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Ausgerechnet der Ortsteil, der über hundert Jahre für sein modellhaftes Krankenhauswesen bekannt war, ist nun dabei,
Musikgeschichte zu schreiben. Hinter den eher unauffälligen Mauern der ehemaligen Scheune auf dem Künstlerhof
entwickelt sich eine „Revolution“, die das Zeug hat, in Windeseile die Konzertsäle der Nation zu entflammen!
Gut 225 Jahre, nachdem die französische Revolution den Begriff von bürgerlicher Freiheit entwickelt und damit die Welt verändert hat,
stößt nun ein Rechtsanwalt ins gleiche Horn, und zwar ausgerechnet auf dem Gebiet der Musik!
Musikalische „Republik“
Martin Majewski bildet in Berlin-Buch seine „musikalische Republik“, um demokratisch, nämlich ohne die „Knute“ des Dirigenten,
Orchestermusik zu machen!
Unterdrückte Kreativität
„In einem Orchester sitzen viele Musiker zusammen, von denen jeder für sich ein kreativer Künstler ist, der seine eigene Meinung
davon hat, wie ein Stück gespielt werden soll. Das wird in der Regel unterdrückt, weil es im Endeffekt einzig um die Meinung des
Dirigenten geht“, hat Martin Majewski am eigenen Leib erfahren. Denn bevor er sich zur „Zweitkarriere“ als Rechtsanwalt entschloss,
war der heute 49-Jährige selbst Musiker – in diversen Orchestern. „Es gibt viele herausragende Dirigenten. Wir wollen dieses System
nicht abschaffen, sondern durch unseren Ansatz
ergänzen“, erläutert Martin Majewski weiter. „Meine Anfänge waren im Kirchenchor. Ich wollte gerne Trompete spielen. Da meine Arme
im zarten Alter von zehn Jahren für die Posaune lang genug waren und in dem Bläserchor dieses Instrument fehlte, wurde ich
Posaunist“, erinnert er sich an die Anfänge in Braunschweig zurück.
Solo-Posaunist in der Oper
„Drei Jahre später durfte ich mit meinen Eltern ein Sinfoniekonzert besuchen. Das hat mich so ergriffen, dass ich bereits mit 13 Jahren
sicher war, Musik zu meinem Beruf machen zu wollen.“ So kam er zum ersten Mal nach Berlin, um hier Musik zu studieren. Die weitere
Karriere führte ihn wieder zurück in den Westen, ans Niedersächsische Staatsorchester. „Ich war in der Oper in Hannover sechs Jahre
lang Solo-Posaunist“, erinnert er sich. Aus dieser Zeit weiß er: „Die Beziehung zum Dirigenten ist wie in einer Ehe. Man ist abhängig
und kann nicht ausbrechen! Es kann gut gehen wie in einer harmonischen Ehe oder zu Problemen führen.“
An der Seite der Ex-Kollegen
Nach einem Jura-Studium in Halle an der Saale wurde der ungewöhnliche Musiker dafür engagiert, die Künste von einer anderen
Seite zu betreuen. Er hat nun seinen Arbeitsplatz mitten unter den Kollegen, denen er als Jurist bei der „Deutschen
Orchestervereinigung“ in Rechtsfragen zur Seite steht. Viele von ihnen leiden wie er unter der „kanalisierten Kreativität“. Martin
Majewski setzt mit seinem Projekt auf die revolutionäre Idee, ein Orchester nach demokratischen Regeln spielen zu lassen. „In Zeiten
von Johann Sebastian Bach wurde ebenfalls ohne Dirigent gespielt“, deutet er an, eine „alte Tradition“ wieder aufzunehmen.
Demokratie auf der Bühne
Sein demokratisches Aufbegehren nimmt den Musikbetrieb gleich in mehreren Punkten aufs Korn. Das Ergebnis ist exklusiv in Berlin-
Buch, in der Scheune auf dem Künstlerhof zu erleben. Dorthin lädt der ungewöhnliche Rechtsanwalt regelmäßig zur „Bürgersinfonie“
ein. Unter diesem Begriff kommt bei ihm die doppelte Revolution zusammen. Hier geht es darum, dass klassische Musik durch ein
demokratisches Orchester zu den Bürgern dann kommt, wenn diese dafür Zeit haben: „Ich weiß durch verschiedene Erhebungen,
dass es nur eine bestimmte Gruppe von Menschen ist, die gerne abends in die etablierten Konzertsäle kommt. Das sind die über 40-
jährigen, die dazu die Möglichkeit haben, weil die Kinder aus dem Haus sind, vorausgesetzt, die Haushaltskasse erlaubt die teuren
Eintrittskarten. Senioren hingegen gehen abends nicht mehr gerne aus dem Haus. Familien mit Kindern können das nicht, weil sie
sonst aufwändig und teuer Babysitter engagieren müssten. Zudem fehlt oft das Geld für die Karten“, hat Familienvater Martin
Majewski, der vier Kinder hat, herausgefunden.
Erleuchtung auf zwei Rädern
„Als ich bei einem Fahrradausflug per Zufall auf die Scheune gestoßen bin und die hervorragende Akustik erlebt habe, war für mich
klar, dass wir hier unser Projekt starten werden“, erinnert er sich. Nun gibt es in Berlin-Buch mehrmals im Jahr hochkarätige Konzerte,
bei denen sich die Eintrittskartenpreise am Kinobesuch orientieren und wo die Orchester ohne Dirigent spielen. Oft mit dabei ist
Ehefrau und Bratschistin Frauke Huhs. „Wir hatten uns im Jugendorchester kennengelernt“, schmunzelt Musik-Revolutionär Martin
Majewski.
Revolution lodert weiter
In Berlin-Buch sind die Konzerte aufsehenerregende Höhepunkte im Jahr. Martin Majewski schafft mit seinen Einführungen auf der
Bühne ganz demokratisch Zugangsmöglichkeiten, die jedem ermöglichen, in den Hörgenuss einzutauchen. Das lodernde Feuer der
doppelten Revolution aus Berlin-Buch ist nun dabei, ganz behutsam erst mal die deutsche Hauptstadt zu erobern: „Wir sind daran, uns
auf andere Stadtteile zu erweitern!“
Infos:
www.buergersinfonie.de
Tel. 01 77/7 69 49 04
Stand Februar 2015
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Revolution im Konzertsaal!
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Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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