50 Jahre Trabi

Krümelkäse zum Fahren

Jahrzehntelang sorgte er mit seinem süßlichen Auspuff-Duft für unangenehme Luft. Als es ihn schließlich mit richtigem Viertakt-Motor gab, wollte ihn keiner mehr haben. Das Traumfahrzeug vieler DDR-Bürger, der Trabi, auf den man teilweise bis zu 15 Jahre warten musste, wurde 1990 zu einem ersten Wende-Opfer.
Heute hat das Gefährt als ein Symbol der DDR-Mangelwirtschaft Kultcharakter. Dabei hatte der vom Ministerrat befohlene „Kleinwagen mit zwei Haupt- und zwei Nebensitzen“ durchaus seine Vorzüge: Während die flotten West-Autos damals binnen weniger Jahre dahingerostet waren, versah der Trabi über Jahrzehnte brav seinen Dienst. Denn seine Karosserie war aus unverwüstlichem Kunststoff „made in Erkner“.
Erkner konnte sich mit seiner Erfahrung und dem geballtem Fachwissen vor gut 50 Jahren gegen die mächtige Konkurrenz aus dem Chemiedreieck von Bitterfeld durchsetzen. Zugute kam den Fachleuten die lange Erfahrung mit Bakelit.
„Das Auto sollte eine Kunststoff-Karosserie haben, weil Stahl in der DDR Mangelware war. Die Rüttgers-Werke in Erkner sind ja die Wiege des Kunststoffs und konnten ihre lange Erfahrung in die Waagschale werfen. Das Problem mit Karosserien aus diesem Werkstoff weltweit war, dass sie den Erschütterungen, wie sie in einem Auto bei den damaligen noch sehr schlechten Straßenverhältnissen auftraten, nicht standhalten konnten. Risse waren die Folge“, berichtet Professor Gerhard Koßmehl vom „Freundeskreis Chemie-Museum.“
Der Chemie-Professor ist selbst Autofan und fuhr eigens in die Trabi-Wiege nach Zwickau, um sich im dortigen Werksmuseum vom langjährigen Sachsenring-Produktionsleiter Dr. Reichelt in die Geheimnisse des DDR-Volkswagens einweihen zu lassen.
Aus Erkner gab es den Trabi übrigens dosenweise. Lediglich knapp 18 Kilogramm des speziellen Phenoplast waren nötig, um einen Trabi wetterdicht zu machen.
Das Material setzte sich aus dem Steinkohlederivat Phenol, aus Formaldehyd und einem zehnprozentigen Anilinanteil zusammen. „Es fühlte sich wie Krümelkäse an und wurde mit Baumwollfließ verarbeitet,“ so Koßmehl.
Wie genau aus dem Krümelkäse aus Erkner ein fahrbarer Untersatz wurde, zeigt die interessante Ausstellung in der neueröffneten Museumsscheune des Heimatmuseums.

Infos: Tel. 0 30/7 72 85 93
www.chemieforum-erkner.de

Kathrin Braune und Professor Gerhard Koßmehl finden die Trabi-Karosse so richtig schnuckelig. Stammt das Ursprungsmaterial doch aus Erkner.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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