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Ständig schlechte Noten wen würde das nicht ärgern. Doch was dagegen tun? Während andere schwitzen und büffeln, dachte sich Günter Kochan ein ganz anderes Gegenmittel aus. Er schrieb sich einfach seine Noten selbst. Und machte mit diesem „Trick“ Karriere.
Während Kochan also in Mathe und Physik mit üblen Zensuren kämpfte, schrieb er Noten als Komponist. Bereits mit 16 hatte er ein beachtliches Repertoire an eigenen Schöpfungen zusammen. Und die waren gut. So gut, dass er damit auf Anhieb an der Hochschule für Musik in Berlin aufgenommen wurde.
Konzert mit Kochtopf
So klasse, dass ihn der aus dem Exil zurückgekehrte Hanns Eisler, der das Vermächtnis von Arnold Schönberg fortführte und mit den Großen der Welt zusammengearbeitet hatte, sofort unter seine Fittiche nahm. Erste Entdecker der ungewöhnlichen Begabung waren aber Kochans Eltern. Sie wunderten sich, wie rhythmisch ihr Sprößling die Kochtöpfe schlagen konnte. Und tatsächlich sollte das Schlagzeug später eine wichtige Rolle in der Kompositionsarbeit spielen!
Mit sieben bekam er Klavierunterricht, und seine Klavierlehrerin
Elfriede Sommer in Luckau sollte es auch sein, die seine frühe Talentfördererin wurde. Als ausschlaggebend für seine Entwicklung sieht der mehrfache Nationalpreisträger aus Hohen Neuendorf die Jahre in der Meisterklasse von Hanns Eisler an.
Musik für alle
Eisler hatte sich vorgenommen, moderne Musik allgemeinverständlich weiter zu entwickeln. Zu seinem vielseitigen Repertoire gehörte Filmmusik, etwa für Fritz Lang, Joseph Losey oder für „Circus“ von Charlie Chaplin. Er arbeitete mit Bertolt Brecht bis zu dessen Tod 1956 zusammen. Er schuf aber ebenso Kammermusik, Chorwerke und dann wieder Kampflieder, etwa für die Internationalen Brigaden in Spanien. Eisler erkannte die besondere Begabung des jungen Günter Kochan. „Er wollte im Gegensatz zu anderen uns nicht seine Auffassung von Musik aufdrücken, sondern uns in unserer eigenen Entwicklung fördern“, erinnert sich Kochan zurück.
Pianist für Tanzschüler
Da seine Professoren schon damals der Meinung waren, dass man vom Komponieren nicht leben kann, verfeinerte der angehende Künstler seine Fingerfertigkeit im Klavierspielen. „Geld verdiente ich als Pianist in einer Gymnastik-Schule, bei Tanzkursen, indem ich Songs für das Kabarett beim Rias vertonte,“ erinnert sich Professor Kochan. Der damals von den Sowjets kontrollierte Berliner Rundfunk beschäftigte ihn für die Abteilung „Unser Lied, Unser Leben“.
Über Nacht weltberühmt
Den Durchbruch erreichte Kochan noch als Schüler von Hanns Eisler. Sein Konzert für Violine und Orchester machte ihn über Nacht bekannt. Das Werk des erst 21-Jährigen wurde in vielen Ländern aufgeführt. Doch der Erfolg hatte eine Kehrseite: „Von da an wurde ich an dieser Arbeit gemessen. Man erwartete, dass weitere Werke genauso gut, nach Möglichkeit noch besser würden.“
Pleite auf der Leinwand
Im Gegensatz zu Hanns Eisler waren den Ausflügen von Günter Kochan ins Unterhaltungsmetier keine Erfolge beschieden: „Ich hatte für die DEFA Filmmusiken geschrieben schauderhaft. Ich bereue es noch heute, dass ich mich dazu breitschlagen ließ. Aber es waren eben gut bezahlte Angebote. Als junger Komponist möchte man sich auf vielen Gebieten versuchen.“ Unter den längst in der Versenkung verschwundenen Streifen war ein Farbfilm über Goldini und der erste Spielfilm des von der Moskauer Filmhochschule in die DDR zurückgekehrten Konrad Wolf „Einmal ist keinmal“. Der Bruder des langjährigen Chefs der DDR-Auslandsspionage „Mischa“ Wolf hat seine Wurzeln übrigens nicht weit von Hohen Neuendorf. Vater Friedrich Wolf wohnte in Lehnitz, das heute Ortsteil von Oranienburg ist. Er war der erste DDR-Botschafter in Polen.
Lehrer und Schüler in einem
Günter Kochan tanzte auf mehreren Hochzeiten. Einerseits war er bereits ab 1950 Dozent an der Hochschule für Musik, andererseits von 1951 bis 1953 Schüler in der Meisterklasse von Hanns Eisler. 1964, 1979 und 1987 erhielt er den Nationalpreis der DDR, von 1967 bis zur Pensionierung 1991 wirkte er als Professor an der renommierten Hochschule für Musik, die seit 1964 im Beinamen auf Kochans großen Lehrmeister, den 1962 verstorbenen Hanns Eisler verweist.
Erfolg in den USA
Als wichtigste Werke sieht Günter Kochan die 1965 entstandene Kantate „Die Asche von Birkenau“ an, in der er sich mit Auschwitz auseinandersetzte und die „Musik für Orchester 2“ von 1989, zu der ihn Briefe von Rosa Luxemburg inspiriert hatten. Etwas traurig ist der Mann, der jahrzehntelang mit allen wichtigen Dirigenten und Solisten zu tun hatte, dass seine Werke seit der Wende weniger gefragt sind. So wartet sein „2. Streichquartett“, an dem er von 2001 bis 2003 gearbeitet hat, immer noch auf die Uraufführung. Doch das hindert ihn ebensowenig wie Hör- und andere Gesundheitsprobleme am Weiterarbeiten. So hat er seine „6. Symphonie“ gerade vollendet. Mittlerweile hat sich der Bremer Hastedt Musikverlag mit dem Komponisten aus Hohen Neuendorf beschäftigt. Gerade ist die zweite CD am Erscheinen: „Erstaunlicherweise verkauft sich das besonders in den USA sehr gut!“ Ob das wirklich erstaunlich ist? Schließlich war Lehrmeister Hanns Eisler während seiner Exiljahre dort ebenfalls sehr gefragt!
Infos: Tel. 0 33 03/40 30 80
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