40 Jahre Bühne: Ein Schul-Direktor für Zuhause

Kleinmachnows Unicum rockt weiter

Tagsüber Pauker – abends Rocker. Das an sich ist schon ungewöhnlich. Der absolute Clou ist aber, dass man sich in Kleinmachnow seinen Pauker neuerdings sogar fürs Privat-Konzert nach Hause engagieren kann. Wer sich also über schlechte Noten ärgert, der rächt sich dann ganz einfach mit Buh-Rufen? „Das ist mir noch nicht passiert”, schmunzelt Bernd Bültermann. Schließlich ist er ja auch ein Star mit nunmehr 40-jähriger Bühnenerfahrung. Schon als Schüler war der Lehrersohn aus Brandenburg von der angesagten Rock-Musik begeistert.

Musik und Spitzenhöschen
Denn der heute 56-Jährige war gerade im aufmüpfigen Teeny-Alter, als sich im Westen die Protest-Generation zu formieren begann. Und so gehörten die Beatles und Rolling Stones bald schon zum Lebensgefühl des – Kaufmanns des sozialistischen Einzelhandels. „Meine Eltern hielten leider gar nichts von meinem Wunsch, Musik zu studieren und bestanden auf einer ‚ordentlichen‘ Lehrausbildung als Sicherheit fürs Leben“, erinnert sich Bültermann heute. Wegen zu wenig Sinn für Latein und zu vielen Lausbubenstreichen ging‘s nach der zehnten Klasse mit bestem Zeugnis hinaus ins „harte Leben“. Bei Bernd Bültermann drehte sich der Alltag nun um Spitzenunterwäsche, Schuhe und Möbel, und um Millionenbeträge! Der DDR-Rocker war in der Konsum-Einkaufsabteilung gelandet!

Pauker mit Durchschlagskraft
Das anschließende Pädagogik-Studium brachte die große Wende: Der angehende Lehrer für Deutsch, Mathe und Werken sowie autodidaktische Gitarrist und Schlagzeuger brachte mit einer Studentenband die ehrwürdigen Mauern zum Erzittern und konnte mit Gitarren-Riffs und viel Beharrlichkeit die hübsche Mitstudentin Karola begeistern. Das große Los zog das verliebte Pärchen mit der ganz und gar unerwarteten Berufung an die damalige Dimitroff-Schule in Kleinmachnow. „Wir hatten uns darauf eingestellt, erst mal in der Provinz zu landen“, erinnert sich Bernd Bültermann. „Und keinesfalls hatten wir zu hoffen gewagt, dass wir beide an die gleiche Schule kommen würden!“

Glücksjahr 1972
Also fuhr das Pärchen im Jahre des großen Glücks 1972 in den Hafen der Ehe ein, „sonst hätten wir keinen Anspruch auf eine eigene Wohnung gehabt.” Ein Glücksfall war außerdem, dass der Schulleiter von der musikalischen Ader des neuen Mitstreiters im Lehrerkollegium begeistert war: Das Ergebnis war die Gründung von „Unicum“ und der Singegruppe „Mladost“ im Schicksalsjahr 1972. Zur im Lauf der Jahre wechselnden Besetzung gehörten ehemalige Mitstudenten, Lehrer aus der Kleinmachnower Schule und später sogar musikbegeisterte Schüler. Trotz Aufstieg des Bandleaders zum parteilosen Vize-Direktor der Dimitroff-Schule konnte sich Unicum beständig entwickeln und erreichte schließlich sogar die vielgefragte „Spielberechtigung mit Konzertberechtigung“. Die Rocker um den Kleinmachnower „Halb-Leiter“ durften im Radio auftreten, waren beim Olympia-Ball gefragt und wären fast noch zu Ehren als Vorzeigeband fürs westliche Ausland gekommen, wenn, ja wenn Bernd Bültermann endlich dem Ruf der Genossen gefolgt wäre. Doch ohne SED-Mitgliedschaft gab es doch keinen Pass – und die Band blieb zuhause.
Die Sturheit während der DDR ermöglichte der Band, die Beliebtheit über die Wende hinüberzuretten. Bis zum Abschiedskonzert vor immerhin gut 1 000 Fans zum 30. Geburtstag von Unicum 2002 waren die Rocker aus Kleinmachnow vielgefragt.

Rock mit Ulrike
Doch der musikalische Ruhestand hielt nicht lange an. Nun wird Bernd Bültermann von Tochter Ulrike, 24, als Sängerin sowie von Eltern und ehemaligen Unicümern unterstützt. Das Repertoire ist jazziger geworden, besinnlicher. Chansons stehen nun oft im Fokus, doch zum Tanzen gibt es immer noch Gelegenheit. Der Name der Gruppe „Small Talk“ ist Programm. Während die Band kleiner wurde, sind die Verpflichtungen angewachsen.
Aus dem Halbleiter wurde erst der Leiter der in Eigenherd-Grundschule umbenannten Lehranstalt mit 70-jähriger Tradition und nun sogar ein Doppel-Leiter. Denn übergangsweise ist Bernd Bültermann auch Kopf der neuen „3. Grundschule“ auf dem Seeberg.

Musik statt Politik
Familien-Tradition hat im Hause Bültermann neben dem Hobby Musik die Leidenschaft zum Lehrerberuf. Tochter Ulrike macht gerade ihr Praktikum in Vatis Schule, Sohn Steffen, 33 ließ sich gerade noch von diesem Beruf abbringen und wurde Computer-Fachmann!
Mit Beginn des Jahres 2006 wird sich Bernd Bültermann als Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeindeparlament zurückziehen, weil ihn ein Gesundheitsproblem aus Kindheitstagen zunehmend plagt. Doch die Musik soll weiter klingen – auch in der Schule, wo der Leiter sich den Proberaum im Keller mit seinen Schülern teilt!

Infos Tel. 03 32 03/2 31 85

Rock aus der Schule: Bernd Bültermann begann mit einer Schülerband, machte mit Unicum Furore und lässt nun mit Tochter und Bald-Lehrer-Kollegin Ulrike sanftere Töne im Klassenzimmer klingen.

Unicum sorgte 30 Jahre lang für flotte Tanzmusik.

Bernd Bültermann überraschte immer
wieder mit seinen Outfit.

Mit langen Haaren war Bernd Bültermann der Traum mancher Mädchen.

Geprobt wird im Keller der Eigenherd-Schule.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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