100 Jahre Teltowkanal – Neues Museum lädt ein

Töne aus Kleinmachnow in den Westen

Wer heute in Kleinmachnow wohnt oder in den Ort zieht, macht das meistens, weil er im Grünen leben möchte. Wer würde da an die industriellen Wurzeln denken?
Wohl nur die wenigsten Kleinmachnower verbinden moderne Computer oder das Transistorradio mit ihrer Heimat. Tatsächlich wurden in der Region modernste Geräte und Teile der DDR gefertigt, und Kleinmachnower arbeiteten dort mit.

Chips und Grills
Vielen, auch den Westdeutschen, ist der handliche Kontaktgrill ein Begriff, der zeitweise ebenso sehr in Mode war wie das Nostalgie-Grammophon. „Das waren große Renner, mit denen die DDR Devisen erwirtschaften konnte“, erinnert sich Lothar Starke. Er war von 1983 bis 1991 Betriebsdirektor und Geschäftsführer in den Geräte- und Reglerwerken Teltow.

Neues Leben fürs alte Rathaus
Birgit Hannemann, die Pressesprecherin des Industriemuseums, hat sogar ihre ersten beruflichen Schritte in Teltow unternommen. Sie führt schon deshalb ebenfalls sehr gerne durch die vielfältige Ausstellung, die der Verein „Industriemuseum Region Teltow e.V“ unter Vorsitz von Lothar Starke in mühevoller Kleinarbeit im früheren Sitz der Gemeindeverwaltung zusammengestellt hat.
Nun lässt sich in den Räumen nacherleben, wie sich die Region nach dem Startschuss durch den Bau des Teltowkanals entwickelt hat.

Lokomotive brachte Schiffe in Fahrt
Bei der Inbetriebnahme des Kanals im Jahr 1906 war vieles noch anders. So sollten die Binnenschiffer nicht mit eigener Kraft durch den Kanal schippern, sondern wurden gezogen. Da man sich in der Neuzeit wähnte, erfolgte das Treideln nicht mehr per Hand und Pferd sondern mit Elektrolokomotiven! Doch halt, woher den Strom nehmen?

Strom und Wasser –
Um bei der Energie unabhängig von Berlin zu sein, wurde also auf Betreiben von Kanal-Initiator Ernst von Stubenrauch in Schönow ein Kraftwerk gebaut. Für Trinkwasser sorgten bis 1926 die Charlottenburger Wasserwerke. Als Kleinmachnow 1906 angeschlossen wurde, hatte der Ort gerade mal 195 Einwohner.
Zwanzig Jahre später sorgte eine deftige Preissteigerung von vier auf 34 Pfennige für den Kubikmeter für helle Empörung. Die Folge war 1929 die Gründung der Kreiswasserwerke GmbH mit Sitz in Kleinmachnow. Dadurch können E.ON edis und MWA in der Ausstellung zu Recht auf eine lange Geschichte im Einsatz für die Menschen der Region verweisen.

Bahnbrechende Erfindungen
Mit der Verkehrsanbindung, Strom und Wasser waren also die besten Voraussetzungen für Wohnen und Arbeiten entstanden. Die Firmen ließen sich nicht lange bitten. Vorreiter war die Porzellanfabrik. Ihre Isolatoren ermöglichten, hohe elektrische Energie zu übertragen und waren für die Berliner S-Bahn wichtig. Eine bahnbrechende Rolle für Rundfunkgeräte nahmen die neuen Kohleschichtwiderstände ein, die dort erfunden worden waren.

Chipwerk als Wendeopfer
Im Kleinmachnower Industriemuseum lassen sich viele Erfolge bis zu den DDR-Rechnern, die hier vor der Wende gebaut wurden, nachvollziehen.
Einen Teil ihres Innenlebens konnten die Maschinen aus dem benachbarten Stahnsdorf beziehen. Aus dem Institut für Halbleitertechnik heraus entwickelte sich eine moderne Chipfabrik, die allerdings mit der Wende „abgewickelt“ wurde. Heute versuchen verschiedene Firmen auf dem Greenpark-Areal daran anzuknüpfen.

Künstliche Niere made in GDR
Man erfährt außerdem, wie aus einer Papierfabrik die Wiege industriell gefertigter Kunstfasern in der DDR entstand und kann die erste künstliche Niere aus ostdeutscher Fertigung bestaunen. Heute setzen renommierte wissenschaftliche Institute in Teltow-Seehof die Forscher-Tradition fort.

Heimatverein weist auf dunkle Flecken
Mit integriert ist eine Sammlung des örtlichen Heimatvereins. Dessen Vorsitzender Dr. Rudolf Mach hatte ja mit Forschungen über den Rüstungsstandort Dreilinden und das Außenlager eines Frauen-Konzentrationslagers für Aufsehen gesorgt (wir berichteten).
2 500 Besucher seit der Eröffnung der Schau zeigen, dass in der Region ein großes Interesse an der eigenen Geschichte besteht.
Am 2. und 3. Juni 2006 wird zu Wasser und zu Lande der 100. Geburtstag des Teltowkanals gefeiert werden. Danach werden sicher noch viel mehr Bürger Lust haben, in Kleinmachnows neuem Museum Einblick in die oft gar nicht weit zurück liegende Vergangenheit zu bekommen. Erfreulicherweise ist der Eintritt frei.
Industriemuseum Region Teltow e.V.
Meiereifeld 33/35, 14532 Kleinmachnow
Tel. 03 32 03/34 51 90
So. 14-18 Uhr
Mi. 10-14 Uhr und nach Vereinbarung

Veranstaltungen 100 Jahre Teltowkanal

25. Februar 2006, 17 Uhr:
„100 Jahre Teltowkanal”Heimatverein Kleinmachnow

8. März 2006, 18.30 Uhr:
„Wirtschaftsfaktor Teltowkanal, „Teltalk“ des Unternehmerverbands Brandenburg e. V.”

12. April 2006, 17 Uhr:
„Der Teltowkanal als Grenze” Heimatverein Kleinmachnow

10. Mai 2006, 18 Uhr:
„Historisches Filmmaterial um den Teltowkanal”

2. und 3. Juni 2006:
100 Jahre Teltowkanal

Dieses Nostalgie-Trichtergrammophon wurde in den 1980er Jahren vom CvO für den Export in den Westen produziert.

Hut ab vor den früheren Wasser-Fachleuten!

Mann am Herd – das hat dieser frühe Elektroherd aus den 1920er Jahren wohl selten gesehen.

Lothar Starke zeigt die künstliche Niere der DDR.

Elektronische Bauteile wurden kleiner und kleiner.

Birgit Hannemann hat als Pressesprecherin immer den heißen Draht.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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