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Kunst als „brotloser Beruf“, darunter
leiden viele Maler, Bildhauer oder
Musiker. Oft ist es kaum möglich, zu
Lebzeiten mit den Werken ein
attraktives Einkommen zu erzielen. Ein
Mahlower tanzt da völlig aus der Reihe.
Er will gar keinen Verdienst erzielen!

Professor Jochen Kern findet, dass „Kunst
und Kommerz“ ein echter Widerspruch
sind. Deshalb hat er sich für seine  
Holzskulpturen ein ganz spezielles
Vermarktungsmodell ausgedacht. Bei ihm
kommen die oft zentnerschweren Werke
regelmäßig unter den Hammer! Dafür
organisiert er nach eigenen Regeln
Versteigerungen im Internet.    

Gutes Gewissen

Die Erlöse der Arbeiten gibt er generell
weiter. Sie werden stets einem vorher
festgelegten wohltätigen Zweck zugeführt.
Zu den Empfängern gehörte die
„Kindernothilfe für Ostafrika“, ein Unicef-
Projekt für syrische Flüchtlingskinder und
die Unterstützung von „Schulbrot für
Kinder“, das von der Berliner Tafel
durchgeführt wird. Damit setzt der  jugend
liche 72-Jährige einen ganz neuen Akzent
im heiß-umkämpften Kunstmarkt. Er
„gibt“ im doppelten Sinne. Von ihm
erhalten die Käufer hochkarätige
Kunstwerke und Menschen in Not
Unterstützung. Das kostet ihn neben der
vielen Zeit und Mühe für die Kunstwerke
vor allem eine Stange Geld fürs Material.
Denn Jochen Kern verwendet nur ganz
besondere Hölzer, etwa vom Lebensbaum
oder extrem hartes Wurzelholz von
tropischen Bäumen, die er sich teilweise
extra von Südamerika aus per
Schiffstransport anliefern lässt. „Da es
heute kontrollierten Anbau von Hartholz
gibt, kann man das mit gutem Gewissen
machen“, erläutert er.  

Vorrat für mehrere Leben

Im Garten hat er ein Holzlager, „das reicht
für mehrere Leben“, so seine eigene
Einschätzung. Diese Aussicht amüsiert ihn,
denn das bedeutet, dass er für seine Kunst
freie Auswahl des Materials hat. Dabei
haben es ihm Themen wie „Paare und
dazwischen“, Fabelwesen, Knoten aus
Holz oder „Rundes und Eckiges“ angetan.
Seine Arbeiten bestehen in der Regel aus
mehreren Einzelkunstwerken, die
„miteinander sprechen“ und besonders im
Verbund wirken. „Mich hat schon immer
der Duft fasziniert, den das natürliche
Material ausstrahlt“, gibt der Ex-
Hochschulprofessor und langjährige
Spitzenmanager Einblick in seine
Wandlung zum Künstler. Dabei hatte
Jochen Kern ziemlich lange gebraucht, um
im Holz „Pudels Kern“ zu entdecken.    

Steile Karriere  

Er hatte schon früh das 1908 vom Vater
erbaute Elternhaus, in dem er heute wieder
lebt, verlassen, um in Westberlin an der TU
Ingenieurwissenschaften zu studieren. Er
erklomm die Karriere ziemlich schnell,
wurde Professor und war sieben Jahre lang
mit Ehefrau und den drei Kindern in
Südafrika an der Universität von
Johannesburg. „Im Hochschulbereich gab
es keine Rassentrennung. Dennoch wurden
die Spannungen immer größer. Deshalb
beschlossen wir, trotz der schönen Zeit,
wieder zurück nach Deutschland zu
gehen.“  

Der Zeit voraus

Die Familie wählte das feine Düsseldorf als
neuen Lebensmittelpunkt. Professor Kern
hatte beschlossen, zu beweisen, dass er
außerhalb des universitären Elfenbeinturms
ebenfalls erfolgreich sein kann. Schnell
stieg er in die Spitze des Managements
mehrerer Industriebetriebe aus der
Energiebranche auf. Das bedeutete sicheres
und hohes Einkommen. Dennoch brach er
wieder alle Brücken ab und machte sich
mit einer eigenen Software-Firma
selbstständig. Der Sprung ins „kalte
Wasser“ lohnte sich, denn wenig später
wurde das Thema „Energieeffizienz in
Gas- und Kohlekraftwerken“, mit dem sich
das kleine Unternehmen beschäftigte,
weltweit als Problem, das nach
Lösungen förmlich schreit, erkannt. „Mit
59 Jahren verkaufte ich mein florierendes
Unternehmen und hatte genügend
Rücklagen für meinen Ruhestand“,
resümiert der umtriebige Ex-Professor.
Doch was tun mit der vielen Zeit, die
plötzlich da war?  

Zurück zu den Wurzeln

Jochen Kern zog es zurück zu den
Wurzeln. „Da mein Elternhaus im
Grenzstreifen lag, war es nicht enteignet
worden, es sollte ja ohnehin niemand darin
wohnen“, freute sich Kern. So machte er
sich daran, das Gebäude mit viel
Fingerspitzengefühl fürs Bestehende an die
heutige Zeit anzupassen, um sich nunmehr
ganz seinem Hobby, dem Arbeiten mit
Holz zuzuwenden. „Ich hatte im Ingenieur
wesen immer auf Kreativität und die
Entdeckung von Neuem gesetzt und wollte
das nun im Umgang mit einem Material,
das mich wegen des Geruchs und weil es
sich so interessant anfühlt, seit Kindheit
gereizt hat, ebenfalls machen“,
erläutert er seinen neuen Lebensweg. „Die
Arbeit damit ist deshalb so spannend, weil
man selbst am Anfang nicht weiß, was am
Ende herauskommt. Durch den natürlichen
Charakter entfaltet dieser Werkstoff ein
Eigenleben, das man einfach akzeptieren
muss. Wenn ich damit arbeite, bedeutet das
täglich acht bis zehn Stunden Schwerst
arbeit, anschließend falle ich todmüde und
erschöpft ins Bett. Ist der Schaffensprozess
beendet, interessiert mich das Ergebnis
kaum mehr, dann ist die Spannung weg!“

Technik und Kunst  

Mit seiner neuen Leidenschaft war
Professor Jochen Kern wie gewohnt
schnell sehr erfolgreich. Er bestritt
Ausstellungen in Düsseldorf und später in
Berlin. Mit ein Grund dafür ist, dass sich
bei ihm Kreativität und Ingenieurskunst
verbinden. „Mir geht es um die absolut
präzise und perfekte Ausführung. Ich
erkenne mit bloßem Auge, wenn etwas
nicht im Winkel ist. Andere würden sich
schwer tun, derart kleine Abweichungen
mit Messinstrumenten festzustellen. Wenn
ich in einen Raum gehe, sehe ich sofort,
wenn ein Bild schief hängt und fühle mich
in meinem Ästhetikgefühl gestört.“ Ob
zentnerschwerer Tropfen, Ei, Kugel,
Figuren und Fabelwesen, ausschlaggebend
ist für ihn die vollendete Ästhetik. „Es
muss einfach schön aussehen“, nennt
Jochen Kern den Kern seiner Kunst.

Berühmter Sohn

Der jüngste Sohn Andreas Kern hat die
kreative Ader vom Vater übrigens geerbt.
Er ist international bekannter Pianist und
unter anderem als Schöpfer der „Arte
Lounge“ in dem deutsch-französischen
Fernsehkanal bekannt. Die Sendung war
für den Grimme-Preis nominiert. Die
Mahlower kennen ihn aus der Zeit, wo er
im großelterlichen Anwesen zu
„Hauskonzerten“ eingeladen hatte.

Schönheit unterm Hammer

Stand August 2014

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Tradition für Mahlow

Professor Jochen Kern, der im Rentenalter
sein Wissen als später „Lehrling“ bei
einem traditionellen Christusschnitzer im
Grödnertal in Südtirol verfeinerte, führt
sein Faible fürs Holz auf  den Großvater
Arnold Kern zurück, der als Bildhauer
unter anderem fürs Pergamon-Museum auf
der Museumsinsel in Berlin tätig war. Von
ihm hat der Enkel ein Bild im Flur, dessen
fein-ausgearbeitete Holz-Ornamentik ihm
höchste Bewunderung abverlangt. „Bis
man so etwas erreicht, muss ein Leben
vergehen“, staunt der Professor, der die
Familientradition nun weiterführt.

Infos:
Tel. 0 33 79/5 73 54
www.yoyokern.de

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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