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DAS MUSEUM UND DIE AUTOS:
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Die Schönen von Berlin und Brandenburg findet man in Riga, Sarajevo, Leningrad und vielen weit entfernten anderen Orten. Ein Berliner möchte sie nun im Barnim versammeln und zwar in Börnicke!
Dass die Schönen kommen, ist gar keine Frage: Denn sie alle tanzen gerne nach der Pfeife von Rupert Stuhlemmer. Dabei träumt der agile 78-Jährige von vierrädrigen Schönheiten. Der Star-Architekt, dessen Büro derzeit an Deutschlands bekanntestem Projekt, dem Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses arbeitet, will ab Frühjahr 2006 den ersten Teil eines ungewöhnlichen Automuseums im ehemaligen Pferdestall von Schloss Börnicke eröffnen.
Oldtimer im Pferdestall
Im Endausbau sollen dann an die einhundert Fahrzeuge zu sehen sein. „Angeschlossen an die Schau wird eine Restaurierungswerkstatt sein“, so Rupert Stuhlemmer.
Der Berliner ist als ausgewiesener Fachmann für die vielfältige Autoszene von den späten 1920er Jahren bis zum Beginn der Kriegszeit bekannt. „Wir hatten in Berlin und Brandenburg zwar keine großen Autoproduzenten, aber viele kleinere Firmen, die auf das Chassis der damaligen Marktführer für Luxusautos wie Mercedes, Maybach oder Rolls Royce Aufbauten nach Wunsch fertigten.“
Auto nach Maß
So konnte man sich entscheiden, ob man ein Cabrio wollte, wenn ja mit vier oder zwei Plätzen, ob es eine Limousine sein sollte, ob stromlinienförmig oder repräsentativ. „Das Auto war ein Teil der Persönlichkeit!“, so Stuhlemmer. Eine dieser Autoschmieden hat er besonders genau unter die Lupe genommen: „Von Erdmann & Rossi konnte ich das gesamte Archiv übernehmen.“
Hitler, Henkel und Maggi
Es handelte sich um die Karosseriebauer, die damals die Elite und alle, die sich dafür hielten, mit maßgeschneiderten Fahrzeugen versorgten. Darunter waren NS-Größen vom „Führer“, der sich zwei Mercedes ausstatten ließ, über seine Chargen bis zu Industriellen wie Dr. Hugo Henkel und Ufa-Stars. König Ghazi vom Irak bezog aus der Berliner Werkstatt einen Roadster mit Fünf-Liter-Motor. Er kam 1939 bei einem Autounfall ums Leben. Die preußische Kronprinzessin ließ sich einen 5,2 Liter Maybach als Pullmann Cabrio bauen. Die Firma Maggi bezog alle Autos von den Berlinern.
Am Anfang war die Ente
Stuhlemmers Liebe zum Auto fing mit einem 2CV an. Nach der Ente kam ein Ami 6, ebenfalls von Citroen. „Als junger Architekt hatte ich eine Baustelle in Britz und fuhr jeden Tag an einer Tankstelle vorbei, wo eine weiße Limousine vor sich hin rostete. Ich verliebte mich in das Fahrzeug!“ Die Tankstelle wollte für das olle Gefährt 3 000 Mark. Für einen jungen Familienvater war das eine Menge Geld.
Dank Mami zum Daimler
Ohne Einwilligung der gerade verreisten Ehefrau Mimi wollte Stuhlemmer soviel Geld nicht ausgeben. So ein Glück, dass Mama das Portemonnaie zückte! Das Prachtstück erwies sich als ein Daimler mit Geschichte: „Vorbesitzer war der englische General Bernhard Montgomery, der den ‚Wüstenfuchs‘ Erwin Rommel aus Afrika vertrieben hatte.“ Ob der eitle General das Gefährt in der Wüste von El Alamein bei der Entscheidung gegen die Deutschen mit sich führte?
Lack und Leder
Nächstes Auto war der Rolls Royce von 1949, der vorher dem Londoner Bürgermeister diente. Dem folgte ein Maybach, der Star auf der Auto-Ausstellung in Berlin 1938 war. Bald reüssierte der Architekt als Fachbuchautor. Sein Werk „Chrom, Lack und Leder“ spürte nach, welche Autos die Ufa-Stars fuhren. Der Star-Architekt initiierte mit einem Förderverein die Abteilung Straßenverkehr des Deutschen Technik Museums in Berlin und war dafür fünf Jahre ehrenamtlich tätig. Umso trauriger ist er, dass die Sammlung hier niemand sehen kann, weil der Platz für eine Ausstellung fehlt.
Von Mendelssohn entdeckt
Der Architekt, der zusammen mit seinem Sohn York Stuhlemmer mit Projekten wie dem Kommandantenhaus Unter den Linden, das von der Bertelsmann Stiftung genutzt wird, von sich reden machte, war auch von der Familie Mendelssohn entdeckt worden. Die Nachfahren des Komponisten wollten ihr historischen Bank- und Privathaus in Berlin-Mitte wieder zum Leben erwecken. Eine zufällig gefunden Büste wies den Weg nach Börnicke. Dort hatte sich der vom Kaiser in den Adelsstand erhobene Komponisten-Neffe und Bankier Paul Robert Ernst von Mendelssohn-Bartholdy von Stararchitekt Professor Bruno Paul von 1909 bis 1911 ein Gutshaus zu einem Schloss umbauen lassen. Paul hatte als Lehrmeister von Mies van der Rohe maßgeblich die moderne Architektur beeinflusst. Mendelssohn war zum christlichen Glauben konvertiert und machte durch seine Kunstsammlung, unter anderem besaß er Originale von Vincent van Gogh, von sich reden. Später nutzte Wilhelm Pieck, erster und einziger Staatspräsident der DDR, das Haus zeitweilig als Feriensitz.
Im Leben alles erreicht
In Börnicke bemühte sich ein Förderverein um den aus Rostock stammenden ehemaligen EDV-Fachmann Uwe Hamann darum, das Areal zum Leben zu erwecken. Hamann hat im historischen Teil von Berlin als Projektentwickler exklusive Altbauten saniert und erfolgreich weiterverkauft. „Ich habe in meinem Leben alles erreicht und möchte einen Teil meiner Kraft nun in den Erhalt dieses wichtigen deutschen Kulturerbes stecken“, sagt der 41-Jährige. Schnell waren sich die zwei Baufachleute einig. Autofan Stuhlemmer bekommt sein Museum und bringt sein Wissen in die Sanierung ein.
Blick in die Schatzkammer
Im Endzustand soll das Schloss Gästehaus sein und für Veranstaltungen und Ausstellungen offen stehen. Rund herum sollen ein Ayurvedisches Zentrum, eine Bio-Gärtnerei, das Automuseum und der wunderschöne Park einladen. Von hier aus lassen sich weitere Attraktionen der Region besuchen. Noch wird kräftig Geld gesammelt. Sachspenden der Bürger sind in der „Schatzkammer“ gestapelt und warten darauf, bei Ebay versteigert zu werden. Arbeitslose polieren gespendete Kleidung auf, während Bauarbeiter, vielfach ebenfalls auf Kosten der Arbeitsverwaltung, alte Gebäude abräumen und den Pferdestall umbauen, damit Star-Architekt Stuhlemmer dort seine „mobile Architektur“, wie er seine Oldtimer nennt, ausstellen kann.
Schlossherr kommt im Golf
Zur Baustellenbesichtigung kommt er allerdings nur mit seinem Golf der schicke Bentley Baujahr 1953 kommt ihm nur zu ganz besonderen Anlässen aus der Garage. Nicht, weil er zu protzig wirkt, sondern einfach, weil er zuviel Sprit verbraucht!
Infos Tel. 0 33 38/70 93 38
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