Rundgang durchs Klosterareal

Gottesdienst ohne Publikum

Beschaulich und dennoch imposant, so steht sie heute da: Die Klosterkirche, unstreitig das Wahrzeichen der Lehniner Region. Wer könnte sich noch vorstellen, was darin einstmals für ein Gedrängel herrschte?„Das Kloster beherbergte bis zu 60 Mönche. Jeder musste jeden Tag eine Messe lesen. Dafür benötigte man in der Klosterkirche eine ganze Reihe von Kapellen. So kam man auf die Idee, die Kapellen übereinander aufzustapeln.“ Das ist eine der vielen Besonderheiten, auf die Stefan Beier vom Stift Kloster Lehnin hinweist. „Diese Konstruktion findet sich außer in Lehnin nur im Tochterkloster in Chorin.“ Doch eines nach dem anderen. Schließlich wollen wir eine Rundgang durch das Klostergelände machen. Zuvor gilt es die Geschichte in Kurzform kennenzulernen. „Das Kloster entstand im 13. Jahrhundert und war das länderreichste der Mark Brandenburg. Es wurde 1542 im Zuge der Reformation von Kurfürst Joachim II. aufgelöst. Zur Verwaltung der Gebäude wurde das Domänenamt Lehnin gegründet. Damals begann allmählich ein Ort zu entstehen, das heutige Lehnin. Die Klostergebäude zerfielen oder wurden als Steinbruch genutzt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts kam es zum teilweisen Wiederaufbau. Seit 1911 ist das Gelände im Besitz der evangelischen Landeskirche und beherbergt ein Mutterhaus der Diakonissen“, erläutert Stefan Beier. Und so kommt es, dass das auffallende Gebäude linker Hand, auf das wir, von der Klosterstraße kommend, als erstes aufmerksam werden, nur gut hundert Jahre alt ist. Es stammt vom Schinkel-Schüler Ludwig Persius und besticht durch die repräsentative Backstein-Fassade. „Der Giebel ist ein Zitat ans Kloster Chorin“, so Beier. Heute befindet sich darin die Superintendentur des Kirchenkreises Lehnin-Belzig. Hinter dem Gebäude links führt ein kleiner Weg am Hospiz vorbei. Vor uns eröffnet sich eine Wand mit Fenster und bietet einen romantischen Blick auf viel Grün dahinter. „Dies ist der letzte Rest vom früheren Jagdschloss des Großen Kurfürsten, zu dem er Teile des Klosters umbauen liess. Hier soll sich Luise Henriette, seine erste Ehefrau und Gründerin von Oranienburg, sehr gerne aufgehalten haben“, so Stefan Beier. Hinter der Ruine sieht man eine Wiese, darunter Sonnenblumenfelder, die Klostermauer… „Wir würden gerne wieder die historischen Karpfenteiche beleben. Allerdings können wir das momentan aus Personalmangel nicht machen“, unterbricht Stefan Beier den romantischen Moment. Personalprobleme hat das Stift allenthalben: Die Diakonissen, die, sofern sie nicht im Ruhestand sind, immer noch im Krankenhaus aktiv sind, haben die Hoffnung auf Nachwuchs schon ziemlich aufgegeben. Gerade noch elf Schwestern sind aktiv, im Alter zwischen 40 und 90 Jahren. Übrigens ist das Stift mit seinen 350 Mitarbeitern größter Arbeitgeber der Region. Der Weg führt wieder Richtung Kirche. „Normalerweise ist der Haupteingang von Kirchen an der Westseite, wo wir jetzt sind. Für die Mönche war der Zugang direkt von der Klausur entscheidend.“ Durch einen romantischen Torbogen gehen wir um die Kirche herum. Links, außerhalb des Klostergeländes, zeigt sich der moderne Krankenhaus-Neubau. 139 Betten stehen hier für die Abteilungen Innere Medizin und Geriatrie zur Verfügung. Rechts sehen wir das frühere Abtshaus. „Darin ist unsere Krankenpflegeschule. Die gibt es nun im zweiten Jahr. Pro Kurs werden 20 Schüler ausgebildet“, berichtet Beier weiter. Das frühere Brauhaus, das letzte Haus des Gebäudekomplexes auf der rechten Seite, hat seine Funktion wohl beibehalten. Jedenfalls genießen dort Rettungssanitäter ihre Pause mit Zigarette und Getränken. Interessant ist die Giebelseite, die Reste des ursprünglichen Baus aus dem 13. Jahrhundert zeigt. Links ist das frühere Amtshaus. Darin residierte nach der Auflösung des Klosters 1542 der Domänenhauptmann, eine Art Gutsverwalter. Dann war das Diakonissen-Mutterhaus und später die Frauenklinik darin untergebracht. Jetzt wird es zur Krankenpflegeschule umgebaut. Gegenüber liegt der Kornspeicher. Er stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und gehört damit zu den wenigen wirklich alten Gebäuden, die Zerfall und spätere Bauwut überstanden haben. Und schon zeigt sich links die Torkapelle und das frühere Eingangstor. „Ins Innere der Anlage durften nur die Mönche. Die Torkapelle diente dazu, dass man Pilger und Reisende dennoch empfangen konnte“, klärt mich Stefan Beier über die Funktion des Mini-Kirchleins auf. Wir machen kehrt, biegen beim Kornspeicher links ab und gehen endlich in die Marienkirche. Dort empfängt uns Schwester Gilda, die immer noch entsetzt von der spätsommerlichen Mückenplage ist: „Als ich die Kirche aufschloss, war es ganz schwarz um mich, soviel Mücken!“ Die Klosterkirche lässt erkennen, dass sie in den Gründerjahren nach damaligem Zeitgeschmack aufgebaut wurde. Rechts vom Altarraum sehen wir die eingangs erwähnten aufeinandergestapelten Kapellen. Lange Zeit war die Kirche übrigens mit einer Mauer zweigeteilt: Weil sich die calvinistischen Neusiedler aus der Schweiz und die lutherischen Lehniner nicht auf einen gemeinsamen Gottesdienst einigen konnten. An der rechten Kirchen-Außenwand ist eine große Holztür: Die führte in das Dormitorium, damit die Mönche ohne weitere Umwege direkt von dem Schlafsaal in die Kirche kommen konnten. Der war in dem lange Gebäude, das sich an die Kirche anschließt, untergebracht. Darin hat nun die Verwaltung ihren Sitz – wir sind am Anfangs- und Endpunkt unseres Rundgangs.

Stefan Beier freut sich über das neue Klinik-Gebäude.

Schwester Gilda verweist auf die gestapelten Kapellen.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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