|
 |
|
Sex und Kunst gehören eng zusammen diese Erfahrung machte ein heute weltbekannter Kleinmachnower bereits im zarten Knabenalter. Denn für sein erstes verkauftes Bild gab es Bezahlung in Naturalien! „Eine Freundin meiner Schwester wollte ein Bild fürs Poesiealbum gezeichnet haben. Der Preis dafür war ein Kuss“, erinnert sich der renommierte Künstler heute. Damals war er gerade zwölf.
50 Jahre Malerei
Nun, im Oktober 2005 konnte Fridolin Frenzel seinen 75. Geburtstag feiern und blickte mit einer großen Einzelausstellung in Potsdam auf „50 Jahre Malerei“ zurück. Kunst macht er allerdings schon viel länger. Eben seit seiner Jugend. In einem Leben, das so abenteuerlich wie ein Roman ist! Bauhaus in Kleinmachnow
Wir treffen ihn in seinem Wohn- und Atelierhaus in Kleinmachnow. Auf einem der wenigen parkgroßen Grundstücke, die es im Ort noch gibt, hat er ein einstöckiges lichtdurchflutetes Haus gebaut, das vom Erdgeschoss bis zum Giebel offen ist. Darin steht ein riesengroßer Tisch, der nach Belieben zum Malen, Essen, Lesen, Bewirten oder Schreiben Verwendung findet. An den Wänden sind Bilder aufgehängt, fertige und unfertige. Eher am Rande das Bett, fein säuberlich gemacht. Eine puristische und dennoch einladend-freundliche Künstlerwohnung, wo die strenge Bauhaus-Ordnung das sonst von Künstlern erwartete kreative Chaos ersetzt.
Die Fratzen der Kleinbürger
Da macht sich bemerkbar, dass der heute international gefeierte Fridolin Frenzel seine Wurzeln in der Bauhaus-Stadt Weimar hat. Er stammt ursprünglich aus einem kleinen Dorf bei der Goethe und Schiller-Stadt. Er erlebte als Kind, wie die braven Bürger begeistert den Nazis applaudierten, Hitler zujubelten. „Ich sah, wie mir bekannte Erwachsene ihr Gesicht zu furchtbaren Fratzen der Begeisterung verzogen. Ich fühlte mich abgestoßen von diesen ‚braven‘ Spießern und magisch angezogen von den anderen: Den Künstlern und Schauspielern, den Zigeunern.“
Malen aus Mitleid
Frenzels Entdeckung verdankt er seiner Hilfsbereitschaft: „Wir hatten aufgrund der Kriegssituation in der Schule nur Veteranen mit körperlichen Einschränkungen als Lehrer. Manchen fehlte ein Bein, ein Arm oder sie waren andersweitig behindert. Sie waren dadurch vielerlei Spott in der Klasse ausgesetzt. Mir taten sie leid.“ So gab es einen Erdkundelehrer, der immer Schwierigkeiten hatte, etwas an die Tafel zu zeichnen. „Ich half gerne dabei und konnte bald schon ganze Kontinente inklusive der jeweiligen Tierwelt aus dem Kopf skizzieren. Besonders Afrika hatte es mir angetan.“
Vom Kuhstall ins Theater
Die Malbegabung von Fridolin Frenzel sprach sich schnell herum. Mädchen standen Schlange für Einträge ins Poesiealbum. Zur Belohnung gab es mehr als einmal heiße Küsse.„Als der Krieg zu Ende war, war ich gerade 14“, erinnert sich Frenzel. Er arbeitete bei einem Bauern im Kuhstall, als ihn die attraktive 18-jährige Vera Müller, eine Freundin aus Kindertagen, wiedertraf. Sie kannte sein Talent und engagierte ihn sofort für ein Truppentheater der Roten Armee als Bühnenbildner. Der pubertierende Junge war Hahn im Korb unter den jungen Ballerinas. Es herrschte allerorten Männermangel, denn viele waren vom Krieg noch nicht heimgekehrt.
„Lehre“ beim Fälscher-König
Für künstlerische Impulse sorgten die beiden einzigen „Männer“ im Tanzensemble: „Ich hatte gelernt, realistisch zu malen. Sie nahmen ein Tuch, tränkten es mit Farbe und zeigten mir, wie man mit einem ganz anderen ‚Pinsel-auftrag‘ phantastische Impressionen erzeugen kann. So entstanden wundersame großflächige Bildeffekte, die die Scheinwerfer der Bühne in Traumlandschaften verwandelten.“ Was Frenzel damals nicht wusste: Die beiden waren vom Fach! Sie waren in den 1940er Jahren als Fälscher von Impressionisten wie Vincent van Gogh enttarnt und zu hohen Zuchthaus-Strafen verurteilt worden. Da sie der Besatzungsmacht weismachen konnte, sie seien wegen ihrer Homosexualität hinter Gitter geraten, wurden sie in den Nachkriegswirren in Freiheit entlassen.
Halbwelt und Kirchen
Der angehende Künstler lernte Stars wie die weltberühmte Tänzerin Mary Wigman kennen und fand zunehmend Gefallen an Theater und Halbwelt. Schon winkte die Erotik-Szene mit ihren Versuchungen. „Ich wäre sicher auf die schiefe Bahn geraten, wenn mich nicht ein Glasmaler herausgeholt hätte.“ Zu tun gab es in dessen Atelier genug, schließlich waren viele Kirchenfenster Opfer der Bombenangriffe geworden. Wiederum sprach sich das Talent herum, so dass schließlich Bauhaus-Mitgründer und Kunstprofessor Hermann Kirchberger 1948 auf ihn aufmerksam wurde. Er bot ihm zu Frenzels großer Verwunderung ein Stipendium an der „Hochschule für Baukunst und bildende Künste“ in Weimar an.
Frau Professor liebte es nackt
Einer der Professoren dort war Otto Herbig. Seine zweite Frau Elsbeth übte auf den mittlerweile 18-Jährigen eine besondere Faszination aus: War sie doch mit dem verstorbenen Expressionisten und Brücke-Maler Otto Mueller verheiratet gewesen. Der hatte sie als begehrtes Akt-Modell in heute teuer gehandelten Bildern porträtiert. Und eine solche Frau durfte Fridolin Frenzel nun kennen lernen! Ihre Ausstrahlung übertrug sich wohl auch auf die damals 16-jährige Tochter Sofie Herbig. Bald waren beide ein Liebespaar!
Vom Atelier ins Uran-Bergwerk
Natürlich machte sich der Einfluss der Expressionisten in Frenzels frühen Arbeiten bemerkbar. Damit kollidierte der aufstrebende Künstler sofort mit der neuen Doktrin des „Sozialistischen Realismus“. Was tun? „Es gab nur zwei Alternativen. Entweder dafür oder dagegen. Ich entschied mich, nun ein hundertprozentiges Mitglied unserer neuen Gesellschaft zu werden. Als Maler ging das nicht. Also wollte ich Werktätiger sein und bewarb mich als Kumpel im Uranbergbau bei der Wismut.“ Das war 1949. „Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal. Sicherheitsvorschriften wurden völlig missachtet, das Leben der Arbeiter war keinen Pfifferling wert. Statt Nassbohrer einzusetzen, um die berüchtigte Staublunge bei den Kumpels zu vermeiden, wurde trocken gebohrt, weil das schneller ging.
Fast 1300 Tote im Jahr
Wir hatten in diesem Jahr 1 281 Tote und 3 467 Amputationen, die heute dokumentiert sind. Ich fand diese Zustände so empörend, dass ich dagegen protestierte. Die Folge war, dass ich mich wegen ‚antisowjetischer Hetze‘ verantworten musste, weil die Grube von den Sowjets betrieben wurde.“ Ein „jüdischer Offizier mit berliner Akzent“ wurde Frenzel zur Rettung, indem er ihn vor die Tür setzte. So vor dem Nichts, war das Angebot des Bauhaus-Malers Georg Muche, zu ihm nach Krefeld zu kommen, als einzige lohnende Alternative sehr
verlockend. Mit dabei: Seine große Liebe, die blutjunge Sofie Herbig. „Ihre Eltern hatten die Vorstellung, dass ich gut auf sie aufpasse, bis sie im Westen eine standesgemäße Partie finden würde.“
Im königlichen Internat
Frenzel schlug sich als Straßenbahnschaffner durch und studierte gleichzeitig an der Meisterschule für Textilkunst in der Klasse von Professor Muche. Er bekam Angebote für den Unterricht und sollte in England erkunden, wie dort Kunst an Schulen gelehrt wird. „Ich landete in Gordenstoun. Das war ein Elite-Internat, das als Ableger der berühmten Schule in Salem gegründet worden war. Damals war der heutige Ehemann der Queen Elizabeth II., Prinz Philip dort Schüler. Die heutigen Prinzen der Königsfamilie drückten hier später die Schulbank!“Der militärische Drill war Frenzel zuwider. Er zog es vor, in einem Zelt zu wohnen trotz kalter Temperaturen. Es entstanden Bilder über die schottischen Highlands. Als Elizabeth am 2. Juni 1953 gekrönt wurde, durfte Frenzel an der Inaugurationsfeier in Gordenstoun teilnehmen. „Da konnte man sich wenigstens sattessen!“
Zwischen Schifferklavier und Lederhosen
Zurück in Deutschland ging es an die Familiengründung. „Wir überlegten wo wir wohnen wollten und wählten Frankfurt am Main. Das lag so schön in der Mitte, zwischen nordischer Schifferklavier-Romantik und bayrischen Lederhosen!“ Das Ehepaar Frenzel arbeitete im eigenen Atelier. Den Lebensunterhalt bestritten sie aus dem Verkauf ihrer Bilder sowie der Werke von den mittlerweile in Kleinmachnow lebenden Eltern Herbig sowie von Elsbeth Herbigs erstem Mann Otto Mueller.
Kunst und Geld
„Ich war nie der Meinung, dass sich Kunst und Geld ausschlössen. Verkaufen macht mir ebenso Spaß wie malen“, gibt Fridolin Frenzel zu. Nebenverdienste waren Illustrationen für die Prospekte von Sanitärfirmen und Buch-Illustrationen für die gewerkschaftseigene Büchergilde Gutenberg. Namhafte Galerien interessierten sich für die Zusammenarbeit. Schließlich reifte die Idee, die Schwiegereltern von Kleinmachnow aus ins westdeutsche Wohlstands-Paradies nachzuholen. „Ein Haus, in dem alle zusammen wohnen, hätten wir uns in Frankfurt nicht leisten können.“
Trügerische Lederhosen-Idylle
Und so zog die Familie 1963 nach Beuerberg. „Damals gab es den Grünen Plan. Bauern erhielten Geld, sich moderne Höfe außerhalb des Dorfkerns zu bauen, um als Landwirte mit großen Anwesen konkurrenzfähig zu sein. Alte Bauernhäuser waren günstig zu bekommen. Wir ließen uns also nur wenige Kilometer vom Starnberger See entfernt nieder.“ Schnell brachen die latenten Spannungen innerhalb der unterschiedlichen Familie auf. Die Schwiegereltern hatten die Begabung des aus einfachen Verhältnissen stammenden Frenzel niemals anerkannt „und mit meinen Bildern nach meiner Ausreise aus der DDR den Kaninchenstall wetterfest gemacht.“ Sie hatten in ihrer Tochter die eigentliche Künstlerin gesehen und sich für sie einen „besseren“ Ehemann gewünscht.
Treffpunkt Bauernhaus
Während westdeutsche Zeitschriften die originelle Einrichtung des Bauernhauses zu Titel-Themen machten, brach die Familie auseinander. Die beiden Töchter Hanna und Maria verließen als Jugendliche das Haus. Fridolin Frenzel brach die bayrische Idylle über dem Kopf zusammen und nahm ihm die Inspiration zur Arbeit. Erst durch die „Flucht“ in die rauhe Welt der Frontstadt Berlin mit wechselnden Ateliers in Schöneberg, Tempelhof und schließlich Wedding fand er zur Arbeit zurück. Nach der Wende zog das Paar nach Kleinmachnow, auf das schwiegerelterliche Grundstück. Tochter Hanna Frenzel ist in Berlin als Perfomance-Künstlerin gefragt.
Frenzel im Rathaus
Fridolin Frenzel fühlt sich in Kleinmachnow wohl. „Mein Atelier steht jedem offen. Kürzlich war eine Oma da, die ihren Enkeln mal was besonderes zeigen wollte.“ Frenzels Bilder werden in der Kunstszene hoch gehandelt. Oft sind es Serien von zwei bis drei zusammenhängenden Werken, was den Preis nochmals erhöht. Zu den Fans in Kleinmachnow gehört Bürgermeister Wolfgang Blasig, der selbst in der Freizeit gerne mal zum Malpinsel greift. Er hat fürs Foyer des Rathauses mehrere in Kleinmachnow entstandene Bilder Frenzels gekauft.
Infos Tel. 03 32 03/2 07 21
|
|