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Das ist wohl deutschlandweit einmalig: Bürger greifen selbst zu Reißbrett und Zirkel, um den Behörden einen beschlussfähigen Plan für ihren Ort vorzulegen!
Genau dieses hat sich der Bürgerverein Finkenkrug vorgenommen. 160 Mitglieder sind dort organisiert, und die wollen unbedingt den Villencharakter des Orts erhalten. Wir erarbeiten eine Gestaltungssatzung, die den Stadtverordneten zum Beschluss vorgelegt werden soll, berichtet Vereins-Vorsitzender Ludger Ramme. Momentan sitzen die Architekten und Vereinsmitglieder Burkhard Emersleben, Peter Ellmann und Elke Hamann über ihren Zeichenbrettern, um festzuschreiben, was dann in dem Falkenseer Ortsteil Gesetz werden soll. Natürlich sind viele Bausünden bereits entstanden. Wir wollen verhindern, dass es noch mehr werden. Dabei soll preiswertes Bauen keinesfalls verhindert werden. Aber im eigentlichen Kern soll Finkenkrugs charakteristischer Villen-Stil erhalten bleiben, so der Neu-Finkenkruger Ludger Ramme. Natürlich freuen sich die Vereinsmitglieder, dass die Stadt Zug um Zug die Straßen zu sanieren beginnt. Doch dabei wollen sie ebenfalls mitreden. Ihr Wunsch: Nostalgie-Straßenleuchten statt der handelsüblichen Peitschenlampe. Doch wer soll das bezahlen? Der Preisunterschied ist schließlich immens! Wir haben mit einem Hersteller solange verhandelt, bis wir nun unsere Schinkelleuchten für ein Viertel des Preises erhalten. Damit kostet die einzelne Lampe statt regulär 2000 Euro nur noch 600 Euro und ist damit nicht teurer als die Billigvariante, die sonst eingesetzt würde, berichtet der 40-jährige Vereinschef weiter. Ärgerlich findet der Vater von drei Jungs im Alter von zehn, acht und fünf Jahren, dass ein Teil der jugendlichen Finkenkruger manch üblen Schabernack treibt: Graffitis an historischen Hauswänden und anderen Gebäuden, Diebstähle und noch schlimmere Delikte müssten doch nicht sein!, findet er, und drückt damit sicher die Meinung der meisten Bürger aus. Doch Stammtischreden sind nicht Sache des hauptberuflichen Geschäftsführers der Union Leitender Angestellter, also der Gewerkschaft der Bosse. Und so hat der Bürgerverein selbst für dieses Übel ein Rezept parat: Die Stadt hat dankenswerterweise eine alte Villa an der Feuerbachstraße gekauft, um daraus einen Jugendtreff zu machen. Wir bewerben uns nun um die Trägerschaft.
Bekommen wir den Zuschlag, werden wir auf unsere Kosten einen hauptamtlichen Sozialarbeiter einstellen, der sich intensiv um die Jugendlichen kümmert. Zur Finanzierung werden wir eine Bürgerstiftung, wie es sie oft in den USA gibt, ins Leben rufen: Mäzene stellen dafür Geld zur Verfügung, aus dessen Erträgen wir den Sozialarbeiter finanzieren. Dafür müssten so 500000 Euro zusammenkommen, das schaffen wir auch! Einen so aktiven und spendablen Verein kann sich eigentlich nur jeder Bürgermeister wünschen. Denn rechnet man die gesparten Kosten für den Sozialarbeiter, für die aufwändige Erstellung der Gestaltungssatzung und dann vielleicht noch die ersparten Kosten bei der Straßenbeleuchtung zusammen, dann ergibt sich schnell eine gut sechsstellige Euro-Summe. Dass die Aktivisten um Ramme durchaus zu feiern wissen, sieht man übrigens jedes Jahr im Juni: Denn das beliebte Ortsteilfest wird ebenfalls vom Bürgerverein organisiert. Da laufen bei Rammes vorher wochenlang die Drähte heiß nur gut, dass Ehefrau Kirsten Ramme als unbezahlte Vereins-Sekretärin fungiert!
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