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Das Leben von Kurt Magritz zwischen Kunst und Kritik

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Kunsthistorik
Kurt Magritz
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Künstler mit Doppelleben?

Stand: Juni 2017

Wollte er nur die Schönheit der Frauen vor Augen führen und wurde zum Opfer des Terrors seiner Zeit? Ist er dabei zum „Scharfmacher“ geworden, der seine Zeitgenossen gegen „unliebsame“ Tendenzen in der Kunst im Auftrag der Partei aufhetzte? Wie war der Weg von der vorhersehenden politischen Kunst gegen die Nazis bis zu den vom Jugendstil beeinflussten Werken der späten Jahre?

Um Kurt Magritz ranken sich viele Gerüchte. Soviel ist klar: Er wurde am 13. November 1909 in Johanngeorgenstadt im sächsischen Erzgebirge als Sohn des Zollinspektors Rudolf Magritz geboren. 1992 verstarb er in Berlin, wo er neben dem Haus ganz am Rande von Falkensee zusammen mit seiner zweiten Frau Irina Magritz eine Wohnung unterhielt. Doch was passierte dazwischen?

Bau statt Kunst
Darüber kann am besten die Kunsthistorikerin Dr. Maria Rüger Auskunft geben. Sie führt das Haus ihres Vaters in Falkensee zusammen mit Ehemann Adolf Rüger weiter und verwaltet den Nachlass. Sie ist die Tochter aus der Ehe mit der jüdisch-stämmigen Schauspielerin Johanna Leonore Korb-Deutsch, die Kurt Magritz in Dresden kennengelernt hatte. Dort studierte er von 1928 bis 1935 Architektur. Dabei entstand eine enge Freundschaft mit dem Künstlerehepaar Lea Grundig und Hans Grundig, die später zu einer Feindschaft führte. „Damals war Architektur eng mit Kunst verknüpft. Das Studium dauerte deshalb relativ lang. Mein Vater legte den Schwerpunkt zunehmend stärker auf diesen Bereich“, berichtete die heute 81-jährige Tochter. „Er sah früh, welche Gefahren im Nationalsozialismus lagen und wollte seine Mitmenschen dagegen mit politischer Kunst aufrütteln.“ Ein Versuch, aus Deutschland zu fliehen, misslang. Magritz schlug sich als Mitarbeiter bei dem Dresdner Bauunternehmen Bruno Kost als Statiker und Konstrukteur durch. „Er war über die Umstände entsetzt, unter denen Fremdarbeiter auf den Baustellen eingesetzt waren. Sie mussten mit nackten Füßen im ätzenden Beton stehen. Als er darauf bestand, dass sie zumindest Gummistiefel bekommen, durfte er nicht mehr auf die Baustellen und wurde nur noch im Büro eingesetzt“, so Dr. Maria Rüger.

Worte statt Bilder
Künstlerisch arbeiten konnte Magritz zu dieser Zeit nur im Geheimen. An Ausstellungen war für den damals expressionistischen Maler und Grafiker, in dessen Werken stark Einflüsse aus dem Alten Testament ablesbar waren, natürlich nicht zu denken. Nach dem Krieg wandte sich Kurt Magritz antifaschistischen Kreisen zu und trat 1945 in die KPD ein. „Er wurde in der Landesverwaltung von Sachsen Referent für Buchhandel. Seine Aufgabe war, NS-Literatur zu entfernen“, so seine Tochter weiter. Kurz darauf wurde er 1946 erst Dozent und dann Professor an der „Akademie für Graphik und Buchkunst“ in Leipzig. „Die sowjetische Militäradministration wollte ebenso wie die anderen drei Siegermächte eine von ihnen kontrollierte Presse schaffen. Mein Vater wurde als Redakteur in die ‚Illustrierte Rundschau‘ berufen, die der ‚Täglichen Rundschau’ angegliedert war. Die ‚Illustrierte Rundschau‘, die als Beilage entstanden war, sollte zu einer großen Illustrierten entwickelt werden. Es war ihm klar, dass er als Redakteur zu schreiben hatte, was gewollt und angeordnet war. Diese Blätter wurden 1954 beziehungsweise 1955 eingestellt. Er bekam schon 1952 den Auftrag von der Deutschen Bauakademie, die Konzeption für die Zeitschrift ‚Deutsche Architektur‘ zu erstellen, die er als Chefredakteur zehn Jahre leitete.“

Wiedergutmachung?
Die Vorwürfe gegen Kurt Magritz richten sich an ihn als Autor der „Täglichen Rundschau“. Dort löste am 21. Januar 1951 ein unter dem Pseudonym „N. Orlow“ veröffentlichter Artikel mit Polemik gegen moderne Kunst die „Formalismusdebatte“ aus. 1948 hatte die SED noch die Freiheit der Kunst versprochen. Stand Kurt Magritz hinter diesem Pamphlet? Mittlerweile stützen Forschungen die Annahme, dass sich dahinter eine Gruppe um Wladimir Semjonowitsch Semjonow , der damals Hoher Kommissar der Sowjetunion in der DDR war, verbarg. Später fungierte er als stellvertretender Außenminister und von 1978 bis 1986 als Botschafter seines Landes in Bonn. Bezeichnenderweise war Semjonow Kunstsammler mit Vorliebe für die verfemte „formalistische“ moderne Kunst. „Mein Vater sagte immer, dass es wohl kaum vorstellbar ist, dass er als unbedeutender Redakteur eine Umkehr der Kulturpolitik bewirken könnte“, hält Dr. Maria Rüger den Verdächtigungen entgegen. Sie ließ die Anschuldigung, ihr Vater hätte gegen Ernst Barlach und Käthe Kollwitz gehetzt, nicht los: „Ich habe über Barlach meine Dissertation geschrieben, sozusagen als Wiedergutmachung. Ich habe die ganzen Protokolle über das ‚5. Plenum des ZK der SED’ studiert, wo mein Vater aufgetreten sein soll. Darüber fand sich nichts, er stand nicht mal auf der Teilnehmerliste.“ War die vergiftete Beziehung zu Lea Grundig ein Grund für falsche Anschuldigungen?

Frühe Opposition?
Stattdessen soll Magritz in Opposition zum angepriesenen „Sozialistischen Realismus“ gestanden haben: „Die Bilder, die ich so versuchte, entsprachen in keiner Weise meinen eigenen Qualitätsmaßstäben“, zitiert ihn seine Tochter. Jedenfalls scheint er darunter gelitten zu haben, dass ihm zweimal die Aufnahme in den ‚Verband Bildender Künstler der DDR‘ verweigert wurde. Sie erfolgte erst 1978. Es war ein Glück, dass Kurt Magritz endlich über den Umweg über Leningrad zu Ehren kam. „Er brachte zu einem privaten Besuch bei einem Freund 1965 einen Koffer voller Grafiken mit. Daraufhin kam es zu einer Ausstellung in privater Initiative im ‚Haus des Friedens‘ der Eremitage. Von dort aus brachte Professor Leonid Stolovich diese Ausstellung nach Tartu in Estland. Diese war damals als ‚verbotene Stadt‘ streng abgeschirmt, es war ein Wunder, dass er es mit viel Mut schaffte.“

Späte Anerkennung
Erst danach kam es zu Ausstellungen seiner Bilder in Deutschland. Den Anfang machte Wolf Kaiser, der bis 1967 am Berliner Ensemble spielte und für seine Darstellung des Mackie Messer in der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht legendär war. 1967 hatte Magritz das Glück, Jahre nach der Entstehung der Werke in dieser Stadt für kurze Zeit im Dresdner Albertinum gezeigt zu werden. Damals hatte er allerdings den Schicksalsschlag zu verkraften, dass 1966 seine Ehefrau gestorben war. „Durch den politischen Druck waren ihre Nerven zerrüttet. Sie hatte die Probleme in der Entwicklung der DDR schon früh erkannt und war 1951 aus der SED ausgetreten“, so Tochter Dr. Maria Rüger, die sich fortan um den Vater kümmerte.

Zuhause in Falkensee
„Er sollte aus der Wohnung am Strausberger Platz hinausgedrängt werden. Deshalb suchten wir eine Alternative und fanden sie in Finkenkrug in einem Gartenhäuschen, das wir mit der Zeit ausbauten“, berichtet sie. Tief enttäuscht über die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, so die Tochter, konzentrierte sich Kurt Magritz seit 1970 am neuen Ort in Falkensee vor allem auf seine Kunst. Nach der Ehe mit der jungen Russin Irina Steffen, die er in Leningrad kennengelernt hat, kam es, so die Tochter, zur Katastrophe, die ihm allen Lebensmut nahm: 1981 kam Sohn Ivo Magritz mit 13 Jahren im Kiesteich von Brieselang, dem heutigen Nymphensee, ums Leben. Danach hat Kurt Magritz kaum mehr gearbeitet. „Er pendelte zwischen der Wohnung in Berlin und Falkensee, weil Irina hier nicht leben wollte.“ Dr. Maria Rüger beziffert das Lebenswerk ihres Vaters auf etwa 400 Bilder. Wichtige Arbeiten sind in der weltberühmten Eremitage, in Dresden, im Museum Junge Kunst in Frankfurt/Oder, im Museum der Bildenden Künste Leipzig und im Deutschen Historischen Museum Berlin zu sehen. Gerade soeben ist ein Buch von Eckhart Gillen erschienen, das im Museum Falkensee vorgestellt wurde: „Ein Doppelleben zwischen Pflicht und Neigung“. Was bleiben wird von dem Falkenseer Künstler führt Dr. Maria Rüger gerne vor. Es sind Bilder ohne Pathos, die die Zeit zeitlos in Elegien verarbeiten. Erstaunlich ist, dass Magritz offenbar den Weg zurück ging, vom harten Expressionismus zum verspielten Wiener Jugendstil. Ob hier die neue Liebe durchschlug?

Erstellt: 2017