Klassik aus dem Pferdestall

Bücher statt Kanonen, dieser Traum wurde in Wünsdorf Wirklichkeit. Wo von den kaiserlichen Truppen über die Wehrmacht bis zur Sowjetarmee über hundert Jahre kommandiert wurde, soll nun der Geist in Bewegung kommen!
Reporter Andreas Schönstedt macht sich auf ins ehemalige Stammmlager. Er traf dort auf den diplomierten Philosophen Dietmar Bocksch, 46, dem Marketing-Chef der Bücherstadt Tourismus GmbH.

Was verbrigt sich denn nun hinter der Bücherstadt?
Dietmar Bocksch: Das Konzept stammt aus den sechziger Jahren aus Süd-Wales. Die kleine Stadt Hay on Wye war mit der Schließung ihres Stahlwerkes so ziemlich zum Untergang verurteilt. Da kam dem Buchhändler Richard Booth die Idee von der Bücherstadt. Er mietete als erstes das verlassene Kino, verkaufte dort seine Bücher und machte so einen Wirbel darum, dass die Leute selbst aus entfernten Regionen zu ihm kamen. Später wurden es dann mehr und mehr Antiquariate. Darum herum entwickelte sich ein reges Leben mit Gastronomie und Beherbergungsgewerbe, und entsprechenden Arbeitsplätzen. An diese Erfahrung wollen wir hier in Wünsdorf anknüpfen.
Also ein paar Buchhändler ansiedeln und der Erfolg kommt von allein?
Dietmar Bocksch: Das Konzept beinhaltet noch viel mehr. So kann nicht jede Gemeinde einfach Bücherstadt werden. Dazu gehören neben der Nähe zu einer Großstadt günstige Bodenpreise und Raummieten. Außerdem muß alles fußläufig erreichbar sein. Zusätzliche Veranstaltungen sollen die Attraktivität erhöhen. Jede Bücherstadt hat außerdem ihr eigenes Konzept. Bei uns sind es eben die Militärgeschichte und die Bunkeranlagen, die zusätzlich vermarktet werden.
Es gibt also noch mehr Bücherstädte?
Dietmar Bocksch: Ja, insgesamt gibt es über zwanzig weltweit. So in Belgien, den Niederlanden, den USA, Finnland und sogar in Malaysia. In Deutschland gibt es noch zwei: In Mühlbeck-Fredersdorf, Sachsen-Anhalt und in Lengenfeld, Bayern. Reihum werden in den Bücherstädten Internationale Buchfestivals abgehalten. Nächsten Sommer ist Finnland dran.
Wer verbirgt sich hinter der Bücherstadt Tourismus GmbH?
Dietmar Bocksch: Die Gesellschafter des Unternehmens sind vor allem die Investoren und Bauträger, die an der Gestaltung des Areals beteiligt sind und einige der ansässigen Antiquariate. Wir sind zuständig für die Vermarktung des Standortes und eben der Bücherstadt. Unser Ziel ist es, dass irgendwann die Buchhändler und Antiquariate hier Schlange stehen, um präsent sein zu dürfen.
Was, außer Ihrem Konzept, vermarkten Sie hier?
Dietmar Bocksch: Derzeit haben wir vier Häuser in denen 17 Antiquariate ihre Bücher anbieten. Dazu kommt noch unser Café, ein zweites soll demnächst in der ehemaligen Kommandantenvilla eröffnen und mit dem 15. September kam noch eine Galerie dazu. Zu dem ganzen Komplex gehören weiterhin die Bunkeranlagen Maybach I und der Nachrichtenbunker Zeppelin. Wir fühlen uns außerdem für das Motorradmuseum und das neue Garnisonsmuseum zuständig.
Welche Veranstaltungen führen Sie hier durch?
Dietmar Bocksch: Tradition ist mittlerweile der Konzertsommer. Vorwiegend Klassik aber auch Chor und Instrumental wird hier geboten. Dabei haben wir festgestellt, dass der ehemalige, aus der Kaiserzeit stammende Pferdestall eine hervorragenden Akustik besitzt. Ab diesem Herbst wollen wir auch eine Talkreihe ins Leben rufen. Hier sollen Personen aus Politik und Kultur ihre Projekte vorstellen und öffentlich diskutieren. Als erste Gäste haben wir Peter Sodann, den Tatortkomissar, der die Hallenser Gewerkschaftsbibliothek gerettet hat und den Kabarettisten und Journalisten Ernst Röhl, den einige sicher vom „Eulenspiegel“ kennen, gewonnen. Selbstverständlich bieten wir weiterhin Führungen durch die Bunkeranlagen an. Es gibt also eine ganze Menge zu entdecken.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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