Äpfel mit echten Maden

Stolze 80 Einwohner, fünf Teiche und kein Durchgangsverkehr weil nur mit einer Stichstraße erreichbar, so schilderte die Ortsvorsteherin von Werder in der letzten „Bürger- und Besucher-Information Jüterbog“ vor einem Jahr ihr Dorf. In jedem der kommenden jährlichen Hefte unserer Verlagsreihe werden wir einen der Ortsteile näher beleuchten. Wir beginnen diesmal mit dem kleinsten, nämlich Werder. Reporterin Carmen Krickau besuchte Elisabeth Jäger, 64, parteilos.
Sie sind zu beneiden: Einem so schönen, herausgeputzten Dorf vorzustehen, muss die blanke Freude sein, oder?
Elisabeth Jäger: Das Dorf ist gepflegt, weil jeder vor seiner Haustüre für Ordnung sorgt und sich verantwortlich fühlt. Da wächst das Gras nicht bis sonstwo, da wuchert kein Unkraut übern Zaun. Während rund um uns überall gebaut wird, konnten wir unsere ursprüngliche Anlage als Angerdorf erhalten. Von unseren 35 Häusern, sehen die meisten mittlerweile richtig schnuckelig aus. Acht Häuser haben die für Werder typischen roten Giebel. Dann stehen hier unheimlich viel Obstbäume – Äpfel, Birnen und Pflaumen hauptsächlich. Selbst Besucher aus Berlin haben schon festgestellt, dass unsere Äpfel mit echten Maden besser schmecken als die aus dem Supermarkt.
Und was ist die Kehrseite der Medaille?
Elisabeth Jäger: Dass Sie nie fertig werden und ständig irgendwas klären müssen. Mit der neuen Skaterbahn zum Beispiel, die auch durch unser Dorf geht. Da redet man mit dem Bauleiter, mit den Zuständigen in der Stadt Jüterbog, zu der wir ja gehören, da fragen die Leute im Dorf nach dem neuesten Stand, da müssen Absprachen aller Art getroffen werden. Ach, da rotiere ich rund um die Uhr. Wobei, so richtig negativ ist das nicht. Denn Werder hat ja auch ‘ne Menge davon, wenn sich die Skater und Radfahrer hierher verirren. Na ja, und falls mit dem ambulanten Handel was nicht klappt, dann krieg ich die Beschwerden. Die Leute sind es gewöhnt, daß drei Mal in der Woche der Bäcker, zwei Mal der Fleischer, ein Mal der Gemüsemann und ein Mal Gemischtwaren vorbeikommen. Jedenfalls bin ich froh, dass es Telefon gibt.
Stellen Sie uns Ihre Gemeinde doch bitte noch ein bisschen näher vor.
Mit dem größten Vergnügen. Zur Zeit sind wir in Werder 78 Einwohner. 52 davon sind nicht mehr berufstätig. Kinder haben wir nur größere. Also im Alter von sechs bis 14 Jahren sind es 14. Dreieinhalb Häuser sind nicht in Privatbesitz und zur Zeit auch unbewohnt, drei davon stehen zum Verkauf. Auch das sogenannte KWV-Haus ist nur zur Hälfte vermietet. Die meisten Häuser wurden zwischen 1870 und 1880 neu gebaut und ersetzten die Lehmhäuser.
Das klingt so, als gäbe es in Werder für die Zukunft nichts mehr zu tun.
Elisabeth Jäger: Na der Grund ist drin, wie man so schön sagt. Aber die Skaterbahn wird uns weiter auf Trab halten und ne Menge Leute hierher bringen.Da müssen wir sicher über Parkmöglichkeiten für die Autos nachdenken, über nett gestalteteRuheplätze für die Erholungsuchenden und ähnliches. Das bringt für eine noch nicht feststehende Anzahl von Leuten eine Beschäftigung, leider wahrscheinlich wieder nur als ABM. Über diese Probleme reden wir Ortsvorsteher der betroffenden Gemeinden permanent. Wir telefonieren und sehen uns regelmäßig, damit uns nichts durch die Lappen geht. Und im Dorf fallen ständig Reparaturen an. o müssen die Straßenlaternen immer wieder repariert werden, und das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr hat eine Schönheitskur nötig.
Wird im Dorf auch gefeiert?
Elisabeth Jäger: Na aber – und wie! Für unser Entedankfest sind wir fast schon berühmt. Das feiern die Zisterzienser-Dörfer Grüna, Neuhof und Werder Anfang Oktober immer gemeinsam in Grüna. Wir ziehen unsere dorftypischen Trachten an und dann geht es ab ins Getümmel. 11 Uhr ist Gottesdienst, Mittagessen gibt es in der ausgebauten Grünaer Scheune. Danach stehen Umzug und Gaudi auf dem Programm. Gaudi heißt Hahnenwettkrähen oder Strohballenschätzen oder irgend so ein Spaß. Das lässt sich keiner der Orstvorsteher entgehen. Und in Werder selber sind der 8. März für die Frauentagsfeier, die erste Augustwoche fürs Dorffest mit selbstgebackenem Kuchen und anderen Leckereien sowie die erste Dezemberwoche für die Weihnachtsfeier feste Termine im Feierkalender. Das ist ‘ne ganze Menge für so ein kleines Dorf wie Werder. Auch wenn wir seit 1998 zur Stadt Jüterbog gehören und von dort verwaltet werden.

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