Gute Seiten, schlechte Seiten – Oranienburg mit kritischen Augen

Weisse Stadt mit „schwarzen“ Flecken

Bei einem Stadtrundgang, das ist klar, da will man natürlich die Sonnenseiten präsentieren. Ist auf die Dauer aber langweilig! Deshalb wollten wir mal die Problemzonen kennenlernen. So absurd es auf den ersten Anhieb klingen mag: Ein „Bummel“ durch die Mittelstadt zeigt viel von dem, was in Oranienburg drin steckt – an Zukunfts-Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten. Natürlich treffe ich mich mit Oranienburgs neuem Baustadtrat Frank Oltersdorf und dem Chef des Stadtplanungsamts Christian Kielczynski vor dem Schloss. Ist das doch das vielgerühmte Stadtwahrzeichen und zugleich der Sitz der Stadtverwaltung. Vom Schloss aus geht es rechts die Breite Straße entlang. Schon passieren wir das Amtshauptmannshaus, in dem ein Teil der Ausstellungen des Kreis- und Heimatmuseums untergebracht ist. Der Rest befindet sich neuerdings im Schloss. Das älteste erhaltene Gebäude der Stadt ist schön saniert und kontrastiert mit dem Imbiss-Stand auf der anderen Straßenseite, vor dem fröhlich die Bierdosen kreisen. Immerhin, dahinter ist ein kostenfreier Parkplatz, wie ihn nicht jede Stadt anbietet. Schon sind wir vor einem markant-querstehenden Gebäude, das die Autos zwingt, rechts oder links daran vorbeizufahren. Es ist das alte Waisenhaus, das Louise Henriette aufgrund eines Gelöbnisses für zwölf männliche und zwölf weibliche Waisen stiftete. Wir fahren links dran vorbei und biegen rechts in die vielbefahrene Berliner Straße. Rechts und links sind mehrstöckige Wohnhäuser. „Die Leerstände machen uns Sorgen. Die Wohnungsgesellschaften haben zwar eine Menge getan, aber jeder für sich, meist ohne Absprachen. Damit haben wir nun ein sehr uneinheitliches Bild. Offenbar tun sich die Bewohner schwer, sich hier so wohl zu fühlen, dass ein Heimatgefühl entsteht. Die Lage an der vielbefahrenen B96 ist ein weiteres Problem. Das wird sich mit der Umgehungsstraße verbessern“, schildert Frank Oltersdorf die Situation. Doch in den etwas hinter der Berliner Straße liegenden Häuser sollte es sich eigentlich leben lassen: Zentrumsnah, viel Grün, Autoabstellplätze, eigentlich nicht schlecht – vielleicht in wenigen Jahren eine Wohngegend mit Perspektive? „Das hoffen wir natürlich“, meint Stadtplanungschef Christian Kielczynski. Nun geht es rechts ab in die Walther Bothe Straße. Auf der rechten Seite präsentiert sich eine Brachfläche, links stehen Wohnhäuser im rechten Winkel zur Straße. „Das ist die Weiße Stadt. Das war ursprünglich die Werkssiedlung der Heinkel-Werke. Nach dem Abzug der GUS-Truppen 1994 ging es darum, das Areal wieder einer zivilen Nutzung zuzuführen. Leider ging der Investor, der dies machen wollte, mitten während der begonnen Baumaßnahmen pleite. Nun stand ein Teil der Häuser leer, andere waren bewohnt, die Arbeiten waren angefangen. Die Mieter wohnten in einer totalen Unsicherheit“, schildern die beiden Baufachleute die Problematik. Wir stoßen rechts auf einige Biertische, an denen Leute sitzen und es sich gerade schmecken lassen. Ein bärtiger gemütlich aussehender Mann in kurzen Hosen macht sich am Grill zu schaffen. Keiner würde denken, dass es sich dabei um einen Geistlichen handelt. Doch Heinrich Meinhardt ist der Pfarrer der „Kirche im Container“, die sich hinter den Biertischen befindet. Die „Evangelisch-Methodistische Kirche“ gibt sich als Träger zu erkennen. Wir halten kurz an. Meine beiden Begleiter stürmen auf einen hageren schwarzhaarigen Mann zu: „Was gibt es neues?“ Bei dem Begrüßten handelt es sich um Uwe Wedel. Der 39-Jährige stellt sich als Vorsitzender des Bürgervereins Weiße Stadt vor. „Wir sind froh darüber, dass sich die Anwohner hier organisiert haben und gegenüber der Stadt formulieren, wie sie sich ihr Umfeld wünschen. Schließlich wollen wir erreichen, dass man sich in Oranienburg zuhause fühlt“, erklärt Baustadtrat Oltersdorf die freudige Begrüßung. Wir sehen uns die Siedlungshäuser näher an: Manche zeigen sich saniert, verputzt, aber irgendwie dennoch unfertig. Ein anderes präsentiert sich mit nackter Fassade. Wieder andere zeigen sich irgendwie angefangen, doch der Eingang besteht aus einem schweren, rostig aussehenden Tor, dem man ansieht, dass es nicht benützt wird... Über die weitgehend unbefestigte Theodor Neubauer Straße geht es durch die Weiße Stadt auf die Friedrich Engels Straße, in die wir links einbiegen. Geradeaus ging es ohnehin nicht weiter, denn da ist auf einem Hügel der Bahndamm. Nun sieht man, dass hier bereits liebevoll renoviert wurde. Dann kommen wir zur Kreuzung Bagnoletstraße. Und da freuen sich meine beiden Begleiter so richtig, dass ich echt baff bin. Denn urplötzlich zeigt sich eine ganz andere Welt: Wie in einem Puppenhaus präsentieren sich die Häuser mit liebevollen Holz-Fensterläden, Nostalgie-Straßenleuchten, gepflegten Vorgärten – da möchte man am liebsten gleich einziehen: „Hier haben wir keine Leerstände!“, schmunzeln die beiden und lassen erkennen, dass sie sich diese Art der Sanierung für größere Teile der Stadt wünschen würden. Nächstes Ziel ist das neue Bürgerbüro. Drei vom Arbeitsamt bezahlte Mitarbeiter sollen Anlaufstelle für die Bürger sein. „Die Hemmschwelle, wie sie manchmal beim Rathaus vorhanden ist, dürfte dort nicht bestehen. Egal, welches Problem man hat, man kommt rein und es wird geholfen. Bei behördlichen Dingen, bei privaten Problemen, eben ohne Ausnahme und Ämterumwege“, schildert Christian Kielczynski die gute Idee. Über die Melniker Straße geht es wieder aus der Weißen Stadt links in die Berliner und rechts in die Walther Bothe Straße mit ihren Plattenbauten. Dann geht es rechts in die Kitzbüheler Straße. Ein Mädchen sitzt in der Sommerhitze im Hauseingang und kuschelt ihren Dackel – sie wartet wohl auf ihre Mama. Gegenüber des Wohnblocks sind mehrere Schulen, und im ersten, früher ebenfalls als Schulgebäude genützten Bau sind wir im Bürgerbüro. Meine Begleiter stürmen die Freitreppe – und werden unfreiwillig gebremst. Durch die verschlossene Tür! Nanu, kommen wir außerhalb der Öffnungszeiten? „Montag bis Donnerstag 8 bis 15 Uhr“ verkündet das Schild in der Scheibe. Heute ist Dienstag, 13.30 Uhr und keiner da! Peinlich, hier muss wohl dringend was getan werden! Dahinter ebenfalls: „Die Schulen sind alle mit Zäunen abgeriegelt. Dabei könnte man die großen Freiflächen zwischen den Gebäuden doch vielfältig nutzen. Deshalb sind wir dran, die Zäune entfernen zu lassen“, informiert Christian Kielczynski über eine weitere Idee. Nun geht es weiter an den Wohnblocks vorbei rechts in die Albert Buchmann Straße und wieder rechts in die R. Grosse Straße. Nur wenige Schritte, und wir sind im neu angelegten Havel-Park. Das ist die Uferpromenade am Fluss, hinter der sich das moderne Gebäude des Landratsamts erhebt. Hier soll schon bald ein neuer Anlegesteg entstehen – damit viele Wasserwanderer in Oranienburg anlegen. Von hier ist es nur noch ein kurzes Stück zurück zum Schloss.

Mit einem neuen Steg hinterm Landratsamt möchte man Wasserwanderer anziehen.

Die „Kirche im Container“ ist ein beliebter Treffpunkt in der Weißen Stadt.

 

Alle sollen sich wohlfühlen, das wünscht sich die Stadt.

An dieser Stelle können sich Christian Kielczysnki (l.) und Frank Oltersdorf zurücklehnen: Die Häuser sind liebevoll saniert und beliebt.

Keiner da? Während der Öffnungszeiten?

ZUR PERSON

Frank Oltersdorf ist 45 Jahre alt und gebürtiger Hennigsdorfer. Er war BMR-Mechaniker im Stahlwerk und dort als Abschnittsleiter Projektierung und Instandhaltung für Gleisbau und Sicherheitstechnik an den Bahnanlagen zuständig. 1991 wechselte er als Behördenbauleiter in die Senatsbauverwaltung von Berlin. Dort war er für die elektrische Ausrüstung der Bahnanlagen zuständig. Haupteinsatzgebiet waren die Lückenschlüsse der S-Bahn. 1998 kam Oltersdorf als Leiter des Hochbauamts zur Stadt Oranienburg. Nachdem dieses Jahr Baustadtrat Horst Ganschow in Ruhestand trat, wurde Frank Oltersdorf mit Wirkung vom 1. Juni 2002 dessen Nachfolger. Der neue Baustadtrat ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder im Alter von 18 und 21 Jahren. In der Freizeit kümmert er sich um Haus und Garten, schließlich ist er Praktiker in seinem Fach und damit begeisterter Heimwerker. Seine Freude am aktiven Fußball stellt er aus Altersgründen zurück und tobt sich statt dessen bei Fitnessübungen in der Erlebniscity aus.

Christian Kielczynski ist gebürtiger Berliner und fing 1991 als Sachbearbeiter im Bauamt an. Heute ist der 36-Jährige Leiter des Stadtplanungsamtes. Er wohnt zusammen mit Ehefrau, den beiden Töchtern im Alter von acht und zehn Jahren und mit seinem 14-jährigen Sohn im Eigenheim in Oranienburg. Von sich sagt er: „Wir sind in dieser Stadt glücklich, wir möchten nicht mehr weg von hier.“

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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