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Heute ist die NSA in aller Munde, vor allem seit die Ausspähung der Bundeskanzlerin bekannt geworden ist. Nun gibt es heiße Diskussionen. Dabei konnte man bereits vor drei Jahren bei einem Bernauer Autor nachlesen, wie dieses „weltumspannende Netz von Ausspähungen“ funktioniert!
George Tenner beleuchtet in seinem Buch über den Afghanistan-Krieg „Jenseits von Deutschland“ sehr exakt die Arbeitsweise dieser US-Super-Spionage-Behörde. Er beleuchtet, warum der Krieg am Hindukusch für den Westen nicht zu gewinnen ist. Dabei zeigt gerade seine faire Darstellung aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten das deprimierende Bild eines „unlösbaren“ Konflikts, zumindest im Sinne der westlichen Werteordnung. Durch Tenner kann man sich ins Denken der Taliban und ihre Strukturen ebenso hineinversetzen wie in das der Amerikaner und ihrer NSA. Es gibt den Blick ins Feldlager der Deutschen und der US-Armee ebenso wie in die afghanische Bevölkerung.
Journalist und Romancier
George Tenner versteht es wie kaum ein anderer, Realität und Fiktion zu verbinden. Dafür stehen seine Usedom-Krimis und sein in Italien spielender erotischer Roman. Er beschäftigt sich intensiv mit Geheimdiensten und der Mafia. Er sagt: „Meine Romane entstehen aus aktuellem Anlass.“
Liebe zur Ostsee
George Tenner entstammt einer Künstlerfamilie. Seine Mutter Annemarie Schmidt-Kirstein trennte sich bald nach Kriegsende von ihrem Ehemann, dem Dresdner Maler Helmut Schmidt-Kirstein. Sie zog vom sächsischen Bischofswerda mit ihrem kleinen Sohn an die Ostseeküste nach Ahrenshoop.
Stars im Wohnzimmer
Dort erlebte der spätere Schriftsteller das Aufblühen der berühmten Künstlerkolonie. Er traf durch seine kunstsinnige Mutter auf viele, die später als Stars in TV, Film, Theater und öffentlichem Leben der DDR zu Ruhm und Ansehen kamen. Problem war nur, dass dies seinen Freiheitswillen verstärkte. Weil sich der angehende Autor nicht mit dem Eingesperrtsein im kleinen Land abfinden wollte, landete er nach einer misslungenen Ausreise über Polen 1964 für über ein Jahr im Gefängnis von Frankfurt/Oder.
Flucht mit dem Schlauchboot
„Ich habe später herausbekommen, dass ich von Fina Barsan aus Wandlitz, die später Mielke hieß, verraten wurde. Sie schwärzte mich bei der Stasi an, um ihren Mann Dieter Schwinn aus dem Gefängnis zu holen, wo er wegen Scheckreiterei einsaß. Dafür erhielt sie laut Unterlagen der Gauck- Behörde einen Judaslohn von 200 Mark“, beschreibt Tenner seinen Fall, der das Zeug hätte, Stoff für einen seiner Krimis zu sein. Mit seinem Knastkollegen Klaus Richter reifte noch im Frankfurter Stasi-Gefängnis der Plan zu einer abenteuerlichen Flucht. Zusammen mit der zweiten Ehefrau Ulla- Ingelore wurde am 16. Oktober 1966 das „Unternehmen Seelift“gestartet. Tatsächlich gelang es, in einem kleinen Schlauchboot die Grenze zu passieren und vom dänischen Feuerschiff Gedser aufgenommen zu werden, das als Navigationshilfe für die Schifffahrt diente.
Spannendes Leben
George Tenner hat sein Leben und die abenteuerliche Flucht sowie die Jahre danach in seiner Autobiografie „Das Haus am Hohen Ufer“ äußerst spannend und detailreich beschrieben. Das 2009 erschienene Werk bietet viel Hintergrundwissen, das uns heute hilft, die DDR der 1950-er Jahren nachzuempfinden. Dabei entpuppt sich der Autor und Journalist als Freund klarer Worte, unterhaltsamer Darstellung und detailreicher Schilderung mit Nennung von „Ross und Reiter“. Zugleich beeindruckt er weil er trotz des erlittenen Unrechts zu differenzierter Beurteilung in der Lage ist.
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Erotik und Mafia
Die eigentliche Schriftstellerkarriere startete Tenner 1982 im Alter von 42 Jahren mit seinem Roman „Der Wüstenwolf“. Dieses Buch behandelt den Sechstagekrieg und einen israelischen Spion, der zu dieser Zeit in Ost-Berlin tätig war. Offenbar hatte er zu gut recherchiert und den Nerv der Geheimdienste getroffen. Jedenfalls erwirkte das DDR- „Ministerium für Staatssicherheit“, kurz „MfS“, einen internationalen Haftbefehl, so wie heute die US-Regierung gegen Edward Snowden. „Die Generalstaatsanwaltschaft der BRD zog mit und belegte mich mit einem Publikationsverbot“, so Tenner weiter. Deshalb ließ er sich am Bodensee nieder und arbeitete für verschiedene Zeitungsverlage in Deutschland und der Schweiz. Erst 2004 erschien wieder ein Buch, diesmal ein Satireband. Dann begann die Hinwendung zu Themen aus Italien. Der erotische Roman „Das Spiel der Nymphen“ schildert die Entwicklung eines Gigolos und lässt an die Memoiren von Giacomo Casanova denken: „Mich haben Berichte über die Ausschweifungen der italienischen High Society auf das Thema gebracht. Casanova habe ich niemals gelesen“, sagt er heute und weist autobiografische Züge von sich.
Ostsee-Krimis
Zu seinem „Markenzeichen“ wurden die Usedom-Krimis um Lasse Larsson, die sehr ungewöhnlich in der Entstehung sind: „Ich nehme reale Fälle zum Anlass, die ich dann auf Usedom aufklären lasse. Die Handlung der Romane ist teilweise fiktiv. Es werden aber existierende Schauplätze und Probleme genau beschrieben. Dabei kommen reale Personen zu Wort, die es wirklich gibt oder gab. Deshalb ist das Echo der Einheimischen auf diese Bücher manchmal durchaus geteilt. So spielt in ‚Nacht über der Insel‘ die Vorzeigekameradschaft der Nazis auf Usedom eine wichtige Rolle“, erläutert er. Die Kritik an Spießertum und ungerechten sozialen Zuständen dürfen dabei ebenso wenig fehlen wie Sex. Schließlich ist George Tenner, der nach dem Gefängnisaufenthalt aus Tarnungsgründen den Nachnamen seiner zweiten Frau angenommen hat, ein großer Fan des 2013 verstorbenen Kritikerpapstes Marcel Reich- Ranicki. Der meinte: „Im Roman zählen nur zwei Themen, die Liebe und der Tod. Alles andere ist Mumpitz!“
Missstände im Auge
Der Autor und Journalist mischt sich gerne streitbar ein, wenn er es für nötig hält. Mit dem bisher letzten Roman „Im Schatten der roten Mühle“ geht Tenner über die Ostsee- Küste hinaus und bietet einen schon fast weltumspannenden 536-Seiten-Thriller, der die Mafia ebenso einbezieht wie Saddam Hussein oder „Politiker, die mit ihrer Nähe zu Größen der süditalienischen Ndrangheta nach der Wende halb Thüringen an die Mafia verkauft haben“, so Tenner. Trotz seiner mittlerweile 74 Jahre ist der Wahl- Bernauer immer noch Frühaufsteher. „Ich arbeite täglich von sechs bis 18 Uhr mit einer Stunde Mittagspause“, verrät er. Das nächste Werk ist in Vorbereitung. „Es wird das weltweite 25-Milliarden-Jahresgeschäft des internationalen Kunsthandels, von dem ein Großteil von Fälschungen bestritten wird, zum Inhalt haben.“ Wie bei seinem ersten Usedom-Roman, der als Novum für einen deutschen Krimi von einem wissenschaftlichen Nachwort, damals von Professor Thomas Feltes von der Universität in Bochum begleitet wurde, wird sein im April 2014 erscheinender sechster Usedom-Roman wieder mit einer Überraschung aufwarten. Man darf gespannt sein, wer sich dann äußert.
Infos: www.george-tenner.de Tel. 0 33 38/9 09 09 17
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