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Eine geschlossene Eingangstür mit dem
Hinweis „bitte klingeln“ macht
augenfällig, dass die Gedenkstätte in
Halbe eher langsam als schnell dabei ist,
ihre Arbeit aufzunehmen.

Im Haus selbst trifft man vor allem auf
weiße Wände. Und das, obwohl der
Landesverband vom „Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge“ mit Geschäftsführer
Oliver Breithaupt seinen Sitz von
Potsdam hierher verlegte. Er verspricht:
„Das angestrebte Museumskonzept wird
bis zum Frühjahr 2014 zum Tragen
kommen.“ Dennoch fand im Oktober 2013
die offizielle Inbetriebnahme mit einem
„Tag der Öffnenden Tür“ statt. Noch sind
die Exponate an den Wänden allerdings an
einer Hand abzählbar. Dafür gibt es mit
Holger Wedekind bereits einen
Museumspädagogen. Der 53-Jährige ist
hauptberuflicher Lehrer für Deutsch,
Geschichte und Politische Bildung am
Friedrich-Schiller-Gymnasium in Königs
Wusterhausen .  

Persönliche Schicksale

Gut ist, dass Holger Wedekind gleich
nebenan wohnt. „Das war sicher ein
wichtiger Grund, dass mich der Volksbund
als Gedenkstätten-Pädagogen haben
wollte“, vermutet der Lehrer, für den die
Beschäftigung mit Geschichte „Hobby und
Beruf“ gleichzeitig ist. Er weiß aus seiner
Erfahrung: „Wenn man von 60 000 Toten
spricht, die die letzte Kesselschlacht des 2.
Weltkriegs in der Region um Halbe
gefordert hat, dann ist das kaum greifbar.
Das wird dann ganz anders, wenn man
persönliche Schicksale erlebt, wenn
verständlich wird, was die Soldaten aller
Kriegsparteien sowie die betroffenen
Anwohner und Zwangsarbeiter erlebten,
fühlten, erlitten.“

Jeder Krieg ist schrecklich!

So sieht er seine Aufgabe in Halbe darin,
„Geschichte als Teil der Friedenserziehung
begreifbar zu machen.“ Das passiert
momentan in Führungen über den
Waldfriedhof oder in Einsätzen, bei denen
die Jugendlichen beispielsweise alte
Grabsteine wieder freilegen und sich in
diesem Zuge damit beschäftigen, welche
Geschichte die Toten hatten. „Auf diese
Weise kann man fühlen und begreifen, wie
schrecklich Krieg ist. Dann erlebt man
aktuelle Konflikte wie gerade in Syrien
plötzlich ganz anders.“ Eine wichtige Rolle
in der geplanten Ausstellung soll das
Wirken von Ernst Teichmann spielen. Der
evangelische Pfarrer hatte sich dafür
eingesetzt, die Toten, die vorher notdürftig
an unterschiedlichen Orten bestattet waren,
auf einen zentralen Friedhof zu betten. Seit
1951 ist dies das sieben Hektar große
Gelände des Waldfriedhofs.

Vergessene Opfer?

Holger Wedekind möchte mit seiner
Aufklärung weit über das allseits Bekannte
hinausgehen: So kommen bei ihm die über
4000 „Opfer des Stalinismus“ zu Wort, die
im Lager Ketschendorf bei
Fürstenwalde/Spree zu Tode gekommen
sind und im Waldfriedhof von Halbe
begraben sind. In Ketschendorf befand sich
das „Speziallager Nr. 5“, in dem die Rote
Armee von April 1945 bis Februar 1947
zeitweise bis zu 18 000 deutsche
Zivilisten und Angehörige der mit den
Nazis verbündeten „Russischen
Wlassowarmee” ohne Gerichtsurteil
interniert hatte. Darunter befanden sich
viele Jugendliche.

Zaristische Soldaten

Bei seinen Streifzügen durch die
Geschichte ist Holger Wedekind auf ein
weiteres Gräberfeld im Ort gestoßen. „Es
handelt sich um einen Friedhof für
zaristische Soldaten. Sie wurden 1914 bei
der ‚Schlacht von Tannenberg‘, die
eigentlich in der Gegend südlich von
Allenstein in Ostpreußen stattfand,
gefangen genommen und damals auf Orte
im ganzen Deutschen Reich verteilt.

In Halbe mussten sie in ehemaligen
Ziegelei-Baracken hausen. Nach der
Niederlage des Deutschen Reichs fand sich
deshalb der Name eines Bürgers aus Halbe
1918 auf der Auslieferungsliste der
Kriegsverbrecher. An erster Stelle stand
der Kaiser, an letzter Albert Flögel aus
Halbe, der die Baracken gewinnbringend
ans Deutsche Reich vermietet hatte“, hat
Wedekind herausgefunden. „Der Friedhof
wurde erstaunlicherweise noch bis 1944
gepflegt und ist heute völlig überwuchert.
Man findet ihn entlang der Bahnstrecke in
Richtung Löpten.“  

Allein im Wald

Wie wichtig das „Erspüren“ von
Geschichte ist, hat Lehrer Wedekind
erfahren, längst bevor er Gedenkstätten-
Pädagoge wurde. Er ist, seit ihm sein Vater
mit „Der Schatz im Silbersee“ von Karl
May das Lesen nahe brachte, von der Welt
der Indianer so begeistert, dass er im
Sommer regelmäßig für Wochen im Wald
lebt, als „Der letzte Trapper von
Brandenburg“, wie ihn der RBB anlässlich
einer Reportage betitelte.

Infos: Tel. 03 37 65/2 19 20

Wie lässt sich Krieg vermitteln?

Stand Oktober 2013

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Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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