24 Stunden mit Zootieren auf Du und Du

Tiere haben es in der Bodestadt überaus gut: Da kümmert sich die Stadtverwaltung ums tägliche Menü, sorgt für ein nettes Zuhause, für liebevolle Pflege. Doch wehe, wenn die Nacht über die Häuser der Stadt hereinbricht: Dann beginnt in manchen Gehegen das große Zittern: Denn nicht jeder Bürger der Stadt ist ein Tierfreund!„Leider kommt es in unserem Tiergehege Wiesenpark immer wieder zu Vorfällen. Der schlimmste war, als Mitte der Neunziger ein Schwein mit einer Mistgabel getötet wurde. Ein andermal fanden wir Vögel, denen man den Hals abgedreht hatte, dann fehlte ein wertvoller Papagei“, erinnert sich Angelika Hilliger, die als Leiterin der Kulturabteilung in der Stadtverwaltung für die etwa 250 Tiere, und über 100 Vögel im Wiesenpark zuständig ist. Jetzt soll das einzige offene Gehege in Sachsen-Anhalt eingezäunt und nachts verschlossen werden. „Gegen unsachgemäße Fütterung durch Besucher hilft das wenig. Dadurch kamen bereits Strauße, ein Pony und Rotwild zu Tode“, bedauert Gerd Willhausen. Er ist mit zwei Helfern vor Ort für das Wohl der „Gäste“ zuständig. „Als ich 1980 hier anfing, stand vom Tiergehege nur die Voliere. Aber fragen Sie nicht nach ihrem Zustand! Bloß gut, daß ich als gelernter Karosseriebauer in der LPG handwerklich geschult bin.“ Man glaubt es kaum, aber fast alles, was während der letzten 20 Jahre das Tiergehege bereicherte, entstand in Handarbeit unter Federführung des heute 49-Jährigen. „Nur beim Pferdestall brauchte ich fremde Hilfe.“ An die hundert Vögel „von der Meise bis zum Papagei“, Säugetiere vom Meerschweinchen über Ponys und Rotwild bis zu Yaks und Vertreter exotischer Rassen wie Strauße und Lamas wollen täglich betreut und gefüttert werden. Ein Doppelzentner Getreide, eine halbe Tonne Grünfutter, Obst, Nüsse und andere Leckereien stehen täglich auf dem Speiseplan und wollen liebevoll präsentiert werden. Für Abwechslung auf der Menükarte sorgen örtliche Lebensmittelbetriebe: „Dort können wir kostenlos abholen, was nicht verkauft wurde, das hilft uns sehr!“ Schließlich sind die Papageien Rocco und Rocci ihre tägliche Nussration gewöhnt und die Wellensittiche werden stinkesauer, wenn sie nicht zu jeder Jahreszeit ihre Lieblings-Apfelsinen bekommen. An einen Acht-Stunden-Tag nach Tarifvertrag und Gewerkschaftsvorstellungen ist dabei für Oscherslebens Tier-Papa trotz städtischer Bestallung kaum zu denken: „Wir pflegen die Tiere, wir füttern sie, besorgen das Futter, erledigen alle anfallenden Reparaturarbeiten, fahren mit Kindergartenkindern, Schulklassen oder Rentnergruppen mit der Ponykutsche durch den Park, da ist man rund um die Uhr in Aktion. Dienst nach Vorschrift, das gibt’s bei uns nicht!“ Sagt der vierfache Vater und dreifache Opa, und ist dabei nicht traurig: „Es ist ja mein Traumberuf, mit den Tieren auf Du und Du zu sein“. Ehefrau Sabine allerdings war nicht immer so begeistert: „Wer will schon einen Ehemann im Bett, der immer nach einer anderen riecht...“ Auch in der Freizeit geht es um Tiere – Gerd Willhausen ist begeisterter Angler. „Nur essen tue ich Fisch nicht. Es sei denn, ich befreie ihn damit aus der Büchse!“ Carmen Krickau

Ein Hirsch aus Rostock
An der Küste wussten die wohl nicht so recht wohin, mit ihrem Hirsch, und so wurde der kurzerhand nach Oschersleben verfrachtet. Dort war man nämlich 1934 auf den Dreh gekommen, dass der 1908 für damals 8700 Mark angelegte Stadtpark ein bisschen Leben gebrauchen könnte. Nur Bäume und Blumen war auf die Dauer wohl zu langweilig. Dann kam 1942 noch ein Hirsch dazu. Die Alliierten zeigten Verständnis und platzierten ihre Bombenladungen woanders. Ende der siebziger Jahre wurde der Tierbestand dann so richtig vergrößert. 1979 entstand das Wirtschaftsgebäude, ein Fertigteilbungalow. Von 1981 bis 1988 baute Gerd Willhausen, noch heute Tierpfleger in der Anlage, zahlreiche Stallungen und Unterstände. Seit 1985 fühlt sich eine Lamafamilie dort zu Hause. Hinzu gesellen sich unter anderem Zwerg- und Bergziegen, Heidschnucken, Kamerunschafe, Wildschweine, Hausziegen, Esel, Mufflon, Rot- und Damwild, Strauße, Yak-Hochlandrinder, Ponys, Pfauen, Meerschweinchen, Hängebauchschweine, Stachelschweine und viele viele Vögelchen. Die lieben dort offenbar das vögeln so sehr, dass man aufgrund rapide steigender Nachwuchszahlen mittlerweile mit dem Zählen aufgehört hat. Für den Erhalt und die Pflege des Geheges gibt die Stadt übrigens jährlich 118000 Euro aus.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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