die heute ebenso wichtig sind wie früher.“
Jugendliche werden berührt
Wer nun glaubt, dass im Zeitalter von Computer-Spielen, Internet und Handy-Sucht Märchen belächelt werden, der irrt. So jedenfalls die Erfahrung von Ursula Pitschke, die sie in nunmehr 20 Jahren sammeln konnte. „Ich werde
oftmals im Rahmen von
Projektwochen dazu eingeladen, vor Jugendlichen aufzutreten. Die Lehrer warnen mich dann, wer der größte Rüpel und der schlimmste Unruhestifter ist. Mit entsprechenden Märchen und spannender Vortragsweise erreiche ich diese oftmals  am besten. Denn Märchen sind spannend und beinhalten tiefe Lebensweisheiten, die jeden berühren können, unabhängig vom Alter. Deshalb gibt es in allen Kulturen Märchen. Oftmals ähneln sie sich“, weist Ursula Pitschke auf den sehr modernen Charakter ihrer Fantasiewelt hin. „Kaum eine andere Erzählform wirkt so kulturübergreifend.“
Damit waren Märchen die ersten Globalisierungsboten, lange Jahre, bevor die Menschen durch Satellit und Internet weltweit miteinander verbunden waren!
Infos: Tel. 03 32 03/2 30 80
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