80 Jahre Rundfunkgeschichte zum Bestaunen

Vom Superhet zum Colani-Fernseher

Ein geheimnisvolles rotes Buch, das sich in einem Schrank der alten Fabrik fand, war der Auslöser. Jetzt haben wir in Staßfurt ein ziemlich einzigartiges, im Aufbau befindliches, Museum das eine wichtige Entwicklung der Rundfunkgeschichte präsentiert. „Als ich dieses Buch in den Händen hielt, wurde mir plötzlich bewusst: Unsere Geschichte muss erhalten werden“, durchfuhr es damals Hartmut Maßel. In dem mysteriösen Band war liebevoll die Geschichte des Staßfurter Rundfunkwerks vom Beginn bis in die frühen sechziger Jahre zusammengetragen. Und zwar ausschließlich in Fotografien! Dieser Schatz bildet nun ein wertvolles Stück des mittlerweile über 150 Geräte umfassenden Museums, das die „Feunde der Staßfurter Rundfunk und Fernsehtechnik e.V.“ seit Gründung im Jahr 2000 zusammengetragen haben. „Das meiste haben wir aus Spenden von Bürgern erhalten“, berichtet Maßel, der Technischer Leiter im RFT-Werk war und jetzt für die TLG das ehemalige Betriebsgelände verwerten soll. 2003 könnte das Rundfunkwerk den 80. Geburtstag feiern. Denn 1923 wurde in Staßfurt mit der Produktion begonnen. Der Ursprung war eine Liebhaberei von Wolf Steindorff. Der Sohn des Direktors der „Staßfurter Licht- und Kraftwerke AG“ hatte sich 1920 ein Radio-Versuchslabor eingerichtet. Schlagzeilen machte der damalige Betriebsteil des örtlichen Energieversorgers bereits vier Jahre nach Produktionsaufnahme mit einem serienreifen Superhet. Dessen Technik ermöglichte erstmals eine saubere Signaltrennung. Das war die eigentliche Geburtsstunde des Rundfunks, und alle Seriengeräte kamen aus Staßfurt! 1931 wurde schließlich die „Staßfurter Rundfunk-Gesellschaft“ als eigenständiges Unternehmen im Besitz der Continental- Gas- Gesellschaft Dessau gegründet. Der Markenname „Imperial“ war lange Zeit gleichbedeutend mit Rundfunk. Offenbar war das Metier so faszinierend, dass sich die Creme der deutschen Techniker in Staßfurt versammelte. Nur so ist es erklärlich, dass die Nazis hier die Steuerungstechnik für ihre Langstreckenraketen, die sogenannten V-Waffen, entwickeln ließen. Das wurde den Alliierten allerdings erst nach Kriegsende bewusst. Staßfurt entging so dem Bombenhagel. Mit 157 Personen wurde Ende 1945 wieder die Radioproduktion aufgenommen. Die Vorkriegsgeräte wurden weiterentwickelt. Schließlich kamen Musiktruhen mit integriertem Plattenspieler oder mit Tonbandgerät aus Staßfurt. Bereits 1957 wurden die ersten Fernsehgeräte gebaut. „Iris 12, „Patriot“ und „Brockenblick“ luden zum Blick in die Welt der bewegten Bilder. 1964 lief das einmillionste Gerät vom Band Ab 1965 war Staßfurt Alleinhersteller für Fernsehgeräte in der DDR. 1969 sorgte man mit dem ersten volltransistorisierten Farbfernsehgerät europaweit für Schlagzeilen. Neben DDR-Bürgern genossen viele Westdeutsche die Innovationen aus Staßfurt: Diverse Privileg-Fernseher von Quelle kamen von hier, ebenso Geräte mit dem Aufkleber Bruhns.
Mit dem Colani-TV setzte das Unternehmen 1993 einen letzten Höhepunkt, bevor es 1996 abgewickelt wurde. Diese spannende Geschichte lässt sich nun an vielen Geräten im ehemaligen Entwicklungstrakt im alten Verwaltungsgebäude nachvollziehen. Interessenten melden sich im TLG-Büro im Erdgeschoss bei Hartmut Maßel. Sein Verein zählt mittlerweile übrigens an die 70 Mitglieder und ist damit einer der größten Vereine in Staßfurt!
Info: Tel. 0 33 29/27 93 11

Mittlerweile umfasst die Sammlung über 150 Geräte.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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