Geschichten aus der Geschichte

Nackt im Lustschlösschen

Zeitweise heiß her gegangen ist es in Zeesen. Das „Lustschlösschen“ war Treffpunkt von Prominenz aus Wirtschaft, Kultur und Film.
Ausgerechnet gegenüber der FKK-Oase Waldesruh saß beispielsweise der Dichter Klabund, mit bürgerlichem Namen Alfred Henschke, „nackt auf der Veranda, wie des Sommers Gott, von Fliegen, Mücken, Pfauenauge und Zitronenfalter“ umschwärmt, wie er selbst schrieb. Ob ihn die berühmte Schauspielerin Carola Neher ebenfalls umschwärmte, kann trotz vieler überlieferter Streitereien des Paars angenommen werden. Immerhin waren die beiden damals, im Jahre 1926, gerade frisch verheiratet.
Seit 1903 war das Schloss in Zeesen gesellschaftlicher Anziehungspunkt. Damals hatte es Eugen Gutmann, der Mitbegründer und langjährige Direktor der Dresdner Bank, gekauft. Er richtete dort Empfänge und Dinnerparties aus, die vor allem die Wirtschaftselite des Kaiserreichs anzog. Nach seinem Tod erwarb sein Freund und Bankierskollege Dr. jur. Ernst Goldschmidt 1925 das repräsentative Anwesen. Ihn verbanden verwandtschaftliche Bande mit der Mutter von Carl Zuckmayer. Der Dramatiker war 1924 zusammen mit Bert Brecht Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin und verfasste einen „Haus-, Flur- und Tiersegen“ für das Gut Zeesen. Er wurde später durch Stücke wie „Der Hauptmann von Köpenick“ und „Des Teufels General“ bekannt und hatte Goldschmidt mit dem Dcihter Klabund bekannt gemacht. „Schulden wie Heu, Stroh im Kopf und nur ein brennendes Herz“, so beschrieb dieser seine damalige Situation. Zudem war er unheilbar an Tuberkulose erkrankt und starb zwei Jahre später daran. Goldschmidt nutzte das Schloss in Zeesen als Sommerresidenz und gab 1926 Klabund und Neher die Möglichkeit, hier vorübergehend zu wohnen. Carola Neher wurde später durch ihre Zusammenarbeit mit Bert Brecht, etwa als Polly in der Dreigroschenoper, bekannt. Rudolf Goldschmidt hätte die Tradition seines Vaters im Schloss Zeesen nach dessen Tod 1934 sicher gerne fortgesetzt. Er war bei Metro Goldwyn Mayer in Berlin aktiv und war nach dem Krieg lange Zeit in der Vorauswahl-Kommission für die Berlinale Filme. Sein Pech war, dass der damals bereits sehr bekannte Schauspieler und Regisseur Gustaf Gründgens auf der Suche nach einem großzügigen Haus war. Überlieferungen zufolge soll seine Mutter Emmy Gründgens auf das Schloss in Zeesen gestoßen sein. Die Verkaufsverhandlungen mit dem jüdischen Eigentümer verliefen wohl sehr ruppig: Assessor Gert Voss, Sohn eines einflussreichen Berliner Notars, trat in SA-Uniform auf und erreichte, dass Gründgens nur den halben Preis bezahlen musste. Nochmals blühte das Leben in Zeesen auf: Gustaf Gründgens und seine Frau Marianne Hoppe führten einen repräsentativen Haushalt. Prominente wie Werner Krauß, Käthe Gold, Theo Lingen, Gustav Knuth oder Paul Bildt fühlten sich hier wohl. Letzterer wohnte ab 1944 hier mit seiner jüdischen Frau, da sie in Berlin ausgebombt waren. Schloss Zeesen war damals sogar Filmkulisse: Teile der Effi Briest Adaption von 1939 „Der Schritt vom Wege“ mit Marianne Hoppe in der Hauptrolle, wurden im Schlosspark gedreht. Heinz Borchert, Ortschronist von Königs Wusterhausen, weiß noch genau, wo die Schaukel gehangen hat, auf der Effi sich entspannte. Gustaf Gründgens erwuchsen aus seinem ambivalenten Verhältnis zu den Nazis wenig Nachteile: Durch Zuspruch von linken Künstlern wie Ernst Busch wurde er nach kurzer Entnazifzierung Anfang 1946 aus dem Internierungslager entlassen. Der Regisseur Gustav von Wangenheim, gerade aus dem Moskauer Exil heimgekehrt, engagierte ihn sofort fürs Deutsche Theater in Berlin. Das Schloss bekam Grüngens zurück, doch das Interesse war erloschen: 1947 wechselt er als Intendant an die Städtischen Bühnen in Düsseldorf, von Marianne Hoppe war der homophile „Mephisto“ 1946 nach zehnjähriger Ehe geschieden worden.
Danach ging es mit dem Schloss immer mehr bergab: „Erst war es Kinderheim, 1971 ging es in den Besitz des DDR-Außenministeriums. Es sollte Schulungszentrum und Erholungsheim sein. Allerdings verschlechterte sich der Bauzustand rapide, so dass ein Abriss und der Neubau eines Kongresszentrums geplant waren. „Nur die Wende verhinderte dies“, weiß Heinz Borchert. Ihn verbinden mit dem Schloss viele persönliche Erinnerungen. Da sein Großvater eine Gaststätte in Zeesen hatte, verbrachte er hier einen wichtigen Teil seiner Jugend. Er erinnert sich daran, als Balljunge für „zehn bis zwanzig Pfennig“ die Tennisbälle auf den beiden Plätzen den Gründgens und ihren Gästen zurückgebracht zu haben oder an die leckeren Stullen, die das Küchenpersonal den Jungs für kleinere Hilfsdienste spendierte.
Das Schloss Zeesen stand bereits von Anfang an unter einem schlechten Stern: Es geht auf ein 1431 erstmalig erwähntes Rittergut zurück, das von Eberhard Freiherr von Danckelmann 1687 zu neuem Glanz geführt wurde. Danckelmann stieg vom Hofmeister des Kurfürsten Friedrich 1695 zum Premierminister und Oberpräsidenten aller Landeskollegien auf, fiel aber 1697 einer Intrige zum Opfer. Das Schloss ging damit in den königlichen Besitz über. In der Nachwendezeit wollte Peter Gorski, Adoptivsohn und Erbe des 1963 während einer Weltreise in Manila verstorbenen Gustaf Gründgens, das Schloss wieder zurückbekommen. Nach langwierigen Prozessen wurde es Dr. Rudolf Goldschmidt zugesprochen. Nach seinem Tod 1999 erwarb sein langjähriger Freund und Geschäftspartner Manfred Wolff die Rechte. Nun hofft die Familie Wolff auf einen Investor, der „Sinn für die Historie dieses Gebäudes hat“ und das baulich sehr marode Haus wieder zu neuem Leben erweckt.
Darüber würde sich Zeesens Ortschronistin Marlis Lorz ebenso freuen wie die Bürger. Die Geschichte des Schlosses haben übrigens Dirk Reimann und Christof Baier vom Verein „Freunde der Schlösser der Mark“, der über das Schloss in Königs Wusterhausen zu erreichen ist, recherchiert.

Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe lebten hier auf großem Fuß.

Zu DDR-Zeiten beherbergte das Schloss ein Kinderheim.

In Zeesen wurden Teile der Effi Briest Adaption „Der Schritt vom Wege“ gedreht, die 1939 in die Kinos kam.

Heinz Borchert (l.) hat viele eigene Erinnerungen an das Schloss. Maximilian Wolff (r.) sucht einen Investor, der das Haus zu neuem Glanz führen möchte.

Zeesens Ortschronistin Marlis Lorz weiß, dass die Terrasse ursprünglich eine breite Freitreppe nach vorne hatte.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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