Modellfall Brieselang

Neuer Bürgermeister begeistert
mit unkonventionellen Ideen

Irgendwie hat sich hier mächtig etwas verändert: Auf den engen Fluren fröhliche Menschen, die gut-aufgelegt und dennoch ziemlich eilig von
einem Raum in den anderen streben. Besucher wundern sich, dass der gewohnte Wegweiser seinen Platz an der Wand des Eingangsbereichs mit einer Ecke darunter vertauscht hat. Und an den Wänden zeugen „handgemachte“ Hinweiszettel auf geänderte Raumverteilung davon, dass hier was im Umbruch ist!
Wer hier wie ein Wirbelwind durch die Gänge saust und sein Personal mit begeistert ist der Chef. Wilhelm Garn ist der erste hauptamtliche Bürgermeister der neuen Gemeinde Brieselang, die sich aus dem zwangsweisen Zusammenschluss der bisherigen Amtsgemeinden Bredow, Brieselang und Zeestow ergab. Mit vierzig verschlug es den gelernten Maschinenbauer vor zehn Jahren von Berlin ins grüne Brieselang. 15 Jahre lang war er Manager bei Alba und zeichnete dort für Großprojekte im Bereich Infrastruktur verantwortlich. Dazu gehörten öffentliche Beleuchtungsanlagen ebenso wie die Fernentsorgung des Potsdamer Platzes, wo ja nicht dauernd Müllwagen den Verkehr blockieren sollen.
Mit den letzten Kommunalwahlen im Herbst 2003 wurde der von der Politik weitgehend „unbeleckte“ Technokrat Ortschef von Brieselang. Und nun denkt er, eine politische Verwaltung nach den Maßstäben eines effizienten Privatbetriebs führen zu können. Kann das gutgehen?
Offenbar kann es, wie das gute Klima im Rathaus zeigt. Binnen kürzester Zeit hat Garn seine Mitarbeiter mit seinem anpackenden Charme wohl so umgarnt, dass eine Verwaltungsreform mitgetragen wurde, nach der es nunmehr nur noch zwei statt drei Vize-Chefs gibt: Thomas Lessing führt den Fachbereich Finanzen/Soziales, Torsten Raab ist für den Bereich Bau-/Ordnungswesen verantwortlich. Nun muss sich Wilhelm Garn also nur mit zwei Führungskräften zusammensetzen, um alle Probleme diskutieren zu können. So einfach ist das...
Einfach soll der Kontakt mit dem Rathaus für die Bürger sein. Die komplizierten Öffnungszeiten wurden nun in Blöcken von vier Stunden auf die fünf Tage der Woche verteilt. Der Bürgermeister betont, dass individuelle Absprachen darüberhinaus möglich sind. Der nächste Hammer für die Verwaltung steht schon bereit: „Brückentage zwischen den Feiertagen wird es nicht mehr geben. Schließlich haben die Bürger ja gerade dann Zeit, ihre Behördendinge zu erledigen.“ Sogar an Samstag-Öffnungszeiten denkt der Ortschef schon. Weiterer Schritt zum „kundenfreundlichen“ Rathaus ist das Bürgerbüro. Seit Juni 2004 funktioniert es und sorgt dafür, dass dort schnell, ämterübergreifend und unbürokratisch die meisten Dinge wie Meldeangelegenheiten, Lohnsteuerkarte, Kirchenaustritt oder Formulare erledigt werden können.

Rundfahrt durch die Gemeinde
Eine Rundfahrt zeigt, dass der Bürgermeister seine Gemeinde kennt. In Zeestow verweist er gerne auf den idyllischen Campingplatz zwischen zwei Kanälen. Dauercamper fühlen sich hier sichtlich wohl. Viele „fremde“ Kennzeichen zeugen davon, dass Berlin-Besucher den Drei-Sterne-Platz schätzen, um von hier aus die Hauptstadt und das Havelland zu erkunden.

Zeestow im Aufwind
Sehr freut sich Wilhelm Garn über das Bürger-Engagement. So ist man gerade dabei, die Alte Brennerei im historischen Dorfkern zum Leben zu erwecken. Dort ist an ein Heimatmuseum und einen Treffpunkt gedacht. Schräg gegenüber ist der Friedhof, der „zur Hälfte in privatem Besitz ist, weil da irgendwann beim Vermessen wohl ein Malheur passiert ist“. Sportlich ist Zeestow gut gerüstet, weil Fußball-Fan, Erfinder und Metallbau-Unternehmer Christian Ehrecke seinem Dorf zu einem Fußballstadion verhalf.

Pferde und Natur
Bredow besticht mit seinem ländlichen Charakter. Am Anger der schmucken Dorfkirche weist ein einzelner Grabstein darauf hin, dass hier mit Gerhard von Bredow 1945 ein Sproß des Raubritter- und Adelsgeschlecht begraben liegt, der dem Ort zu seinem Namen verhalf. Vom Gut übrig geblieben sind Tagelöhner-Häuser, die die Gemeinde sanierte. Hier lässt sich beschaulich wohnen, gegenüber dem Pferdegut Pardemann und nicht weit von der Stutenmilchfarm eines Pfälzer Investors, der sich hier einen Traum verwirklichte.

Neue Turnhalle in Brieselang
Brieselang bezaubert durch versteckte Biotope mitten im Neubaugebiet. Die Robinson-Grundschule ist schon von außen ein Prunkstück und bekommt nun eine sanierte Sporthalle. Die Thälmannstraße hat nach den Kanalarbeiten einen sehr provisorischen Straßenbelag erhalten und soll als wichtige Ortsdurchfahrtsstraße trotz leerer Kassen mit Geh- und Radweg sowie Straßenbeleuchtung ausgebaut werden. Überhaupt, Straßen, da hat Brieselang ein echtes Problem. Und so freut sich Wilhelm Garn über die privaten Anstrengungen, die eigene Straße vor der Türe ausbauen zu lassen, die er kräftig fördert. Nicht alle finden das gut, gerade aus „seiner“ CDU gibt es plötzlich Gegenwind. Ob sich der Bürgermeister darüber ärgert? „Ganz im Gegenteil, in der Kommunalpolitik hat das Parteibuch nichts zu suchen. Hier müssen die Argumente ausgetauscht und zusammen die beste Lösung gefunden werden!“ Garn betont, dass er „wegen der Grundüberzeugungen der Partei CDU-Mitglied ist. Das muss nicht bedeuten, dass ich mit jedem Schritt der Parteiführung einverstanden sein muss.“ Sein Amt als Bürgermeister versteht er ohnehin überparteilich.

Thomas Lessing (v.l.), Wilhelm Garn und Torsten Raab setzen auf eine bürgernahe Verwaltung.

Wer würde nicht gerne in die neue Robinson-Grundschule gehen?

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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