Maler, Journalist, Weltenbürger

Heiße Liebe in Hohen Neuendorf

Er pendelte zwischen Afrika und Oberammergau, doch verliebt hat er sich in – Hohen Neuendorf. Und das im doppelten Wortsinne, denn neben den Reizen des Ortes hat es dem verheirateten weltgewandten Maler und Schriftsteller mit Sinn für exotische Erotik ausgerechnet eine Maurergattin aus seiner Wahlheimat angetan.
Diese „skandalöse“ Leidenschaft hat nun über 60 Jahre später einen Sproß der Familie bewogen, sich auf die Spuren von Hermann Scheffler zu begeben. Matthias Salchow fand heraus, dass der Liebhaber seiner Großtante zeitweise sogar beim Reichspräsidenten dafür sorgte, dass Hohen Neuendorf in vieler Munde war. Denn Scheffler hatte den Auftrag, ein offizielles Porträt von Paul von Hindenburg zu malen, von dem dann Kopien in vielen Amtsstuben hingen.

25 000 Mark Mitgift
Bis der lebenshungrige Hohen Neuendorfer zu derartigem Ruhm kam, musste er allerdings einen weiten Weg zurücklegen. Er wurde am 14. Juni 1879 im süddeutschen Bad Kreuznach geboren und erlernte den Beruf des Lehrers. Als er die Chance bekam, ein akademisches Kunststudium „anzuhängen“ zögerte er nicht, die Sicherheit des bisherigen Berufs gegen ein Künstlerleben einzutauschen. Gleich nach dem Studium ließ er sich als „freier Maler“ nieder.
Dass er nunmehr einer brotlosen Kunst frönte, wurde durch die Liebe einer Lehrer-Kollegin stark abgemildert. Die Englisch- und Deutschlehrerin Else Potthoff stammte aus einem begüterten Elternhaus mit mehreren Weinbergen. So konnte das Paar auf die stattliche Aussteuer von 25 000 Reichsmark bauen, als es 1913 heiratete.

Erotik in Kairo
Die Entscheidung, damit erst mal eine ausgedehnte Hochzeitsreise über Italien nach Afrika zu machen, erwies sich als Glücksfall. Denn so konnte Hermann Scheffler den Kriegsbeginn 1914 im fernen und sicheren Kairo verfolgen wo Sprößling Hans Scheffler im gleichen Jahr das Licht der Welt erblickte.
Bei aller Begeisterung für die eigene Frau war Hermann Scheffler offen für die Reize hübscher Orientalinnen. Und offenbar war man in der Region damals weitaus weniger verschlossen als heute. Darauf lassen jedenfalls diverse Bilder von Scheffler schließen. Die meisten Motive allerdings stellen Landschaften und Bauten dar.
1916, wieder zurück in Deutschland, kam Tochter Grete Scheffler zur Welt. Nur vier Jahre später entdeckte die weitgereiste Künstlerfamilie Hohen Neuendorf für sich als Traumheimat für viele Jahre.

Verliebt in Hohen Neuendorf
Scheffler war im quirrligen Berlin der Roaring Twenties ein gefragter Mann. Als Multi-Talent lieferte er bei seinen Reisen interessante Reportagen, die er mit druckfähigen Bildskizzen umrahmte. Da gab es viel Spannendes zu berichten. So wäre das Ehepaar nach einer Autopanne in der Wüste fast verdurstet, hielt sich gerade so mit Kühlwasser aus dem Fahrzeug aufrecht und konnte erst in letzter Minute gerettet werden... Hermann Scheffler war anerkannter Künstler, Mitglied im künstlerischen Beirat der AEG und erhielt sogar den prestigeträchtigen Auftrag, den Reichspräsidenten Hindenburg zu malen.
Dennoch verwand er es offenbar nicht, dass seine Frau Else die mit dem Geld war. „Er war offenbar ständig auf der Suche nach Einnahmequellen und leitete 1926 sogar die Bibliothek in Hohen Neuendorf“, hat Matthias Salchow herausgefunden.

Der Maler und der Maurer
Jedenfalls war der Künstler und Schriftsteller alles andere als abgehoben. Er ging in der Havelbaude ein und aus und ist dort noch heute bei Wirtin Ruth Knoob in guter Erinnerung. Eine langjährige Freundschaft verband ihn mit Salchows Großvater, dem Maurermeister Georg Lorenz.

Verliebt in die Frau des Freundes
Und das, obwohl dem Baumeister nicht verborgen bleiben konnte, dass sein weltgewandter Freund eine ungewöhnlich innige Beziehung zu Ehefrau Grete Lorenz unterhielt. Nur einmal, aber aus ganz anderen Gründen, krachte es vernehmlich zwischen den Freunden. Nämlich damals, als Hermann Scheffler sein Fähnchen nach dem vorherrschenden Wind richtete und in die Nazi-Partei eintrat: „Er wollte wohl verhindern, aus der Akademie geschmissen zu werden und hatte Angst vor einem Berufsverbot. Dabei war er eigentlich ein Linker“, so Matthias Salchow. Jedenfalls war der Maurermeister so empört über die politische Kehrtwendung seines langjährigen Freundes, dass er ihm zeitweise Hausverbot erteilte. Mit nur 65 Jahren verstarb Hermann Scheffler 1944 an den Folgen einer Herzschwäche im Krankenhaus Hennigsdorf. Mit am Sterbebett waren einträchtig Ehefrau Else und seine Geliebte Grete Lorenz samt ihrem Ehemann.

Vergessener Künstler?
In Hohen Neuendorf gibt es wenig Erinnerung an den welterfahrenen Künstler. „Zwar gibt es eine Hermann Scheffler Straße, die nach dem Krieg so benannt wurde. Doch gibt es keine Unterlagen, aus denen ersichtlich wäre, ob überhaupt dieser Hermann Scheffler gemeint war. Nach meinen Recherchen gab es einen gleichnamigen KPD-Aktivisten, der aber mit dem Maler aus Hohen Neuendorf in keiner Beziehung stand“, rätselt Salchow. Er bezieht viele seiner Informationen aus Erzählungen seiner Großnichte Käthe Eis, die oft dabei war, wenn Scheffler ihre Mutter und seine Geliebte Grete Lorenz porträtierte, sowie aus zwei Koffern mit Unterlagen aus einem Dachbodenfund.
Diesen Nachlass hatte der mittlerweile verstorbene Sohn Hans Scheffler seinem Freund Günther Eberhardt anvertraut.

Schmuck fürs Rathaus
Aber selbst, wenn man bisher wenig über den Menschen Hermann Scheffler wusste, so ist seine Kunst in Hohen Neuendorf präsent. „Eines seiner Bilder, das den alten Dorfkrug zeigt, hängt im Zimmer der Bürgermeisterin und eine Ansicht des Rotpfuhl schmückt das Trauzimmer“, so Salchow. Der Großteil der Skizzen und Arbeiten aus dem Dachbodenfund wartet im Stadtarchiv auf Sichtung.
Am 4. November 2006 wird Matthias Salchow zusammen mit dem Maler Jürgen Gerhard seine Erkenntnisse über den vergessenen Weltbürger von Hohen Neuendorf in einem Vortrag unter Ägide des Geschichtskreises näher vorstellen.

Infos Tel. 0 33 03/40 23 26

Matthias Salchow hat sich auf die Spuren des Liebhabers seiner Groß-Tante geheftet.

Die Darstellung des alten Dorfkrugs hängt heute im Rathaus Hohen Neuendorf.

Mit dem Auftrag, den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zu porträtieren, konnte Hermann Scheffler viel Renommee erringen.

Offenbar war das Leben im Orient nicht immer hinter Schleiern verborgen, wie diese Skizze eines Freudenhauses in Kairo zeigt.

Grete Lorenz (v.2.v.l.) freut sich wohl, dass ihr Geliebter Hermann Scheffler mit dabei ist.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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