Brücke zwischen Ost und West auf EU-Kosten

Ein Museum, das verbindet

Erkner als Brücke zwischen Ost und West? Klammheimlich ist die kleine Stadt zwischen Wäldern und Seen abseits der früheren Industriegeschichte dabei, sich zu einer Drehscheibe zu entwickeln, die attraktive Urlaubsparadiese verbindet.
„Früher hatten die Berliner zwei traditionelle Urlaubsgebiete: Das Riesengebirge zum Skifahren und Wandern sowie die Ostsee für die Sommerfrische. Von Erkner aus sind es zu beiden Zielen ziemlich genau 300 Kilometer, wir liegen also exakt in der Mitte!“ Das hat Dr. Jacek Barski errechnet. Dabei ist der 47-Jährige gar kein Tourismus-Manager, sondern Kunstwissenschaftler und Ausstellungs-Macher! Als solchen hat ihn der frisch ins Leben gerufene Museumsverbund mit Sitz im Gerhart Hauptmann Museum in Erkner als Geschäftsführer an die Spitze berufen. Was aber hat ein Museumsmann nun mit den Touristenströmen zu tun?
„Wir begreifen Gerhart Hauptmann als europäischen Dichter. Durch ihn sollen Nachbarn, in diesem Fall Deutsche und Polen, sich näher kommen. Deshalb entwickelt der Museumsverbund unter anderem ein Tourismuskonzept. Die Menschen sollen die Hauptmann-Wirkungsstätten in Polen und Deutschland erkunden und dadurch zusammenkommen. Damit möchte ich erreichen, dass auf beiden Seiten Vorurteile abgebaut werden!“
Diese Grundidee, die auf eine Initiative von Dr. Wolfgang de Bruyn, dem Kulturamts-Leiters beim Landkreis Oder-Spree zurückgeht, überzeugte sogar die Europäische Union. Sie trägt nun 75 Prozent der Kosten. Den Rest teilen sich der Bund, die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen mit der Stadt Erkner. Die hat mit dem Museumsverbund in jedem Fall einen echten Coup gelandet. „Unser Gerhart Hauptmann Museum war bisher die besucherschwächste unter den insgesamt vier Gedenkstätten“, gibt Claudia Warmuth, die Kulturverantwortliche bei der Stadt Erkner, unumwunden zu.
Das könnte nun anders werden. „Kloster auf Hiddensee ist der einzige Standort, wo die Wirkungsstätte original erhalten ist. Agnetendorf, das heute Jagniatkow heißt und Schreiberhau, das polnische Szklarska Poreba, waren Stätten, an denen Hauptmann lange lebte. Aber Erkner ist der Ort, wo das Leben des Nobelpreisträgers chronologisch aufbereitet ist“, unterstreicht Dr. Jacek Barski, dass die Stadt vor den Toren Berlins zukünftig eine noch stärkere Rolle spielen wird. Ein erster Schritt ist schon gemacht: So wird 2006 eine „Internationale Hauptmann Konferenz“ hochkarätige Fachleute nach Erkner einladen.
Museums-Leiter Stefan Rohlfs kann sich über die wachsende Bedeutung von Erkner, wo Hauptmann vier Jahre seines Lebens verbrachte, nur freuen. Schließlich bekommt er so endlich eine zeitgemäße Ausstellung und kann den „Mief der DDR“ abstreifen. Moderne Vitrinen, eine zeitgemäße Beleuchtung und erklärende Grafiken sollen bald das Bild bestimmen.
Mit Dr. Barski hat der Museumsverbund eine Idealbesetzung gefunden. Der in Wroclaw, dem früheren Breslau, geborene Kunstwissenschaftler setzte sein in der traditionsreichen schlesischen Universitätsstadt begonnenes Studium in Münster fort und schloss es dort mit der Promotion ab. Er sammelte Erfahrungen als Ausstellungsmacher für „Die Künstlergilde“ im baden-württembergischen Esslingen, war maßgeblich daran beteiligt, als der mittlerweile renommierte Lovis Corinth Preis ins Leben gerufen wurde. „In Esslingen stieß ich auch auf Gerhart Hauptmann“, erinnert er sich zurück. Später beriet er den Sparkassenverlag — mit Geld umgehen, dürfte er also gelernt haben! Schließlich sind gerade heute sparsame Manager gefragt.
Nach Auslandserfahrung in New York und einer Tätigkeit in der Doktorantenbetreuung an der Viadrina in Frankfurt kam er nun nach Erkner. Dass es ihm ein Herzensanliegen ist, Deutsche und Polen zusammenzubringen, darf man ihm also glauben. Ebenso, dass er dabei immer noch ein wenig mehr Weitblick beweisen kann. Stammt seine Frau Lena Barski doch aus Kiew und kann als Musikwissenschaftlerin sicher den einen oder anderen Impuls geben – ist das Gerhart Hauptmann Museum in Erkner doch gerade für seine Veranstaltungen und Konzerte bekannt. Die sollen nun im Bekanntheitsgrad ebenfalls aufsteigen – dafür wird ein gemeinsamer Veranstaltungsplan aller vier Hauptmann-Stätten ebenso sorgen wie die gemeinsame Internetseite.
Übrigens kann Dr. Jacek Barski nun nachvollziehen, warum Gerhart Hauptmann sich wegen der guten Luft für vier Jahre in Erkner niedergelassen hat! Der Neu-Friedrichshainer und frisch-gebackene Vater würde es ihm gerne gleichtun. Schließlich wäre das für den im Juni 2005 geborenen Philipp doch eine ideale Gegend für eine schöne Kindheit.
Im Unterschied zum Dichter, dessen sozialkritische Ansätze Dr. Barski heute „aktueller denn je findet“, würde er mit seiner jungen Familie gerne länger als vier Jahre bleiben. Sofern das bisher nur bis Ende 2006 gesicherte Projekt weiterhin den „Segen“ des Hauptfinanciers EU bekommt. „Bisher haben wir dafür nur positive Signale bekommen“, ist Dr. Barski für sich und Erkner optimistisch.

Infos Tel. 0 33 62/29 95 90
Veranstaltungen

Dr. Jacek Barski möchte Polen und Deutschland zusammenbringen – das Stehpult aus Agnetendorf fühlt sich jedenfalls in Erkner pudelwohl.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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