Nieder Neuendorf ist Hennigsdorfs aufstrebender Ortsteil. Und das ist kurioserweise der Berliner Mauer erheblich mit zu verdanken. „Damals kaufte die DDR die Grundstücke im Uferbereich auf, um dort ihre Grenzsicherungsanlagen zu installieren. Das hat heute den Effekt, dass wir eine freie, öffentlich zugängliche und unverbaute Uferzone samt Natur-Freibad haben“, berichtet Clemens Herfurth. Der 52-Jährige ist „Nachfolger“ der bis an die Zähne bewaffneten Grenzwächter und hat von seinem Grenzturm einen herrlichen Blick auf den Nieder Neuendorfer See und Heiligensee gegenüber. Mit dem DDR-Fernrohr ließe sich trefflich jede Bikini-Schönheit im Vorgarten betrachten. Was zu tun Clemens Herfurth natürlich weit von sich weist! Der gelernte Betriebswirt war von Anfang an mit dabei, als Hennigsdorfs Stadtväter 1997 beschlossen, den Grenzturm als Mahnstätte und Museum weiter zu betreiben. Zwei Jahre dauerte es fast, bis Peter Gottschalk und sein Nachfolger Herfurth das Bauwerk aus den frühen siebziger Jahren in den Zustand der Vorwendezeit zurückgebaut hatten. Zum Jahresende 1999 konnte man zwei Tage öffnen, damals kamen 650 Besucher! Seitdem sind es jedes Jahr an die 10000 Menschen „aus allen Kontinenten“, wie Herfurth versichert, die den Grusel des Kalten Kriegs nochmals spüren wollen. Um ins Kommandozentrum im obersten Stockwerk zu kommen, gilt es allerdings, Fitness mitzubringen. Die enge Stahltreppe ist nichts für Senioren und Menschen mit Gehproblemen. Ist man oben angelangt, kann man neben dem Grusel den besagten tollen Panoramablick genießen oder dem „Genossen Oberfähnrich“, der hier gerade Dienst schiebt, freundschaftlich auf die Schulterklappen klopfen. Keine Angst, der wird nicht so vergrämt reagieren, wie weiland seine Kollegen an den Grenzübergangsstellen – als lebensgroße Puppe ist ihm ein kleines Lächeln ins Gesicht geschnitten.