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Mit seinen gerade noch 500 Einwohnern präsentiert sich Stolpe als etwas verschlafener Ortsteil von Hohen Neuendorf. Bauernhäuser und Gaststätten schmiegen sich um das alte Gut das leider immer mehr verfällt. Wer würde da denken, dass der Ort, der vor 650 Jahren ebenso wie Birkenwerder das erste Mal urkundlich erwähnt wurde, über lange Jahre im Blickfeld des preußischen Hofs war?
Die langjährige Pfarrerin Renate Vogel ist der Historie des Orts auf den Grund gegangen und hat manches Erstaunliche herausgefunden. Bekannt ist, dass Luise Henriette, die reformfreudige Gründerin von Oranienburg, für einen Aufschwung im vom Dreißigjährigen Krieg verwüsteten Ort sorgte. Sie bescherte dem Bauerndorf eine Meierei zur Milchverarbeitung und ein Brauhaus. Die Ziegelei in Stolpe lieferte das nötige Material für ihren Schlossbau in Oranienburg. „Noch heute kann man die Stellen im Wald, wo Ton ausgehoben wurde, erkennen“, weiß Renate Vogel.
Das Rittergut war 1647 an den Großen Kurfürsten gefallen, weil die Familie Hoppenrade nach fast 300 Jahren ausgestorben war.
Mit Benjamin Ursinus von Bär war anschließend ein enger Vertrauter von Luise Henriettes Sohn in Stolpe. Der Hofprediger des Kurfürsten Friedrich III. nahm eine wichtige Rolle ein, als sich der Brandenburger 1701 in Königsberg selbst die Preußenkrone aufs Haupt setzte um sich fortan König Friedrich I. „in Preußen“ nennen zu dürfen.
Hartwig Caspar von Platen wurde Bärs Nachfolger in Stolpe und machte als erster Landrat des Kreises Niederbarnim von sich reden.
Ab 1759 ging das Gut an Friedrich Wilhelm von Pannwitz. Er brachte das mittlerweile heruntergekommen Anwesen auf Vordermann und bereicherte es um eine Kartoffelschnaps-Brennerei. Seine hübsche Schwester Sophie Marie von Pannwitz sorgte als Hofdame für erheblichen Wirbel. So wurde ruchbar, dass sich August Wilhelm, der jüngere Bruder von Friedrich dem Großen, in sie verguckt hatte: „Die Mutter roch den Braten und verheiratete sie schnell mit dem Oberhofmeister von Voß“, hat die Pfarrerin von Stolpe herausgefunden.
Der engen Beziehung zum Königshaus verdankt Stolpes Kirchturm ein Unikum: „Die Turmspitze ist mit der Preußenkrone verziert. Die Familie von Pannwitz wollte die Verbundenheit mit dem Königshaus betonen.“ Noch heute ist die mittelalterliche Feldsteinkirche eine Zierde des Dorfs. Die Kirchenkonzerte nehmen einen wichtigen Stellenwert im Kulturleben der Region ein. Renate Vogel nahm auch die andere Seite des Dorflebens unter die Lupe: „Die Bauern lebten seit Jahrhunderten in Leibeigenschaft. Das bedeutet, dass sie nicht mal ihr Dorf ohne Einwilligung des Gutsherrn verlassen durften, geschweige denn, woanders etwas kaufen. Erst 1810 wurde die Leibeigenschaft in Preußen aufgehoben. Für die Stolper Bauern bedeutete dies, dass sie sich freikaufen konnten, was sich über viele Jahre hinzog. Ein Drittel ihrer Fläche ging ans Gut, der Rest wurde durch lange Hypotheken abgetragen. In Stolpe waren die Bauern erst 1850 von Frondiensten und Abgaben an den Gutsherrn frei.
Bei ihren Recherchen ist Renate Vogel darauf gestoßen, dass es im Ort nicht immer friedlich zuging. „1849 wurde der Förster von Wilderern erschossen. 1853 fand man Heinrich Asmus verkohlt in seinem eigenen Backofen.
Dennoch war Stolpe aufgrund seines Freizeitwerts beliebt. „1787 war König Friedrich Wilhelm II. mit seiner Tochter zufällig hier auf einem Jagdausflug, als gerade eine Taufe stattfinden sollte. So kam
Caroline Schulze, die Tochter des Försters Johann Christoph Adolf Schulze, zu einem adeligen Paten. Ob ihr das im weiteren Leben Glück beschert hat, konnte ich allerdings nicht herausfinden“, schmunzelt Renate Vogel.
Mit dem Bau der Nordbahn entstand eine Station Stolpe, allerdings in Hohen Neuendorf. Dennoch begannen die stadtmüden Berliner in den Ort im Grünen zu strömen. Zwei Gasthäuser und ein Kolonialwarenhändler sorgten für die nötige Verpflegung. Käthe Kollwitz schwärmte vom „Fliederdorf Stolpe“. Heute will man an diese gute Tradition wieder anknüpfen. Der Dorfkern zeigt sich liebevoll saniert, Wiesen und Wälder laden in die Umgebung ein. Ob Napoleon tatsächlich 1806 im Gutshaus Stolpe wohnte und vom Mühlenberg aus die Belagerung von Spandau geleitet hat, ist für die kritische Hobby-Historikerin allerdings fraglich. Sie will nun in weiteren Recherchen Licht in dieses Stolper Rätsel bringen. Die Antwort will sie in der neuen Chronik von Stolpe vorlegen, die bis zum Ende des Jahres auf „etwa 60 Seiten mit vielen Bildern“ erhältlich sein soll.
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