|
|
Fast wäre Blankenfeldes Geschichts-Forscher und Orts-Chronist selbst der Geschichte zum Opfer gefallen. Um ein Haar nur verpasste er 1945 die Passage auf der Wilhelm Gustloff!
Das NS-Kreuzfahrtschiff sollte in den letzten Kriegstagen Flüchtlinge aus Ostpreußen ins westliche Deutschland evakuieren.
Als wir uns nach Gdingen durchgeschlagen hatten, war auf dem Schiff kein Platz mehr, erinnert sich Dr. Horst Thiele. Was damals eine herbe Enttäuschung für den jungen zum Arbeitsdienst bei Königsberg abkommandierten Quedlinburger war, stellte sich wenig später als lebensrettendes Glück dar. Ein russisches U-Boot versenkte das weltweit erste reine Kreuzfahrtschiff am 30. Januar 1945. Über 9000 Menschen ertranken dabei, die weltweit größte Schiffskatastrophe spielte sich damals in der eisigen Ostsee ab.
2002 nahm sich Nobelpreisträger Günter Grass in seiner Novelle Im Krebsgang des Themas an.
Dr. Thiele landete nach dem Krieg in Berlin und kam schließlich aus Gründen der Liebe nach Blankenfelde. Dort sorgte er nach der Wende mit dem Kulturverein für die Wiederbelebung des alten Schulhauses zum neuen Treffpunkt Alte Aula. Im letzten Jahr zog er sich vom Vorsitz des Vereins zurück, um sich ganz der Blankenfelder Historie zu widmen. Nach nur einem Jahr liegen jetzt Ergebnisse vor. Es interessierte uns nun besonders die Zeit von 1942 bis in die Nachkriegsjahre, so der 76-jährige ehemalige Pädagogik-Dozent.
Nun ist die Kriegszeit weitgehend erfasst. Rainer Pannier spürte den Bomben auf Blankenfelde nach und kann nun ziemlich exakt bezeichnen, wo und wann die Alliierten ihre tödliche Last abgeworfen haben. Nur die Gründe liegen weiterhin im Dunkeln: Blankenfelde hatte abgesehen von einer kleinen Pharma-Herstellung niemals eine Industrie. Der Ort entwickelte sich ja als reiner Wohnvorort von Berlin, so Dr. Thiele. Wahrscheinlich war es einfach so, dass die Bomber ihre nach den eigentlichen Angriffen übriggebliebene Last über Blankenfelde entsorgten, um sie nicht wieder zurückbringen zu müssen. Da Blankenfelde keine Industrie hatte, war die Recherche nach eventuellen Zwangsarbeitern schnell erledigt. Einige Ukrainer arbeiteten bei den Bauern auf den Feldern und wurden wohl halbwegs gut behandelt.
Die Ergebnisse der Forschungen sollen im Frühjahr 2005 in dem nächsten Heft der Schriftenreihe des Kulturvereins nachzulesen sein.
So erfreulich die mühevoll zusammengetragenen Ergebnisse der Forschung sind, so sehr bringen sie den Kulturverein andererseits in Bedrängnis. Denn das Archiv platzt aus allen Nähten, das Material wird aber immer mehr. Wir brauchen unbedingt einen größeren Raum. Dann müsste man die Dokumente und Fotos systematisch aufarbeiten. Wir hoffen, dass sich ein paar jüngere Blankenfelder melden. Denn alles können die Rentner auch nicht tun, appelliert Ex-Pädagoge Dr. Thiele an geschichtsbewusste Schüler und Jugendliche.
Ursprünglich ging es Dr. Thiele ja darum, eine Chronik für den Ort zu erstellen. Mittlerweile hat er dabei soviele einzelne Chroniken von Pfarrern, Schullehrern und Privatleuten ausgegraben, dass es nun gilt, die Fülle der Informationen zusammenzufassen, neu zu ordnen und durch Forschungen über die DDR-Zeit zu ergänzen. Das schaffen wir mit unserem Kreis von etwa einem Dutzend Aktiver nicht, so der Hilferuf des Blankenfelder Ortschronisten.
Infos Tel. 03379/372443
|
|
|
|
|