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Viele fragen sich, ob die deutsche
„Mutter des Punk“ im Herzen so schrill
ist, wie sie auftritt oder ob alles nur
Show ist, um sich ins Gespräch zu
bringen.

Bernhard Potschka ist sich ziemlich sicher,
dass Nina Hagen „echt“ ist. Denn er hat
zusammen mit Herwig Mitteregger,
Manfred „Manne“ Praeker sowie Reinhold
Heil wesentlich dazu beigetragen, dass die
Tochter der ostdeutschen Schauspielerin
Eva-Maria Hagen nach der Übersiedlung
1976 aus der DDR im Westen zum Star
werden konnte. „Ich hatte Nina bei Klaus
Renft kennengelernt, als wir eine Sängerin
suchten. Daraus entstand dann die
‚Nina Hagen Band‘. Wir wollten die
Gruppe ursprünglich ‚Dr. Pfitzner‘ nennen,
doch die Plattenfirma war dagegen“,
erinnert sich der am Rande von Hohen
Neuendorf wohnende Musiker an diese
Zeit zurück.    

Tückischer Erfolg  

Bereits die erste Platte mit dem Titel „Nina
Hagen Band“ wurde zum Hit. Sie war
monatelang in Deutschland, Österreich, der
Schweiz, in Frankreich und den Benelux-
Ländern in den Charts. Noch erfolgreicher
wurde das zweite und letzte Album, das
den bezeichnenden Namen „Unbehagen“
trug. Damit kam die Gruppe auf Platz zwei
in Deutschland und Platz neun in
Österreich, und das für über ein Vierteljahr.
Doch diese Platte war bereits im Streit
entstanden: „Wir hatten bei CBS
unterschrieben, dass wir die Platte
herausbringen. Da mit Nina keine
Zusammenarbeit mehr möglich war,
spielten man unsere Musik und
ihren Gesang voneinander getrennt im
Studio ein“, erinnert sich der spätere
„Spliff“-Gründer. „So eine erfolgreiche
Platte hatte Nina Hagen ihr ganzes Leben
nicht mehr“, weiß er.

Flugangst

Dabei erinnert sich Potschka noch gut, wie
alles auseinander ging. „Wir waren zu
einer Tour in die Benelux-Länder geladen
worden. Nina weigerte sich in ein Flugzeug
zu steigen, also nahmen wir die Bahn. Nina
stieg mit ein, doch als der Zug losfuhr, war
sie nicht mehr drin.“ Potschka führt das
Zerwürfnis auf ihre übertriebenen Star-
Allüren und ein Problem zurück, das er für
die Punk-Lady für symptomatisch hält:
„Sie hatte immer komische Freunde, die sie
beeinflussten. Sie erschien uns damals
öfters verwirrt.“

Verschenkte Weltkarriere

Zudem hätten sie ihre Mutter Eva-Maria
Hagen und deren zeitweiser
Lebensgefährte, der ausgebürgerte Sänger
Wolf Biermann, aufgehetzt. „Wir waren
eine echte Band, wo der Grundsatz galt,
dass alle Einnahmen zu gleichen Teilen an
alle Mitglieder gehen. Immerhin stammten
die Songs von uns, dafür war Nina die
Frontfrau. Doch Biermann setzte ihr den
Floh ins Ohr, dass sie die Hälfte
bekommen müsse. Das wollten wir nicht,
weniger wegen des Gelds, sondern aus
Prinzip.“ Mit diesem Bruch vergaben sich
beide die Chance auf eine Weltkarriere:
„Frank Zappa hatte uns auf einem Konzert
erlebt und war so begeistert, dass er eine
USA-Tournee für uns organisieren wollte.
Das wäre die Möglichkeit für einen
internationalen Durchbruch gewesen“, so
Bernhard Potschka.

Rockoper mit Spliff

Nach der nur gerade mal zwei Jahre
dauernden Zusammenarbeit mit der
Sängerin, die in der DDR mit dem Schlager
„Du hast den Farbfilm vergessen“ vielen
FKK-Urlaubern an der Ostseeküste aus der
vermeintlich sozialistischen Seele
gesprochen hatte, wurde aus der „Nina
Hagen Band“ die Kult-Gruppe „Spliff“.
Damit konnte sich Potschka den Traum
vom Konzeptalbum erfüllen, auf dem über
die ganze Platte eine zusammenhängende
Geschichte erzählt wird. Die Rockoper
„Spliff Radio Show“ hatte 1980 im West
berliner Kant-Kino Premiere und nahm das
Showgeschäft auf den Arm. Hits
wie „Heut Nacht“, „Carbonara“, „Déjà vu“
und „Das Blech“ machten „Spliff“ zum
Inbegriff der „Neuen Deutschen Welle“.
Mit ihrem ersten Album landeten sie 1982
auf Platz eins der LP-Charts.

Fleißigste Band

„Wir haben uns die Erfolge hart erarbeitet.
Unser Ziel war nicht das Geld, wir wollten
uns musikalisch weiterentwickeln. Wir
waren mit Sicherheit die fleißigste Band.
Jeden Tag trafen wir uns von 11 bis 19 Uhr
zum Proben. Wir legten unsere Einnahmen
zusammen und leisteten uns den Luxus,
das beste Studio von  Berlin einzurichten,
um unsere Perfektion auf die Spitze zu
treiben“, gibt Potschka Einblick. Wer sich
an die jungen Musiker mit den leichten
Texten und dem flippigen Auftreten
erinnert, wird sich kaum diesen
Hintergrund vorgestellt haben. Doch der
aus dem fränkischen Würzburg stammende
Bernhard Potschka ist ein ernsthafter
Musiker, der 1973 beseelt von seiner
Vorliebe für klassische Musik nach Berlin
kam, um dort seine Lieblingsinstrumente
Klavier und Cello zu studieren. Rockmusik
hatte er in Würzburg nur nebenbei in einer
Band gespielt. Doch kaum in Berlin
angelangt, engagierte ihn „Lokomotive
Kreuzberg“ als festes Bandmitglied. Die
linke Polit-Rock-Gruppe arbeitete mit
Gewerkschaften zusammen, wurde von den
Medien aber mit einem Auftrittsverbot
belegt.

Alle für einen

Das Ende von „Spliff“ war dem damaligen
Band-Ethos geschuldet. „Wir hatten uns
vorgenommen, dass wir die Gruppe nur in
der Ursprungsbesetzung betreiben“, so
Potschka. Also löste sich „Spliff“ auf, weil
Schlagzeuger Herwig Mitteregger eigene
Wege gehen wollte und eine Solo-Karriere
anstrebte. „Das war der größte Fehler
meines Lebens. Bei vielen Bands hat sich
die Besetzung geändert, die Stones haben
sich unzählige Male umformatiert“, blickt
Potschka zurück.

Verliebt in Ostberlin

Die Affinität zum eingesperrten Osten
erlebte der Musiker nicht nur mit Nina
Hagen. „Ich hatte Verwandte in Thüringen
und fuhr deshalb oft ‚nach drüben‘. Dabei
hatte ich in Ostberlin ein hübsches
Mädchen kennengelernt, wir waren sofort
ineinander verknallt. Ostberlin wurde mir
so zur zweiten Heimat. Dort war
alles anders, im Westen war ich ein Star,
im Osten kannte mich keiner. Das habe ich
genossen.“ Das verliebte Pärchen hatte
Glück. Die DDR gab sich für ihre
Verhältnisse überaus kulant und
genehmigte nach „nur“ einem halben Jahr
den Ausreiseantrag für
Familienzusammenführung. „Die Zeit bis
dahin war hart, denn ich durfte nicht mehr
einreisen, wir konnten uns nicht mehr
sehen.“

Nina Hagen, Spliff und Weltmusik

Stand August 2014

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Einsam in Spanien

Nach dem Ende von „Spliff“ 1985 hatte
Potschka vom Showgeschäft „die Nase
voll“. Er zog samt Familie ans Ende von
Spanien, in eine „total einsam gelegene“
Finca im heißen Andalusien. „Beruflich
hatte ich dort keine Chance, Ausländer
waren nicht gefragt.“ Als Elke Potschka
nach 13 Jahren Ehe genug von Spanien und
der Einsamkeit hatte, saß der ehemalige
„Spliff“-Chef von einem Tag auf den
anderen in der ungewohnten Rolle als
alleinerziehender Vater in seiner Finca.
Verena, heute 30, war damals noch klein,
Pamela, heute 42, ein munterer Teenager.

Flamenco und Weltmusik

Zurück in Berlin erinnerte er sich an seine
klassischen Wurzeln. Vor acht Jahren hat
er sich den Rand von Hohen Neuendorf als
Wahlheimat ausgesucht. Er lebt  nun hier
mit seiner neuen Frau Silvia Potschka, die
Physiotherapeutin und Osteopathin ist.
Statt Rockmusik ist er stolz, von Spaniens
Zigeunern als Flamenco-Größe geschätzt
zu werden. Er arbeitet mit Weltmusikern
zusammen, nähert sich arabischen
Rhythmen an, arbeitet mit Aida El Ayubil
zusammen, die in ihrer früheren Heimat
Ägypten ein Popstar war und erobert Platte
für Platte, die er herausbringt, neue
Klangwelten. Damit knüpft er an die Suche
nach musikalischer Weiterentwicklung an,
die bereits das Markenzeichen von „Spliff“
war.

Oase im Grünen

„Veränderungen müssen sein, sonst wird es
langweilig“ schreibt der heute 62-Jährige
sich allerdings nur musikalisch auf den
Leib. Privat zieht er lieber die Kontinuität
vor und ist deshalb froh, nun eine ruhige
Oase im Grünen gefunden zu haben. Damit
war er sichtlich erfolgreicher als Ex-
Bandkollegin Nina Hagen, die weiterhin
mit ihrer persönlichen Suche nach dem
Glück und gewohnt schrillen Auftritten
von sich reden macht!

Infos:
www.gitarrapura.net 
Tel. 0 33 03/21 25 91

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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