Die Krone der Stadt

Zu verfehlen ist sie nicht, die Kreisstadt Wernigerode. Einerseits ist sie verkehrstechnisch recht gut angebunden. Andererseits ist es das Schloß, für das Wernigerode weithin bekannt ist und das über der Stadt auf dem Agnesberg wie eine Krone thront. Die verspielte Silhouette erinnert an ein Märchenschloß. In Teilen ist das Gebäude seit 1930 der Öffentlichkeit zugänglich.

Vom Parkplatz unten in der Stadt, direkt an der B6 fährt eine der heute in den Touristenzentren üblichen Bähnchen, eine dieser als bunte Lok verkleideten Geländewagen mit Hänger dran. Da ich diese Gefährte nicht mag, sie zudem als Geldschneiderei betrachte, sechs Mark zahlt der Erwachsene, und Bewegung tut schließlich gut, machte ich mich also zu Fuß auf den Weg.

Gleich vorweg, meine Wanderung hatte Auswirkungen, auch auf meine Einstellung zu dem „Bähnchen“, zumindest im konkreten Fall. Es geht nämlich ganz schön steil hinauf. Füße, Herz und Lunge sollten schon noch gut mitspielen, erst recht, wenn man im Wanderschritt losmarschiert.

Benutzt man die Lindenallee, kommt man am ehemaligen barocken Lustgarten von 1713 und der Orangerie vorbei. Vorbild waren die Anlagen in Versailles, ein bißchen französisch mußte damals schließlich alles sein. Mit der Geschmacksänderung des 18. Jahrhunderts kam die Umgestaltung zum englischen Landschaftspark. In unsere Zeit überdauert haben davon noch zahlreiche Gehölze, die sonst bei uns nicht heimisch sind. In der barocken Orangerie befinden sich heute übrigens Teile des Landesarchivs.

Am Schloß angekommen wundert man sich über den Kontrast von verspielten Elementen wie Türmchen und Erkern und den schlichten Linien, die aus der Zeit der Burg mit Fallgitter und hohen Mauern herübergerettet wurden.

Jede Epoche hat hier Spuren hinterlassen. Von der Romanik im Untergeschoß über Spätgotik und Barock bis zur gestalterischen Gesamtlösung des Architekten Karl Frühling, der in gräflichem Auftrag für den Umbau des Schlosses zwischen 1862 bis 1883 zu seiner heutigen Form verantwortlich zeichnete, reicht der Bogen.

Im Inneren erwartet den Besucher ein Zeitsprung in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals nutzten Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode und seine Familie das Gebäude als Wohnsitz. Der Hausherr war Vizekanzler unter Bismarck und ist 1890 sogar in den Fürstenstand erhoben worden.

Ihren besonderen Reiz erhalten die beiden Rundgänge durch das Schloß vor allem durch die zahlreichen original erhaltenen Zimmer und Säle einschließlich des Mobilars. „Renner“ ist natürlich der Festsaal mit der prunkvoll gedeckten Festtafel. An der saßen schon die Kaiser Wilhelm I. und II. Aber auch die privaten Arbeits- und Wohnräume des Fürstenpaares beeindrucken durch die geschmackvolle Ausstattung.

Vollends verblüfft war ich allerdings, dass man speziell gewebte Seidentapeten, mit den Initialen der Fürsten versehen, für Restaurierungszwecke beschafft. So erhielt das Fürstliche Schlafzimmer 1999 für sechzigtausend Mark eine Sonderanfertigung aus dem vogtländischen Oelsnitz. Zwei Mittelklassewagen an der Wand! Ein bißchen ins Grübeln kommt man da schon. Die gelungene Kombination von Architektur und Innenausstattung, die zudem noch harmonisch in die Landschaft passt, ist Anziehungspunkt für tausende Touristen.

Hier kann man zugleich zu bleibenden Erinnerungen fürs Leben oder zumindest für längere Zeit kommen. Denn die Schloßkapelle öffnet ihre Tore gerne für Ehetrauungen – wer könnte schon sagen, er hätte das Eheglück in fürstlichen Räumen erlangt?

Öffnungszeiten

Mai bis Oktober täglich 10-18 Uhr

November bis April Di.-Fr. 10-16 Uhr, Mo. geschlossen,
Sa., So., Feiertage 10-18 Uhr

Veranstaltungen im Schloß

5. April bis 17. Juni 2001 Max Liebermann

5. Juli bis 23. September 2001 Eugen van Mieghem.
Ein flämischer Maler an der Wende zum 20. Jahrhundert

11. Oktober bis 3. Februar 2002 Königin Luise von Preußen. Ihr Bildnis in der Geschichte

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


Impressum | Datenschutz