Erkneraner mischen Seifenkisten-Reglement auf

Opa und Enkel in heissen Seifenkisten

Während andere über die Folgen der Alterspyramide diskutieren, hat man in Erkner schon die Lösung gefunden. Dort hat man sich ganz einfach entschlossen, ein bisher für die Kleinen vorbehaltenes Vergnügen für alle zu öffnen. In ganz Deutschland sind Seifenkisten-Rennen Fans von acht bis maximal 16 Jahren vorbehalten. „Bei uns kann man zwischen fünf und 99 Jahren mit dabei sein“, nennt Klaus Volkmer die neuen Regeln.

Opa in heißer Kiste
Wie bitter nötig die Öffnungsklausel für den motorlosen Rennsport war, sieht man am besten an den erfolgsverwöhnten Piloten der Familie Volkmer selbst: Denn Vereinschef Klaus Volkmer hätte sonst mit seinen 71 Jahren keinerlei Chance auf Preise gehabt. Enkel Louis Toda dagegen wäre mit gerade mal sieben Jahren eindeutig zu jung gewesen. Nun sind beide „alte Hasen“ im Team des erst ein Jahr alten Vereins! „Seifenkisten sind selbstgebaute Gefährte ohne Motor. Bei uns haben die aber eine richtige Bremse und können im Gegensatz zu den ‚offiziellen‘ Gefährten richtig lenken. Während die traditionellen Seifenkisten nur geradeaus fahren, geht es bei uns um Kurven“, berichtet Volkmer weiter vom dynamischen Erkneraner Reglement. Da als Übungs- und Rennstrecke die alte Autobahnausfahrt in Jägerbude dient, ist die Kurvenfahrt notgedrungen ein fester Bestandteil im Rennbetrieb.

Frauen im Rennfieber
Die Aufhebung der Altersbegrenzung sorgte dafür, dass nun auch ganz andere Kurven rund um die heißen Kisten zu bewundern sind: „In der Gruppe der 40-Jährigen haben wir zunehmend Frauen“, schmunzelt Klaus Volkmer. Mit seinen „1,53 Meter inklusive Strohhut und Glatze“, passt der Rentner bestens in seine maßgeschneiderten Gefährte. Sportlicher Ehrgeiz bringt ihn dazu, immer neue noch schnellere „Boliden“ aus der Taufe zu heben. „Momentan staube ich zwar bei den Rennen in den Rauener Bergen, in Neuenhagen und Erkner immer den Alterspokal ab. Doch wer weiß, vielleicht schummelt sich mal ein 72-Jähriger dazu, und dann will ich auf jeden Fall der schnellere sein!“

Parteitage und Mai-Aufmärsche
Dass ihm das gelingt, darf man getrost glauben, denn der Erkneraner ist ein passionierter Bastler. Dabei kommt ihm zugute, dass er ursprünglich das väterliche Elektrohandwerk gelernt hatte. Dann gelang ihm der Einstieg in die DDR-Werbeagentur DEWAG, die unter anderem für die fotografische Ausgestaltung der SED-Parteitage, der Mai-Veranstaltungen, für Großformat-Bilder an Hauswänden oder für die Messestände der DDR-Industrie tätig war. Trotz steiler Karriere mit Dienst-Wartburg und Reise-Kader-Privileg hängte er als Technischer Leiter die bisherige Tätigkeit an den Nagel – um Altwaren-Händler zu werden! „Wir verwerteten die Holz-Abfälle der Möbelindustrie. Mit einer Ladenfläche von nur 25 Quadratmeter erreichten wir einen Jahresumsatz von 600 000 DDR-Mark“, erinnert sich Volkmer zurück.

Vom Eisschlitten zum Rennboot
Dem Werkstoff Holz scheint seine große Liebe zu gelten. Nach ersten Versuchen mit einem maroden Paddelboot, dass er als Jugendlicher aufmöbelte, hatte er später den Traum von einem Flugboot. „Das Problem war, dafür eine Luftschraube zu bekommen!“ Unter wachsamen Augen der Stasi organisierte er sich aus den Resten der DDR-Luftfahrttechnik an der Uni Dresden einen Holzpropeller. „Das Boot sollte auf Metallschwimmern gleiten. Allerdings kam es nie dazu, weil mir nur löchrige Exemplare angeliefert wurden. Also entschieden wir uns, das ganze in einen Schlitten umzufunktionieren.“ Dem aufsehenerregenden Eisschlitten mit Propellerantrieb folgte ein über sieben Meter langes Kajütboot. Da war die Idee mit den ebenfalls holzbasierten Seifenkisten eine konsequente Weiterentwicklung.

Verboten schnell
Nur einmal wurde sich Volkmer selbst untreu: Als er ein Rennboot auf Stryropor-Basis baute. Das ist zwar schön leicht, aber verboten schnell: „Wenn die Wasserschutzpolizei im Dämeritzsee steht, kann ich sicher sein, dass die mich auf den Kicker nehmen.“ Kein Wunder, dass die Familie ein Faible für die Ostsee hat – wenn nicht gerade Seifenkisten-Saison ist. Im Verein sind übrigens alle willkommen, die Interesse an Eigenbau-Fahrzeugen ohne Motor und Sinn für Spaß haben. „Neuankömmlingen helfen wir gerne mit Bauplänen und durch tatkräftige Unterstützung“, schmunzelt Multi-Talent Klaus Volkmer.

Infos Tel. 03362/24715

Wie der Opa so der Enkel: Auf der Rennbahn würde keiner denken, dass Seifenkisten-Fans Louis Toda und Klaus Volkmer im richtigen Leben 64 Jahre trennen!

Nur einmal wurde sich HolzFachmann Klaus Volkmer untreu: Sein Rennboot Marke Eigenbau ist aus Styropor und verboten schnell. Das sorgte dafür, dass der Erkneraner ständig im Visier der eifrigen Wasserschutz-Polizei auf dem Dämeritzsee ist. Die Konsequenz: „Flucht“ auf die Ostsee!

Klaus Volkmer weiß, wie man aus wenigen Teilen heiße Seifenkisten baut.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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