Raketen gegen Schiffbrüchige

Mit Raketen gegen Schiffbrüchige – die Binzer wußten schon immer für Schlagzeilen zu sorgen.
Die damalige Lokalzeitung war von diesem Einsatz am Jahresende 1904 sogar hellauf begeistert: „Am 31. Dezember, vormittags gegen 9 1/2 Uhr, lief ein ohne Segel treibendes Schiff in der ProrerWiek auf Strand. Da es wegen zu hoher See nicht möglich war, mit dem Rettungsboot nach dem Fahrzeug zu gelangen, wurde die Rettung mit dem Raketenapparat unternommen. Die erste nach dem ca. 120 Meter vom Strand entfernt liegenden Schiffe abgeschossene Rakete verfehlte ihr Ziel infolge des starken Sturmes; eine zweite Rakete dagegen warf die Leine über das Schiff, so dass die Schiffbrüchigen das Rettungstau einholen und am hinteren Mast befestigen konnten. Hiernach ging die Rettung der aus vier Mann bestehenden Besatzung schnell und ohne Unfall von statten. Das gestrandete Schiff war der deutsche Ewerkahn „Delphin”, Kapitän G.K. Oltmanns, mit Brettern von Memel nach Oldenburg bestimmt.” Neun Jahre vorher, 1895, hatte die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger in Binz ihre Feuertaufe bestanden. Der Strandvogt und Vormann Halliger schrieb in seinem Bericht über einen der ersten Einsätze: „Am 16. October, Vormittags 9 Uhr, wurde mir durch den Fischerknecht Wessel aus Neu-Mukran die Nachricht gebracht, dass ein Schiff in der Nähe von Prora gestrandet sei. Ich rief sofort die Mannschaft unseres Rettungsbootes „Dr. H. A. Schumacher” zusammen und liess 8 Pferde vor den Wagen des Bootes spannen, da die Strandungsstelle ungefähr 1 Stunde von der Station entfernt war und der Weg durch tiefen Sand führte. Nachdem das Boot um 10 1/2 Uhr zu Wasser gebracht worden war, gelang es uns trotz des harten Sturmes und der hohen See, die aus 2 Personen bestehende Besatzung glücklich in das Boot und an Land zu bringen. Das gestrandete Schiff war die deutsche Schaluppe „Marie“ Kapitän Ramm, in Ballast von Istadt nach Bornholm bestimmt.“ Heute engagiert sich die Gesellschaft übrigens immer noch, oftmals unter Einsatz des eigenen Lebens der Helfer, dafür, Menschen aus Seenot zu retten.

Umständliches Baden
Während heute gerade mal zwischen Textil- und FKK-Strand unterschieden wird und nicht einmal dies strikt eingehalten wird, waren die Zeiten vor hundert Jahren noch ganz andere. Nachdem die Gemeindeverwaltung 1904 ein Familienbad eingerichtet hatte, gab es strenge Regeln: „Männer und Frauen begeben sich jeder auf einem verdeckten Steg ins nasse Element und kommen erst dort miteinander zusammen. Verschärfte Vorschriften und geeignetes Badepersonal helfen die Ordnung aufrecht erhalten.”
Auch die Badeordnung selbst war sehr prüde und streng: „Das Baden ist nur in geschlossenen aus undurchsichtigem Stoff hergestellten Badeanzügen gestattet. Einzelnen jungen Herren und Damen ist das Baden im Familienbad nicht gestattet.”
Weiter hieß es: „Das Mitbringen von Ferngläsern und photographischen Apparaten ist untersagt.”

Immer Ärger mit Bürokraten und Wichtigtuern!
Das war schon vor über einhundert Jahren so. Als nun endlich am 22. Juli 1895 die Kleinbahn von Putbus nach Binz eingeweiht wurde, fuhren so viele Honoratioren mit, dass die Jungfernfahrt fast zur Posse wurde. „Außer Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu Putbus nahmen an der Fahrt Theil die Herren Regierungspräsident von Arnim, Landrath von Körber, Rittmeister von der Lancken/ Lanckensburg, Oeconomie-Rath Holz, Geh. Regierungs-Baurath Wellmann, Baurath Mohr, Bauinspector Fuchs, Baumeister Lemke und noch mehrere andere zum Baufach gehörige Herren, sowie die Herren Guts- resp. Ortsvorsteher, deren Terrain von dem Bahngleise berührt wird.“
Weil man nun viele „dienstliche Besprechungen und Erörterungen“ abhielt, brauchte der Zug für die knappen elf
Kilometer anstelle der veranschlagten 30 Minuten über drei Stunden! Unterdessen stand man sich in Binz die Beine in den Bauch. Die eigens bestellte Kapelle hub verschiedene Male an zu spielen, in der Hoffnung, die Bimmelbahn käme nun endlich. Fähnchen schwenkende Kinder
lagen ihren ohnehin schon selbst genervten Eltern in den Ohren. Glücklicherweise gab es trotz der Debatten keine
Beanstandungen, so dass die Bahn als „Rasender Roland“ auch heute noch über die Insel dampft.
Andreas Schönstedt

Zur See hielt man vor hundert Jahren lieber ehrfurchtsvolle Distanz und überliess den Kontakt den Profis auf den Schiffen.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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