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Lehrling wurde Kulturhaus-Chefin
Stand Juni 2013
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Als Kind spielte sie Violine, nun spielt
sie im Kulturhaus als neue Chefin die
erste Geige.  
Dabei hatte die 33-jährige Juliane Wutta
ursprünglich ganz andere Pläne. Aus
Interesse an den Medien studierte die
Falkenseerin Linguistik und
Nordamerikanistik an der Freien
Universität in Berlin. Dann arbeitete sie bei
zwei Bildungsträgern, bevor es sie ins
Rathaus Falkensee zog. Sie bewarb sich
um einen der seltenen Ausbildungsplätze
als „Verwaltungsfachangestellte“. Gerade
erst Lehrling im Hause von Bürgermeister
Heiko Müller geworden, stieß sie auf eine
Ausschreibung, die sie sofort faszinierte.  

Vom Lehrling zum Chef
Die Stadt suchte eine neue Leitung für das
traditionsreiche „Kulturhaus Johannes R.
Becher“. Es verweist im Namen auf den
vielschichtigen Dichter, Schöpfer der
DDR-Nationalhymne, SED-Politiker und
Kulturminister, der in jungen Jahren mit
seiner Freundin aus dem Leben scheiden
wollte, aber überlebte, während sie starb.
Die Bewerbung der Falkenseerin war
offenbar so überzeugen, dass sich die Stadt
zum ungewöhnlichen Schritt entschied,
eine Auszubildende im ersten Lehrjahr auf
den Chefsessel eines der letzten
verbliebenen Kulturhäuser der Region zu
hieven. Und das, obwohl Juliane Wutta
keine Erfahrungen im Kulturbereich hatte!

Feuertaufe mit Senioren-Party  
Verständlich, dass die junge Falkenseerin
ganz schön aufgeregt war, als sie ihren
Dienst im Sommer 2012 antrat und gleich
als erstes das „Sommerfest der Senioren“
zu bewältigen hatte. „Das ist mit die größte
Veranstaltung, die wir haben. Damals
kamen 130 Personen“, erinnert sie sich
zurück. Trotz allem Lampenfieber lobte
jeder, dass das Fest ein voller Erfolg war.
Nach dieser bestandenen Feuertaufe konnte
sie sich nun daran machen, manches in den
„Räumen mit dem DDR-Charme“, an die
sie sich selbst noch gut durch „Besuche als
Kind zusammen mit der Oma“ erinnert, zu
entstauben.
Frischer Wind  
„Wir haben angefangen, die Gardinen zu
wechseln. Die Ausstattung soll etwas
modernisiert werden und die Räume
frische Farben bekommen“, nennt sie ein
paar der Ideen. An der bisherigen
Konzeption, dass das Kulturhaus mit dem
attraktiven Saal für 60 Personen Treffpunkt
für Vereine und Zirkel ist, möchte sie
festhalten. Dazu kommen regelmäßige
Veranstaltungen wie das monatliche
Sonntagskonzert, zwei Hofkonzerte im
Juni und im August, ein- bis zweimal im
Jahr Kabarett und die Aufführungen des
„Kleinen Theaters“, das ja fester
Bestandteil des Hauses ist. „Einen großen
Anteil an den gelungenen Veranstaltungen
hat der Förderverein mit Dagmar Kirschke
an der Spitze“, macht Juliane Wutta auf
das ehrenamtliche Engagement
aufmerksam.

Auf dem Weg zur Klassik    
Sie hofft, dass die Veranstaltungen für die
Besucher ebenso interessante Erfahrungen
bieten wie für sie selbst: „Durch meine
Arbeit im Haus komme ich immer wieder
mit klassischer Musik in Berührung. Damit
hatte ich bisher weniger zu tun. Das finde
ich sehr spannend.“ Denn im Eigenheim in
Falkensee hören sie und ihre Partnerin eher
Rock-Gruppen wie „Die Ärzte“, den
Berliner Künstler Funny van Dannen oder
die kalifornischen „Red Hot Chili
Peppers“. Doch nun erweitert sich das
Spektrum: „Insbesondere durch die
Konzerte von Hans-Joachim Scheitzbach
wachse ich in den Klassik-Bereich hinein.“

Schillerndes Erbe  
Das Gebäude war ursprünglich das
Wohnhaus von Erna Jähnke-Offeney, die
eine der schillerndsten Künstlerinnen in
der Kulturszene der Weimarer Republik
war, dann bei den Nazis für Stimmung
unter den Soldaten an der Front sorgte.
1946 wechselte sie selbst die Fronten und
gehörte zu den Mitbegründern des
Kulturbunds auf regionaler Ebene. Chef
war Johannes R. Becher, der aus Moskau
nach Deutschland zum „Wiederaufbau“
geschickt worden war. So passte es, dass
das Kulturhaus in Falkensee dessen Namen
erhielt. Nach 1945 gründete Erna Offeney
ein Gastspielunternehmen, das unter
anderem mit der Revue „Leben, Liebe,
Lummtata“ in Falkensee und Umgebung
auftrat. 1948 entwickelte sich unter ihrer
Leitung aus diesem Gastspielunternehmen
das „Neue Theater Falkensee“, das bis
1950 bestand. Sie war als Tänzerin,
Schauspielerin, Sängerin, Schnell- und
Kunstmalerin aktiv. Als sie 1977 mit gut
80 Jahren kinderlos verstarb, vermachte sie
ihren Nachlass dem Kulturbund. Die
Liegenschaft ging an die Stadt Falkensee.
Ein Wohnhaus als Kulturhaus, diesem
Umstand verdankt Falkensee nun die sehr
intime Atmosphäre.
Omas und Enkel  
Erstaunlich, dass es dennoch zu bewältigen
ist, dass hier monatlich an die 500
Besucher kommen. Juliane Wutta geht es
nun darum, den generationsübergreifenden
Charakter zu verstärken. So hat die
ehemalige Absolventin des Lise-Meitner-
Gymnasiums einen „Generationenplausch“
mit Jugendlichen ihrer früheren Schule ins
Leben gerufen. Bastelkurse sollen verstärkt
werden, denn „das macht der Oma und den
Enkeln Spaß“. Es gibt ganz neu eine
Schreibwerkstatt unter Leitung der
früheren ND-Journalistin Christa Gross-
Pehlivan.

Chefin auf der Schulbank  
Aufgrund ihres Studiums freut sich Juliane
Wutta ganz besonders über den „Englisch-
Plausch“, wo sie ihre Sprachkenntnisse
einbringen kann, selbst wenn die
Landeserfahrung ein wenig fehlt. „Leider
habe ich es noch nicht geschafft, mein
Studium durch einen Besuch der USA zu
ergänzen“, bedauert sie. Dazu wird sie nun
wohl noch weniger Zeit haben, denn neben
dem ausfüllenden Kalender, den das
Kulturhaus mit Öffnungszeiten die ganze
Woche von früh bis spät ausfüllt, möchte
sie wieder die Schulbank drücken und in
einem berufsbegleitenden Lehrgang die
angefangene Lehre als
Verwaltungsfachkraft zum Abschluss
bringen. Bei soviel Energie ist es
nachvollziehbar, dass die Stadt die quirlige
Juliane Wutta auf den vakanten Chefsessel
am Havelländer Weg hievte!

Infos:
Kulturhaus Johannes R. Becher
Havelländer Weg 67
14612 Falkensee
Tel. 03322/3287
E-Mail:
kulturhaus@falkensee.de 
Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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