autor0312.tif
autor0319.tif
af7438.tif

Während wir alle über die Vorgänge in
Russland jeden Tag ungläubig den Kopf
schütteln, könnte uns ein
Ahrensfelder vieles gut erklären. Denn die
Gemeinde beherbergt einen
Russlandexperten, der vielen allerdings eher
als Maler bekannt ist.

Hartmut Moreike wollte eigentlich Arzt
werden, entschied sich dann aber für
Journalismus. Er war Wirtschaftsredakteur
bei „Radio DDR“ und wechselte dann zur
„Wochenpost“, die eine der populärsten
Wochenzeitungen der DDR war. Bereits seit
jungen Jahren übte die riesige Sowjetunion
auf ihn eine
ungemeine Faszination aus. 1978 fasste er
eine seiner Reisen im Buch „Sibirischer
Sommer“ zusammen.

Russische Liebe

Das erschien im renommierten Leipziger
„F.A. Brockhaus-Verlag“. „Es war schon
bald nach dem Erscheinen vergriffen“,
erinnert sich der heute 72-Jährige zurück.
Da er für den Chefposten der „Wochenpost“
vorgesehen war, entschloss er sich zu einem
Zusatzstudium und belegte von 1979 bis
1981 Philosophie an einer Universität in
Moskau. Mit dem Chefposten wurde es
schließlich doch nichts, den bekam eine
Vertraute von Egon Krenz, der damals neu
ins Politbüro berufen wurde. Dafür klappte
es mit der großen Liebe. Seit mittlerweile 32
Jahren ist er mit einer Nuklearmedizinerin
verheiratet und hat damit  diverse
Verbindungen nach Russland. 

Alltag im Roman  

Hartmut Moreike schrieb über das Land die
Romantrilogie „Duschenka“, „Tanjuscha“
und „Moskauer Roulette“. Darin wurden die
Alltagsprobleme so kritisch beleuchtet, dass
er sich nach Erscheinen fast zehn Jahre lang
nicht mehr einzureisen traute. „Ich hatte
beispielsweise das Problem mit
Plutoniumfabriken aufgegriffen, die so stark
strahlen, dass die Kinder in Klassenstärke
verstarben.“ Das Buch „Moskauer Venus –
Skizzen eines Herumtreibers“ erschien unter
dem Pseudonym Genadij Neshin.

Umbruch hautnah erlebt

Moreike erlebte die Perestroika von Michail
Gorbatschow. „Mir war als
Wirtschaftsjournalist klar, dass die DDR das
nicht überleben konnte. Fast der gesamte
Handel war nach Osten ausgerichtet. Wenn
diese Kunden wegbrechen, hatte die DDR-
Wirtschaft auf einen Schlag keine Abnehmer
mehr. Zudem war das Land ja von der
UdSSR zu Industriesektoren gezwungen
worden, die
es alleine gar nicht aufrecht-
erhalten konnte. Wir hatten Schwerindustrie
und Schiffsbau, mussten aber die Rohstoffe
sowie Steinkohle und Gas komplett
einführen.“ An Boris Jelzin hat er sehr
negative Erinnerungen.

Putins Wohltaten

Er sieht ihn als unberechenbaren „Säufer“,
der das Land den Oligarchen überlassen
habe. „Das ist der Grund für die hohe
Popularität von Wladimir Putin. Der hat
Ordnung ins Land gebracht. Während unter
Jelzin nicht mal die ohnehin niedrigen
Löhne ausbezahlt wurden, gibt es bei Putin
alle Renten pünktlich und die Senioren
dürfen sogar kostenlos mit Bus und Bahn
fahren oder werden gratis ärztlich versorgt.
In St. Petersburg,
wo Putin herkommt, müssen
alleinerziehende Mütter keine Miete
bezahlen. Andererseits braucht man sich
über die wenig demokratische Haltung von
Putin nicht zu wundern. Er war eben
Geheimdienstmann und baut darauf auf.“

„Ostfernsehen“ im Wohnzimmer

Hartmut Moreike sieht zuhause außer
„Westfernsehen“ parallel die Sender der
Ukraine und von Russland. „Es ist
unglaublich, welche Propagandaschlacht da
tobt“, so seine Einschätzung. Andererseits
hält er die Berichterstattung im Westen
ebenfalls für mangelhaft. „Der einzige
wirkliche Russlandkenner war der gerade
verstorbene Peter Scholl-Latour. Wenn Nina
Ruck davon spricht, dass man nach den
Olympischen Spielen selbst in Nowosibirsk
gesehen hat, dass die Amerikaner keine
Monster sind, dann ist das nur peinlich,
denn der Ort steht für ein hochkomplexes
Wissenschaftszentrum!“

Angst vor dem Westen

Den derzeitigen Ukraine-Konflikt sieht
Moreike darin begründet, dass Wladimir
Putin sein Russland immer mehr vom
Westen eingegrenzt sieht. „Wozu müssen die
Amerikaner beispielsweise einen
Raketenschild angeblich gegen den Iran in
Polen aufstellen, das könnten sie doch viel
leichter beim Nato-Partner Türkei.“ Zudem
ginge es dem russischen Staatschef um den
Schutz russischstämmiger Menschen. „Er
sieht die faschistischen Kräfte in der Ukraine
als Bedrohung. In Moskau rennen zwar
ebenfalls Irre mit Hakenkreuz durch die
Gegend, aber da weiß er, dass die keine
Bedeutung haben und keine Macht
erlangen.“ Hartmut Moreike kann verstehen,
weshalb die Krim zu Russland kam: „80
Prozent der dortigen Bevölkerung sind
russischstämmig und dort gibt es eben nun
mal Löhne und Renten, die drei- bis viermal
höher als in der Ukraine sind.“ Die DDR-
Bürger hatten ja ebenfalls ihr Land aus
wirtschaftlichen Gründen aufgegeben!

Bild der Generationen

Zuletzt hat Freizeitmaler Hartmut Moreike
eine Romanbiografie über den Maler Ilja
Repin erarbeitet. Der erlebte die Zarenzeit,
den Umbruch und bis zu seinem Tod 1930
die Sowjetunion von Wladimir Iljitsch Lenin
bis zu Josef Stalin. „Er hatte mit allen damals
Prominenten zu tun, sozusagen von Otto
von Bismarck bis zu Kurt Tucholsky“,
begründet Moreike, warum ihn  der Künstler
zu seinem dreibändigen Sittengemälde über
Russland animierte. Gerade ist der zweite
Band erschienen, das Abschlussbuch ist für
2016 geplant. Noch 2014 soll dafür
„St. Petersburg – mon amour“
herauskommen.

Ahrensfelde im Blick

Bei aller Liebe zu Russland beschäftigt sich
Hartmut Moreike gern mit seiner
näheren Heimat. So ist er Schiedsperson. Er
sorgt als Vize-Vorsitzender des Blumberger
Kulturvereins mit den „Blumberger Heften“
für Einblicke in die Vergangenheit. Seine
Ausstellungen mit knallbunten Landschafts
bildern und ansprechenden Aktgemälden
sorgen dafür, dass Ahrensfelde in der weiten
Umgebung als Künstlerort bekannt wird.
Dann zeigt der Autor vom „Sibirischen
Sommer“ dass der „Ahrensfelder Winter“
ebenfalls seine Reize haben kann.    

Infos:
Tel. 01 63/2 49 21 00

Sibirischer Sommer, Ahrensfelder Winter

Stand Oktober 2014

dii.gif
autor0306.tif
Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


Impressum | Datenschutz