KdF-Bad bewahrte Rügen vor Raketen

Fast wäre Rügen Rüstungsstandort geworden! Ausgerechnet im schönen Binz wollten die Raketenbauer des Dritten Reichs ihre Wunderwaffe konstruieren. Dass stattdessen „der Koloss von Prora“ entstand, kann man aus dieser Sicht als Glücksfall bezeichnen. Selbst wenn die Betonbauten dem Eigentümer, der Liegenschaftsverwaltung der Bundesrepublik, betonschwer am Bein hängen. Mitte Dezember 1935 suchte Wernher von Braun einen Ort, um Forschungslabors und Produktionsstätten für seine Raketen-Projekte zu bauen. Damals waren die Nazis gerade zwei Jahre an der Macht, und der Krieg noch in Ferne. Die Wissenschaftler konnten also durchaus glauben machen, im Wettstreit mit anderen an zivilen Projekten für die Raumfahrt zu arbeiten. Geheim sollte es dennoch sein, da wäre eine leicht abschottbare Insellage wie in Prora ideal. Allerdings waren die braunen Urlaubsmanager schneller. Die Deutsche Arbeitsfront, kurz „DAF“, hatte den Küstenstreifen zwischen Neu Mukran und Binz für ein Kraft-durch-Freude-Erholungsheim wenige Tage vor dem Vorstoß der Wissenschaftler beschlagnahmt. Geplant waren jeweils vier Unterkunftshäuser, die sich am Festplatz treffen sollten. Die Schlafräume der Urlauber sollten alle seeseitig sein. Die Zimmerchen waren zwölfeinhalb Quadratmeter „groß”. Gerade genug Platz für zwei Betten, ein Liegesofa sowie Tisch und Stühle. Dazu kam ein Vorraum mit Waschbecken und eingebaute Wandschränke. In Prora sollten im Zehn-Tages-Durchgang jeweils 20000 Urlauber abgefertigt werden. Den zentralen Platz sollte eine Festhalle für 20000 Personen mit einer offenen Säulenhalle zur See hin krönen. 400000 Quadratmeter standen dafür bereit. Daran sollte sich landseitig ein Dreiflügelbau mit Rezeption, Verwaltung, Post und Rundfunkstation anschließen. Tonfilmtheater, Musikpavillon sowie ein 85 Meter hoher Aussichtsturm mit Café für 250 Besucher sowie Schwimm- und Gymnastikhallen waren ebenfalls vorgesehen. Eine Kleinbahn sollte die Urlauber vom Empfang bis zu den maximal 2,2 Kilometer entfernten Unterkünften bringen. Die Kaianlage sollte 500 Meter in die Ostsee ragen. Auftraggeber war Dr. Robert Ley, Chef von DAF und KdF. Die Planung lag in den Händen von Clemens Klotz. Auf der Pariser Weltausstellung 1937 wurde das Modell mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Bereits vorher, am 2. Mai 1936 war Grundsteinlegung. Bis Kriegsausbruch im September 1939 war das Vorhaben rohbaufertig. Die Fertigstellung war für 1941 geplant. Der Baubetrieb wurde wegen des Kriegs reduziert, viele der „Freizeit-Arbeiter“ wurden zur Heeresversuchsanstalt Peenemünde abkommandiert. Dort war das Team um Wernher von Braun mittlerweile gelandet und bastelte an Langstrecken-Waffen. Dr. Jürgen Rostock von der Stiftung Neue Kultur in Prora: „Das KdF-Bad ist neben dem Reichstagsparteigelände in Nürnberg der größte verwirklichte Entwurf der NS-Zeit.“ Näheres erfährt man im Dokumentationszentrum neben dem ehemaligen Theaterbau von April bis Oktober von 10 bis 18 Uhr.

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