Geschichte von Ausländern erlebt:

Lieber DDR oder BRD?

Wo war es besser zu leben: In der alten DDR oder der neuen BRD? Für die meisten Bernauer liegt die Antwort klar auf der Hand. Doch wie ist es mit jenen, die in beiden Ländern Ausländer sind? Wie haben sie den Wandel der Geschichte am eigenen Leib erlebt?
Das wollte ein Gruppe junger Bernauer Geschichtsforscher in Interviews mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern herausfinden. Unter Leitung der Historikerin Dr. Birgit Schädlich machten sich Falko Weigelt, 19, Anne Weege, 20, Juliane Krause, 18 und Nilofar Giasi, 14, auf die Spurensuche. „Wir konnten schließlich fünf Menschen aus so unterschiedlichen Ländern wie Algerien, Russland, Kuba, Vietnam und Angola für Interviews gewinnen“, berichtet Falko Weigelt. Die Gruppe wollte das Lebensschicksal der Befragten erfahren. Außerdem interessierte sie, wie unterschiedlich sie beide Systeme aufgenommen haben, wie es um ihre Integration bestellt ist, wo sie sich zu Hause fühlen, ob sie tätlichen Angriffen ausgesetzt waren. Alle fünf hatten zu den Grundfragen eine relativ einheitliche Meinung, was der Befragung einen nachträglich exemplarischen Charakter verleiht: „Sie waren sich einig darüber, dass sie sich in der DDR sicherer fühlten. Das lag daran, dass sie als Ausländer in speziellen Wohnheimen leben mussten, in denen man sie nur unter Schwierigkeiten besuchen konnte. Also gab es kaum Berührungspunkte mit der einheimischen Bevölkerung, die nicht, wie etwa an der Arbeitsstelle, kontrolliert waren“, fasst Dr. Schädlich als ein Ergebnis zusammen. „Aufgrund dieser Isolierung war natürlich klar, dass an Integration gar nicht zu denken war!“
Das schafften viele der Befragten von sich aus. Die Russin kam aufgrund einer Liebesaffäre nach Bernau und hatte als Ehefrau eines Deutschen keine Integrationsprobleme. Der Kubaner arbeitet als Lehrer am Gymnasium und ist allseits anerkannt. „Probleme haben heute nur die Vietnamesin und der Angolaner, weil sie aufgrund ihres Aussehens sofort als Ausländer
erkennbar sind. Sie mussten sich bereits gegen tätliche Angriffe wehren“, so die Bernauer Historikerin weiter. Die befragte Vietnamesin scheint es besonders schwer zu haben, Halt in ihrem Leben zu finden. In Deutschland fürchtet sie sich vor Übergriffen, in Vietnam möchte sie trotz mehrmaliger Versuche ebenfalls nicht leben. Und so hat sie zusätzlich noch Panik, in Deutschland vom vietnamesischen Geheimdienst beschattet zu werden! Über alle fünf Befragten wurden von der Jugendgruppe Informationstafeln zusammengestellt, die seit 22. Oktober im Foyer des Gymnasiums zu sehen sind. Auf allen sind diverse Fotos der Befragten, nur die Vietnamesin verweigerte sowohl den vollen Namen als auch Bilder – aus Angst vor späteren Strafmaßnahmen in ihrem Geburtsland!
Forschungs-Initiatorin Dr. Birgit Schädlich hat übrigens selbst Erfahrungen gesammelt, wie man sich als Ausländerin fühlt: „Eigentlich wollte ich Journalistin werden. Dann erhielt ich das Angebot, im Ausland, in der damaligen Tschechoslowakei, zu studieren. Diese Möglichkeit fand ich so klasse, dass ich alles umwarf und eben Geschichte studierte.“ Im sonnigen Brno, den Deutschen als „Brünn“ bekannt, fühlte sie sich absolut toll aufgenommen und sehr wohl. Nur, zum Besuch der berühmten Motorrennbahn kam sie nie – schließlich studierte ihr Freund im 200 Kilometer entfernten Prag. Das war damals, 1975 bis 1980, eine nicht einfach zu überwindende Entfernung!
Infos Tel. 03338/763270

Dr. Birgit Schädlich war selbst als ausländische Studentin in der CSSR.

Falko Weigelt stellte mit den anderen Jugendlichen eine Ausstellung zusammen, die im Gymnasium und später in anderen Schulen zu sehen sein soll.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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