Bürgermeister Horst Schaumann im Interview

„Wir wollen kein
zweites Sylt werden“

Wie regiert sich ein Ort, in dem die Bewohner im Vergleich zu den Gästen hoffnungslos in der Minderheit sind? Ist die Aufgabenstellung da anders, oder geht es ebenfalls den ganzen Tag um Haushaltsprobleme und Bebauungspläne, wie in den meisten anderen Rathäusern in Deutschland? Das wollten wir vom Binzer Bürgermeister Horst Schaumann wissen.

Wie regiert sich eine Gemeinde, in der die Besucher die Mehrheit haben?
Horst Schaumann: „Binz war schon immer ein Standort für Tourismus, deshalb sind wir auf diese besondere Situation natürlich eingestellt. Nach der Wende haben wir uns das Ziel gesetzt, Binz wieder zu dem Glanz zu führen, den es früher hatte. Ich denke, das ist uns durchaus gelungen. Immerhin haben wir ein zehntel der Übernachtungen von ganz Mecklenburg-Vorpommern.“

Das klingt gut, aber was bedeutet das in Zahlen?
Horst Schaumann: „Wir hatten letztes Jahr 1,9 Millionen Übernachtungen. Dieses Jahr konnten wir bis zum April bereits einen Anstieg um 25 Prozent verzeichnen. Darüber sind wir besonders froh, denn wir versuchen natürlich, gerade in der Vor- und Nachsaison die Auslastung zu erhöhen.“

Die Gäste werden mehr, aber die Infrastruktur scheint da nicht mithalten zu können. Bereits in der Vorsaison sind die Straßen im Ort überlastet.
Horst Schaumann: „Dieses Problem ist uns natürlich durchaus bewusst. Die Straßen können und wollen wir nicht breiter machen, aber wir wollen dafür sorgen, dass es mehr Abstellmöglichkeiten für Autos gibt. Wir haben momentan 3500 Parkplätze und werden in Lauf der nächsten beiden Jahre diese auf 6000 Stellflächen erhöhen.“

Binz gilt aus seiner Geschichte heraus als mondänes Seebad. Sind Sie ein Hochpreis-Ferienort, der nur für bestimmte Touristen erschwinglich ist?
Horst Schaumann: „Wir wollen bestimmt kein zweites Sylt werden, da haben wir uns ganz klar dagegen entschieden. Bei uns finden Sie ein denkbar breites Angebot von preisgünstigen Ferienwohnungen bis zur Suite im Fünf-Sterne-Hotel. Wir wollen, dass sich bei uns jeder wohlfühlen kann!“

Viele Ferien- und Kurorte versuchen gezielt, Senioren als Gäste zu gewinnen. Die haben viel Geld zum Ausgeben, benehmen sich anständig und sind einfach pflegeleichter als Jugendliche beispielsweise. Wie ist das in Binz?
Horst Schaumann: „Ich bin sehr froh darüber, dass wir ein sehr gemischtes Publikum haben. Richtig ist aber, dass sich bei uns Senioren sehr wohl fühlen und darüber freuen wir uns. Richtig ist ebenfalls, dass wir für Jugendliche mit kleinem Portemonnaie zu wenig Übernachtungsmöglichkeiten haben. Wir haben eine Jugendherberge mit etwa 100 Plätzen. 800 Betten könnten es sicher sein. Wir sind dabei, diese Situation zu verbessern.“

Sie haben einen wunderschönen flachen Sandstrand – ideal für Familien. Doch ist für die ein Binz-Urlaub erschwinglich?
Horst Schaumann: „Natürlich, da kann ich nur wieder auf das Angebot an Ferienwohnungen verweisen. Außerdem sind wir dabei, in Prora weitere preisgünstige Möglichkeiten zu schaffen. Wir wollen, dass Binz Urlaubsort für die ganze Familie, für Jung und Alt ist.“

Es gibt kaum eine Gemeinde, die keine Schulden hat. Ist Binz besser dran?
Horst Schaumann: „Sicher haben wir das Glück, weniger mit Kosten für Sozialhilfeempfänger oder ähnliche Aufwendungen zu tun zu haben, die manche Kommunen in die roten Zahlen treibt. Allerdings haben wir außerhalb der Saison ebenfalls eine Arbeitslosenquote von 17 Prozent. Zudem müssen wir einfach viele Investitionen machen, damit die Besucher sich wohlfühlen. Dieses Jahr wird der Kurpark neu angelegt, ebenso die Uferpromenade am Schmachter See. Dazu kommt die Rekonstruktion unseres Stadions. Dennoch haben wir es bisher geschafft, stets einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen und durchzubringen.“

ZUR PERSON
Horst Schaumann, 55, wurde letzten September für sieben Jahre zum Amtsnachfolger von Professor Dieter Reinhardt gewählt, der aus Altersgründen nicht mehr kandidierte. Schaumann ist gelernter Diplom-Wirtschaftsingenieur und kam nach einer Tätigkeit beim Bundesvermögensamt Rostock 1993 ins Binzer Gemeindeamt. Er fungierte als stellvertretender Bürgermeister und Bauamtsleiter. Horst Schaumann ist Ur-Binzer von Geburt an, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder im Alter von 25 und 30 Jahren. In der Freizeit buddelt er in seinem Garten, macht Radtouren und wenn das Wasser mindestens 17 Grad warm ist, dann geht er zur Entspannung jeden Abend in der Ostsee schwimmen. Von seinem Haus aus ist es ja nicht allzuweit zum Strand.

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