Stand: November 2008
 
Kleinmachnower Familie in TV, Kino, Foto und Malerei präsent:
Treffpunkt Seeberg
Das Häuschen am noblen Seeberg wirkt für heutige Verhältnisse ungewohnt zurückhaltend und bescheiden. Links und rechts, fast überall haben neue Grundbesitzer sichtbar ihre Flächen mit auffälligen Eigenheimen versehen. Aber nicht in einer dieser
„Residenzen“, sondern im kleinen Siedlerhaus mit Garten sind Theater und Kino, Foto und Malerei, Literatur und Journalismus unter einem Dach zuhause.
Hier dreht sich oftmals das Leben um einen ungewöhnlichen Erfolgs-Schriftsteller mit abenteuerlichem Lebenslauf und um seine Ehefrau, eine bekannte Film-Schauspielerin sowie die beiden ebenfalls gefragten Töchter.

„Junges Gemüse” und
Puppendoktor Pille
Walter Kaufmann kann am 19. Januar 2009 seinen 85.  Geburtstag feiern und auf ein selten abenteuerliches Leben zurückblicken, das manche Ähnlichkeit mit der Biografie seines verstorbenen Schriftsteller-Kollegen Stefan Heym aufweist. Angela Brunner, seine Ehefrau, galt lange Zeit als die „bezaubernde Blondine voller Sex-Appeal und Ironie“. Sie überzeugte in über hundert Spielfilmen und Fernsehproduktionen. Die Spanne reicht von „Junges Gemüse“ aus dem Jahr 1956 über den Buchenwald-Film „Nackt unter Wölfen“ mit Armin Mueller-Stahl aus dem Jahr 1962 bis zu „Die Heiden von Kumerow“ aus 1967, „Tod in Miami“ von 1994 und „Helden wie wir“ von 1999. Über Jahre war sie Idol der Kinder als „Frau Puppendoktor Pille mit der großen runden Brille“. Neben ihrer erfolgreichen Schauspieler-Karriere macht sie als Malerin von sich reden.

„Männerpension”
und „Schwanger gehen”

Das Ehepaar hat zwei Töchter: Die 38-jährige Deborah Kaufmann wohnt als alleinerziehende Mutter mit einem Kind zurückgezogen und öffentlichkeitsscheu in ihrem Heimatort Kleinmachnow. Sie trat beruflich in die Fußstapfen der Mutter. So konnte man sie in Erfolgsfilmen wie „Männerpension“ und „Elementarteilchen“ sehen. Sie spielte in Serien wie „SOKO Kitzbühel“, in „KDD – Kriminaldauerdienst“ oder im Film „Eine Robbe zum Verlieben“.
Rebekka Kaufmann ist 46 Jahre alt und machte als Fotografin insbesondere durch ihr Buch „Schwanger gehen“ Schlagzeilen. Inspiriert von den beiden eigenen Schwangerschaften fotografierte sie in einem einzigartigen Projekt 60 werdende Mütter. Der ungewöhnliche Bildband der mittlerweile in Berlin wohnenden Fotografin erschien 1997 und war über einen längeren Zeitraum Thema öffentlicher Diskussionen und im Fernsehen.

Malen in der Drehpause
Sie entwickelte ein „Foto-Arttransferverfahren als Bindeglied zwischen Foto und Malerei“ und knüpfte damit an die „Nebenarbeit“ ihrer Mutter Angela Brunner an. Während also Deborah Kaufmann die schauspielerische Ader der Mutter weiterführt, greift ihre Tochter Rebekka Kaufmann deren Vorliebe fürs Malen auf.
Dabei gibt Angela Brunner zu, dass dem Malen zwar ihre erste Vorliebe gilt, doch diese Tätigkeit kommt erst dann zum Zuge, wenn es die Schauspielerei erlaubt: „Während der Vorbereitung auf eine
Rolle und beim Drehen wird nicht gemalt!“

Liebe auf den ersten Blick
Als Walter Kaufmann sie 1958 in einem Berliner Café traf, „war es Liebe auf den ersten Blick“. Und das, obwohl der deutsch-australische Autor, der sich wie viele andere Intelektuelle nach dem Krieg
bewusst für die DDR entschieden hatte, ursprünglich mit der Australierin Barbara Kaufmann verheiratet war. „Sie starb 2007 und ist in Kleinmachnow begraben“, so der ungewöhnliche Erfolgsautor.
Kaufmann wurde am 19. Januar 1924 in Berlin unehelich geboren. „Meine Mutter war wohl sehr hübsch und Verkäuferin bei Tietz.“ Die Brüder Leonard Tietz und Oscar Tietz hatten das „Kaufhaus“ wie wir es heute kennen, Ende des 19. Jahrhunderts „erfunden“. Aus der Kaufhaus-Kette von Leonhard Tietz ging der Kaufhof-Konzern hervor. Oscar Tietz hatte 1927 das KaDeWe übernommen, aus dem der Hertie-Konzern hervorging.

Adoptiert vom Vater?
Die 17-jährige Verkäuferin hatte aber wohl eher wenig von der Sonne der Warenhaus-Welt mitbekommen, als sie ihren kleinen Sohn zur Welt brachte. Sie willigte in eine Adoption ein.
Ab dem zweiten Lebensjahr wuchs Walter Kaufmann bei einem jüdischen Anwaltsehepaar im fernen Duisburg auf. „Ich habe nach dem Krieg
intensiv geforscht, doch ich konnte meine Mutter nicht mehr ausfindig machen. Warum hat sie mich zur Adoption freigegeben? Ich habe lange darüber nachgedacht und vermute heute, dass mein Adoptivvater mein leiblicher Vater war“, sinniert Walter Kaufmann.
Das kurze bürgerliche Familienglück endete tragisch. Die Adoptiveltern wurden 1938 ins KZ gesteckt und von den Nazis in Auschwitz ermordet.

Flucht ins Internierungslager
Walter Kaufmann gelang gerade noch eine abenteuerliche Flucht, die ihn erst mal nach England brachte. „Dort kam ich mit anderen in eine Schule, in der man großen Wert darauf legte, dass wir gutes Englisch sprechen. Wir lernten englische Literatur kennen und lieben.“ Wenig später ging es für die unerwünschten „Deutschen“ weiter. „Wir dachten, wir würden nach Kanada kommen. Doch schließlich lud uns das Schiff im August 1940 in Australien aus. Es war eine abenteuerliche Fahrt, wir sind mehrmals torpediert worden.“

Freiwillig zur Armee
Kaufmann war gerade 16, hatte Mutter und Adoptiveltern verloren, sollte sich nun durchs Leben schlagen. „Wir landeten in dem Internierungslager in Hay mitten in der Wüste. Ich musste dort ein Jahr hinter Stachelzaun verbringen, bis wir frei kamen. Aber wir wurden gut behandelt. Nach der Freilassung stellte sich die Frage: ‚Was tun?‘ Ich wurde Hafenarbeiter und meldete mich freiwillig zur australischen Armee, um beizutragen, etwas gegen das Unrecht in Deutschland zu tun. Wir wurden allerdings nur im Land selbst eingesetzt, für Transportdienste, zum LKW fahren, zum Schiffe ent- und beladen.“

Literaturpreis für Erstlingswerk
Kaufmann begann trotz der schweren Arbeit mit Schreibversuchen. Seine Erzählung „Simple Things“ wurde von einer Literaturzeitschrift aufgenommen – und schlug ein. „Ich erhielt dafür den Mary Gilmore Award, den wichtigsten australischen Nachwuchspreis.“
1946 wurde Kaufmann aus der australischen Armee entlassen, doch die See ließ ihn nicht los: „Ich wollte von der Welt was sehen. Die einzige Möglichkeit, ohne Geld zu haben herumzukommen, war auf Schiffen.“
Er schrieb parallel zur Tagesarbeit weiter, 1953 kam sein erster Roman „Voices in the Storm“ in Melbourne heraus.

Nach Deutschland delegiert
Kaufmann hatte aufgrund der eigenen Erfahrung einen geschärften Sinn für soziale Gerechtigkeit und politische Gefahren. Er wurde als Organisator in der Seemanns-Gewerkschaft geschätzt. 1955 delegierte ihn die „Australian’s Seamans Union“ zu den Weltjugendfestspielen nach Warschau. „In Polen lernte ich einen Verleger kennen, der mich zu einem Schriftstellerkongress nach Berlin einlud. Ich wollte Deutschland eigentlich nur einen Besuch abstatten, wurde aber mit so offenen Armen in der DDR empfangen, dass ich mich entschloss, erst mal zu bleiben.“
Nach einem Zwischenaufenthalt in Petzow „landete“ Kaufmann in Kleinmachnow, das zur neuen Heimat werden sollte. Es begann eine seiner produktivsten Phasen. „Ich habe insgesamt über 25 Bücher geschrieben und eine Menge von Preisen bekommen“, blickt Kaufmann auf sein Leben aus heutiger Sicht zurück.
Schreibender Matrose
Er verdingte sich nochmals bei der Seefahrt, diesmal auf DDR-Handelsschiffen. „Ich wollte einfach noch mehr von der Welt sehen.“ Südamerika, Kuba und andere Länder waren Stationen, wo die Schiffe Wochen und oftmals Monate im Hafen lagen. „Heute wäre das undenkbar. Mit der schnellen Container-Entladung ist ein Landgang kaum mehr möglich.“

„Haut dem Ulbricht eins aufs Maul!”
Mit der literarischen Tätigkeit war dann 1962 erst mal Schluss. Kaufmann hatte einen Roman geschrieben, der an der Zensur scheiterte. „Es ging um die Mauer. Eine meiner Protagonistinnen klebte heimlich Zettel an die Bäume.
Darauf stand: ‚Unsere Männer sind nicht faul, die hauen dem Ulbricht eins aufs Maul!’ Ich wurde vor die Alternative gestellt, diesen Nebenstrang des
Romans zu entschärfen oder das Buch würde nicht erscheinen.“
Kaufmann war unter keinen Umständen bereit, sich
gängeln zu lassen. „Ich hörte erst mal mit der Literatur auf und arbeitete als Auslandskorrespondent.“

In Ost und West geehrt
Die Eindrücke, die der Wanderer zwischen den Welten auf seinen Reisen erlebte, fanden Einzug in seine weiteren Bücher. Kaufmann war seit 1957 Mitglied des Schriftsteller-Verbands. Er stand von 1985 bis 1993 als Generalsekretär dem PEN-Zentrum vor. Er erhielt hochrangige Auszeichnungen wie den Fontane-Preis, den Heinrich-Mann-Preis oder den Ruhrgebiet-Literatur-Preis.

Auto-Biografie zum Geburtstag
Der ungewöhnliche Schriftsteller mit dem abenteuerlichen Leben kann ohne Schreiben nicht mehr leben. Tag für Tag sitzt er an der Zusatztastatur, die er an seinen Laptop angeschlossen hat, und schreibt. Dafür hat er sich die Zeit bis in den
frühen Nachmittag reserviert, und da möchte er nicht gestört werden.
Momentan ist Walter Kaufmann dabei, auf sein vielfältiges Leben zurück zu blicken. Bis zum runden
Jubiläum, dem 85. Geburtstag, den er im Januar 2009 feiern kann, möchte er seine Autobiografie fertig haben. 300 Seiten hat er dafür geplant.
Ob die bei dem reichhaltigen Leben des unprätentiösen „Wort-Arbeiters“, der viel dazu beigetragen hat, die Literatur-Form der
englischen Short-Story in Deutschland populär zu
machen, reichen, bleibt abzuwarten. Eines ist schon jetzt klar: Wenn Geburtstag und Buchvorstellung zusammen kommen, wird das stilvoll-bescheidene Domizil in Kleinmachnow Mühe haben, ausreichend Platz für das große Ereignis zu bieten.
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