Fotoleidenschaft führte
hinter türkische Gefängnismauern

Viel Aufregung gab es in der Welt zum Jahreswechsel, Superlative fand man mehr als genug, das Millennium- und Jahrtausendgerede erreichte schon die Grenze des Erträglichen.

Ein Budenheimer hat fast das ganze letzte Jahrhundert selbst erlebt. Unser Mitarbeiter Dr. Jens Jessen besuchte Willi Kehrmann.

Das Antlitz seiner Geliebten und späteren Ehefrau verewigte Willi Kehrmann für alle Zeiten in Naturstein.

Der wurde 1907 als Sohn eines Mainzer Steinmetzmeisters geboren. Nach der Schule wollte er unbedingt Instrumentenbauer werden, doch während der Lehrzeit mußte er erkennen, daß dieser Beruf doch nichts für ihn war: Eine schwere Bleivergiftung hätte ihm fast in der Blüte seiner Jugend das Lebenslicht ausgeblasen.

"Dann doch lieber Steinmetz", ließ er sich vom Vater belehren. Neben Lehre im väterlichen Betrieb besuchte er aus eigenem Antrieb die Kunstgewerbeschule in Mainz. Als der Vater 1928 starb, übernahm Willi Kehrmann den Betrieb. Erst 1933 pochte man dann wieder auf die Zunftordnung, die einen Meister forderte.

Also holte er 1934 die dafür nötigen Prüfungen nach, wurde Steinbildhauermeister. Kurze Zeit später bestellte man ihn zum Obermeister vom Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk. Die Jahre 1938/39 sollten mit zu den aufregendsten im Leben von Willi Kehrmann werden.

Alles begann damit, daß eine Bauhandwerksschule in Ankara einen Steinmetzmeister als Lehrer suchte und Willi Kehrmann das Angebot, dort zu unterrichten, annahm.

Die ersten Ferien im Januar 1939 nutzte er zu einer Reise nach Istanbul und an den Bosporus. Er war begeistert und als passionierter Fotograf machte er sich auf die Suche nach Motiven. Die fand er auch in Hülle und Fülle. Die Ausbeute an gelungenen fotografischen Studien beseelte ihn.

Die Polizei war von seiner Fotografiersucht allerdings nicht begeistert, war er während seiner Wanderschaft doch in militärisches Sperrgebiet geraten.

Den Skulpturen sieht man die Liebe an, mit der sie geschaffen wurden.

Er wurde festgenommen, ein halbes Jahr später wegen Spionageverdacht angeklagt. Zwölf Wochen brachte er, bis Oktober 1939, in einem Istanbuler Gefängnis zu. Seine Schule hielt die ganze Zeit zu ihm. Nach langen acht Verhandlungstagen gab es dann den ersehnten Freispruch.

1940 kehrte Willi Kehrmann kurz nach Mainz zurück, um seine Jugendliebe zu heiraten. Bis 1943 blieben die beiden noch in Ankara. Nach der Rückkehr nach Deutschland siedelte sich die Familie in Budenheim an.

Noch im gleichen Jahr wurde Willi Kehrmann zur Wehrmacht eingezogen. Zunächst kamen ihm seine türkischen Sprachkenntnisse zugute, er wurde vom Wehrdienst freigestellt und kam zur Spionageabwehr.

Die Amerikaner nahmen ihn 1945 in Internierungshaft. 1946 war auch für ihn der Krieg vorbei. Er kehrte in seinen Mainzer Betrieb zurück.

Dieser Elefant entstand für eine Ausstellung.

Als ihn die Steinmetze wieder zu ihrem Obermeister bestellen wollten, lehnte Willi Kehrmann ab. In den Gremien der Handwerkskammer aber tat er jahrzehntelang seine Pflicht. Dreißig Jahre lang war er der Vorsitzende der Meisterprüfungskommission.

Sein Haus in der Budenheimer Philipp Försch Straße 22 baute er 1951 und bewohnt es heute noch. Viele Spuren in Stein hat Willi Kehrmann hinterlassen und so mancher Budenheimer hat seine Taufe an dem Taufstein in der evangelischen Kirche erhalten, den Willi Kehrmann geschaffen hat.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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