Riesen-Boiler und Schornsteinschoner entlasten Umwelt und sparen Energie

Weltweit erstes Kraftwerk mit Brennwerttechnik ist in Buch

Das Gelände der traditionsreichen Wärmeversorgung Buch ist so riesig, dass man sich erst mal orientieren muss.
Stolz ragt der markante Schornstein in den Himmel. Dahinter befinden sich die Gebäude der Dampfterzeuger, Heißwassererzeuger und die Anlagen für die Stromproduktion. Hier wird die Wärme für etwa 90 Prozent der im Versorgungsgebiet liegenden Gebäude erzeugt. Das sind 10 000 Wohnungen und 500 Einzelanlagen. Dazu gehören die Bucher Plattenbauten und Krankenhäuser sowie die Wohngebiete Karow-Nord und Neu-Karow. Der in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte Strom kann circa 8 000 Haushalte mit Elektroenergie versorgen.
Viele Bucher werden sich vielleicht noch an den Tag der offenen Tür im Heizkraftwerk erinnern. Über 2000 Besucher feierten einhundert Jahre Kraftwerksstandort Buch.
Wir trafen den Leiter des Heizkraftwerks Buch, Andreas Heuer:

Auf dem Flyer, der am Tag der offenen Tür im Heizkraftwerk auslag, wurden zwei interessante Projekte angekündigt.
Andreas Heuer: „Der Grund für unsere Investitionen war die für unser Werk problematische Sommerbetriebsweise.
Die Abwärme der Gasmotoren auf der Deponie Schwanebeck wird ganzjährig als Grundlast in das Wärmenetz Buch gespeist. Das sind 80 Prozent der Sommerlast. Für die fehlenden 20 Prozent sind die vorhandenen Kessel zu groß.
Ein Wärmespeicher konnte das Problem beseitigen. Die überschüssige Wärme wird einfach ‚zwischengelagert‘ und bei Bedarf wieder entnommen. Dafür wurde ein alter Öltank zum Wärmespeicher umgebaut. Zwei Millionen Liter Wasser befinden sich in dem Koloss. Er kann etwa 80 Megawattstunden Wärme bei 90 Grad Celsius speichern. Damit könnte man im Sommer für zwölf Stunden das komplette Heiznetz mit Wärme versorgen – es erhöht sich damit die Versorgungssicherheit. Außerdem wird er zur Optimierung der Wärme- und Stromproduktion benötigt. Jetzt kann auch im Sommer, also bei niedrigem Wärmebedarf, die ‚Bucher Wärme‘ in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt werden.“

Und das zweite Projekt? Sie kündigten an, 1,5 Prozent Brennstoff einzusparen.
Andreas Heuer: „Ja, das haben wir geschafft. Die Anlage läuft sogar besser als erhofft. Wir haben eine Pilotanlage für die Entfeuchtung und Kühlung von Verbrennungsabgasen installiert, die so genannte Hochtemperaturbrennwerttechnik. (Siehe Infokasten) Die Anlage kühlt die Abgase von 150 auf 70 Grad Celsius herunter und senkt die relative Feuchte auf bis zu 25 Prozent. Im normalen Wohnraumklima sind es 55 Prozent. Bei diesem Prozess entsteht Wärme, die in das Heiznetz eingespeist wird. Sie reicht zur Beheizung von über 300 Wohnungen. Das bei der Rauchgasentfeuchtung anfallende Kondenswasser wird als Zusatzwasser genutzt. Das spart jährlich 2,5 Millionen Liter Trinkwasser.“

Wie kamen Sie auf diese Technologie?
Andreas Heuer: „Ich suchte im Internet nach einer Lösung für unser Schornsteinproblem: Die beschriebene Sommerbetriebsweise mit dem Wärmespeicher hat den Nachteil, dass die Dampferzeuger häufig an- und abgestellt werden müssen. Der Schornstein kühlt aus. Beim Anfahren kondensieren die feuchten heißen Abgase an dem abgekühlten Innenmauerwerk. Das führt zu verstärktem Verschleiß. Durch den Einsatz der Hochtemperaturbrennwerttechnik bleibt der Schornstein trocken.“

Das ist ja ein doppelter Effekt!
Andreas Heuer: „Ja, der Schornstein wird geschont und wir sparen Brennstoff, Trinkwasser und entlasten die Umwelt.“

Welchen Wirkungsgrad können Sie jetzt erzielen?
Andreas Heuer: „Die Hochtemperatur-Brennwertnutzung ist das gesamte Jahr mit kontinuierlicher Leistung in Betrieb. Bei geringem Leistungsbedarf des Heiznetzes, also im Sommerbetrieb, werden fast 100 Prozent der Abgase damit behandelt. Für diesen Lastfall betreiben wir unsere Dampferzeuger mit einem Wirkungsgrad von an die 100 Prozent.
Das ist sicherlich einmalig für ein Heizkraftwerk. Über ein Jahr betrachtet verbessern wir den Wirkungsgrad des Heizkraftwerkes um circa 1,5 Prozent.“ Die Technologie ist erst ein paar Jahre alt und wurde bisher nur in Blockheizkraftwerken eingesetzt. Was ist das Besondere in Buch?
Andreas Heuer: „Unsere Anlage ist viermal so groß wie ihre kleine Schwester an der Sporthochschule Köln.
Die Technologie wird bei uns erstmals in einem Heizkraftwerk eingesetzt. Es mussten entsprechend andere Rahmenbedingungen beachtet werden. Beim Innovationsmanagement von Vattenfall lief ich offene Türen ein, als ich um Unterstützung bei der Realisierung des Projektes bat.
Vattenfall sieht ein großes Potenzial für die Nutzung dieser Technologie. Schließlich benötigen wir innovative Ideen um das Klimaschutzziel zu erreichen. Allein die Bucher Anlage entlastet die Atmosphäre jährlich um 700 Tonnen Kohlendioxid. Auf Grund des innovativen Charakters dieses Projektes hat sich der Energiefonds Berlin mit einer Förderquote von 50 Prozent an den Investitionskosten beteiligt.“

Die Technik hört sich erst mal sehr kompliziert an. Wie sind denn Ihre ersten Betriebserfahrungen?
Andreas Heuer: „Die Technologie ist sehr robust und nicht störanfällig. Probleme gab es anfangs lediglich mit der konventionellen Technik, wie zum Beispiel mit der Messtechnik oder Haarrissen in Kunststoffrohrleitungen.
Wir haben die Anlage mit einem sehr hohen Standard an Messtechnik ausgestattet. Die ersten drei Betriebsjahre wird das Projekt in Form einer Doktorarbeit begleitet. Die Ergebnisse der Arbeit sollen in zukünftigen Projekten Berücksichtigung finden.“

Vattenfall AG
Heizkraftwerk Buch
Schwanebecker Chaussee 17, 13125 Buch
Tel. 030/26739256

Andreas Heuer ließ den ehemaligen Öltank zum Wärmespeicher umbauen.

Was ist Brennwerttechnik?
Bei Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Erdgas oder Kohle entstehen Kohlendioxide und Wasserdampf. Könnte man den Dampf komplett kondensieren, so würde sich der Wirkungsgrad bei der Verbrennung von Erdgas um mehr als zehn Prozent erhöhen. Dazu benötigt man ein Kühlmedium, das unter der Taupunkttemperatur liegt. Bei Erdgas sind das 58 Grad Celsius. Deshalb funktioniert die konventionelle Brennwerttechnik nur auf niedrigem Temperaturniveau. Industrielle Nutzung ist nicht möglich.

Hochtemperaturbrennwerttechnik:
Die Rauchabgase werden mit einer wasseranziehenden Salzlösung gewaschen. Dabei kann ein Teil des enthaltenen Wassers gebunden werden. Bei Kondensation des Wassers und bei Abkühlung des Rauchgases wird Wärme frei, die an das Heiznetz abgegeben wird. Das aufgenommene Wasser muss ständig aus der Salzlösung entfernt werden, um sie wieder hygroskopisch zu machen. Dafür ist Heizdampf notwendig, der das in der Lösung enthaltene Wasser in einem Wärmeübertrager verdampft. Der ausgetriebene Dampf gibt seine Wärme ebenfalls an das Heiznetz ab und kondensiert dabei. Das Kondensat wird dem Kraftwerksprozess als Zusatzwasser zur Verfügung gestellt.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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