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Er eilt von St. Petersburg nach Athen, von Seoul nach Budapest, von Dresden nach Kassel. Doch immer wieder erinnert er sich an seine
Heimatstadt Bernau! Dabei mischen sich Wehmut und Freude. Besonders die Bocksprünge spielen hier eine Rolle!
„Ich denke immer noch mit Schrecken an den Sportunterricht zurück. Da wurde ich echt gequält, weil ich völlig unsportlich war“, hat Martin Rupprecht seine Schulzeit in der Hussitenstadt vor Augen. „Ich war sicher auch ein unangenehmer, arroganter Pennäler. Denn die Naturwissenschaften, also Mathe, Physik und Chemie, interessierten mich überhaupt nicht!“
Wer würde das heute denken? Heute, wo Rupprecht Professor ist, wo er in der Welt des Theaters wie kaum ein anderer gefragt ist als sensibler Bühnenbildner. Um den Bernauer reißen sich die Star-Regisseure weltweit. Dabei ist neben Einfühlungsvermögen und Fantasie gerade technisches Genie gefragt. Denn die Bühnenbilder müssen immer weitreichendere Anforderungen erfüllen. Sie müssen überzeugen, funktionieren, leicht transportierbar und dennoch ungemein beweglich und haltbar sein und sollen immer weniger kosten. Wie soll das zusammengehen, ohne profunde Kenntnis der Gesetze der Physik? „Meine Konstruktionen entstehen aus Intuition, da brauche ich keine Formeln“, grummelt Professor Rupprecht. Gehalten haben sie jedenfalls noch immer! Der Pfarrersohn aus Bernau ist mit drei Geschwistern aufgewachsen, in der Hussitenstadt aufs Gymnasium gegangen und hat „trotz allem“ das Abitur mit „gut“ bestanden. Da wusste er allerdings längst, was er werden wollte. „Ich durfte als Elfjähriger in der Berliner Staatsoper ‚Sadko‘ von Nikolaj Rimsky-Korsakow sehen. Da wusste ich: ‚Ich werde der, der die Bilder malt‘.“
Über ein Praktikum bei der DEFA gelang dem Bernauer der Sprung an die West-Berliner Meisterschule für Kunsthandwerk. Kurz vor dem Mauerbau ließ sich die Familie in diesem Teil der Stadt nieder.
Nach Beendigung des Studiums folgten Jahre, wo Rupprecht für die Vaganten Bühne und das Renaissance Theater Sprechstücke ausstattete. „Schneewittchen und die Sieben Zwerge“, Klassiker von Johann Wolfgang von Goethe, oder Autoren der Moderne wie Henrik Ibsen und August Strindberg wechselten mit den aktuellen Schreibern der Nachkriegs-Ära wie Wolfgang Borchert, Siegfried Lenz oder Jean-Paul Sartre.
Der Durchbruch kam mit dem modernen Musiktheater: Mauricio Kagel engagierte Martin Rupprecht 1974 und 1975 für die Berliner Festwochen. Rupprecht durfte die Uraufführung von Kagels „Mare Nostrum“ ausstatten und war auf einen Schlag in aller Munde. Zu dieser Zeit wirkte der Bernauer bereits als Professor. Seine Lehrerin Mariane Herting hatte die pädagogische Befähigung des ruhigen immer freundlichen Pfarrersohns entdeckt. „Es war die Zeit der Studentenunruhen. Da brauchten die jemanden, der mit den Studenten umgehen kann, die gleiche Sprache spricht...“
Jahr für Jahr betreute Rupprecht seine Klasse im Fach „Kostüm“ an der HdK. Aus seiner „Schule“ sind Größen wie Anna Eiermann oder Florence von Gerkan gegangen. Als Mann der Praxis, der lehrte und an den Theatern der Welt arbeitete, hatte Rupprecht immer viel mehr als Theorie zu bieten. „Meine schlechten Jugend-Erfahrungen in meiner Schulzeit halfen mir, etwas anders auf die Studenten zuzugehen!“ Von manchen Ideen der „wilden 70er Jahre“ hat er sich allerdings verabschiedet. „Ich hatte mich besonders um die Förderung von Studenten aus schwierigen sozialen Verhältnissen bemüht. Heute weiß ich, dass nur das Talent entscheidet.“
Mit 65 schied Martin Rupprecht 2004 aus der Lehrtätigkeit aus. Doch Altersmüdigkeit ist für ihn ein Fremdwort. Er wirbelt durch das geordnete Chaos in seinem Haus in Berlin-Zehlendorf, spricht unprätentiös über sein Leben, von Starallüren keine Spur. „Ich gehe durch den Arbeitereingang ins Theater, Lack und Glamour, das ist nicht meine Welt!“ Vielleicht es gerade diese Bescheidenheit im Auftreten, die ihm zeitlebens ermöglichte, im nervenaufreibenden Treiben der Stars und Ehrgeizigen gehobenen Hauptes seine Vorstellung von Ästethik zu verwirklichen. Geht es dabei doch immer um Geld und technische Möglichkeiten, um den Spagat zwischen Regie-Idee, Werktreue und Publikumsgeschmack, um Kunst und Provokation, um Liebe und Eifersucht. „Meine schwierigste Arbeit war die Inszenierung der Zauberflöte als Deutsch-Russisches Joint Venture in Leningrad vor über zehn Jahren: Als Deutscher in dem Ort zu arbeiten, den Hitlers Armee über eineinhalb Jahre auszuhungern versuchte, war ein ganz besonderes Gefühl!“ Aktuell ist Martin Rupprecht in Athen gefragt. Dort wird das neue Megaron Theater mit „seiner“ Zauberflöte im Dezember 2005 feierlich eröffnet. Regie führt Sir Neville Marriner. Anschließend wird Rupprecht schon bald in Bernau zu sehen sein: Zur Eröffnung einer Ausstellung mit ausgewählten Arbeiten in der städtischen Galerie im Februar 2006. Natürlich wird er bei der Vernissage persönlich in seiner Heimatstadt zugegen sein.
Infos Tel. 0 30/8 33 12 87
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