Interessanten Geschichten aus der Geschichte auf der Spur

Weit und breit kein Napoleon

Der Alte Krug hieß im Volksmund „Napoleon“. Doch Vera Gärtner hat herausgefunden, dass der große Franzose nie hier weilte.

Brunnenmädchen Vera Gärtner: Der Nachbau erinnert an den alten Holzbrunnen der vom ursprünglichen Damsdorf blieb.

Stolze 250 Jahre Schankjubiläum kann der „Alte Krug“, im Volksmund „Napoleon“ genannt, feiern. Ein tolles Jubiläum,
allerdings mit einem Makel behaftet: Den über die Jahrhunderte geliebten Beinamen muss die Gaststätte im ältesten Haus von Ludwigsfelde wohl abgeben.
Schuld daran haben ausgerechnet echte Ludwigsfelde-Fans. Die Rede ist vom Geschichtsverein mit Vera Gärtner an der Spitze: „Ich bin mit meinen Eltern nach Ludwigsfelde gekommen, als ich vier Jahre alt war. Hier bin ich aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe bis zu meiner Pensionierung als Lehrerin die Kinder unterrichtet. Mit unserem Verein wollen wir beweisen, dass Ludwigsfelde keine geschichtslose Stadt ist.“
Und so sind die Mitglieder des Geschichtsvereins der Historie in unermüdlicher Kleinarbeit auf den Fersen.
Natürlich interessierte sie besonders der Alte Krug als das älteste Haus am Ort.
Angeblich soll darin Napoleon vor der Schlacht bei Wietstock geschlafen haben. Sogar die Linden am Straßenrand sollen von ihm initiiert worden sein, „damit seine Grenadiere im Schatten laufen können“.
Vera Gärtner kennt nun die Tatsachen: „Napoleon war
damals gar nicht in unserer Region.“ Und was ist dann mit den alten Gewehren und dem Säbel, die der Großcousin der Wirtin Ingrid Becker 1962 per Zufall auf dem Dachboden des Alten Krugs hervorgekramt hatte? „Sie wurden sofort von der Gemeinde ohne Protokoll beschlagnahmt und sind seither verschwunden. Meine Mutter war damals so außer sich, dass sie den Napoleonstisch, also die lange Tafel, aus Wut zerhackte“, erinnert sich Ingrid Becker im Gespräch mit Vera Gärtner. Der Geschichtsforscherin gelang es, ein Foto dieser Waffen ausfindig zu machen. Der damalige stellvertretende Bürgermeister Henry Tober hatte veranlasst, dass Paul Lamprecht den Fund mit der Kamera dokumentierte. Das Negativ befand sich in der Sammlung von Hermann Reich, dessen Witwe es nun Vera Gärtner übereignete.
Anhand der Fotos sollten sich Museumsfachleute zur Herkunft der Waffen erklären. Das Ergebnis war niederschmetternd: „Alle Gutachter stellten fest, dass die Waffen erst nach der Schlacht von Wietstock hergestellt worden waren und deshalb nichts mit Napoleon zu tun hatten!“
Erfreulicher ist da schon die Geschichte, die sich um die repräsentative Jugendstilvilla schräg gegenüber vom Alten Krug rankt: „Das war das Hochzeitsgeschenk, das der erfolgreiche Maurer Friedrich Loth aus Wietstock seiner Tochter Minna machte.“ Noch heute ist das Gebäude, liebevoll gepflegt, in Familienhand. Das Rätsel um Ludwigsfeldes Frühgeschichte konnte Vera Gärtner noch nicht lösen. Sie führt gerne zu dem Brunnen, der als Nachbau an den historischen Fund im alten Damsdorf erinnert. „Dort liegen die Ursprünge von Ludwigsfelde. Es war ursprünglich ein blühendes Dorf. Funde haben ergeben, dass hier bereits um 1239 und nicht 1375, wie ursprünglich angenommen, Menschen wohnten. Warum die sich dann einfach verkrümelten und 1479 einen leeren Flecken zurückließen, das würde ich gerne wissen!“

Das schöne Jugendstilhaus war ein Hochzeitsgeschenk.

Diese Türe führt – in kein Haus. Vera Gärtner erinnert sich, als Kind hier oft die Bahn überquert zu haben und würde heute gerne mal hinter die Türe spitzeln.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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