Abgeordnete & Verwaltung inkompetent?
Der Wirtschaftsaufschwung ist in Seelow zu einem heißen Eisen geworden. Der Streit dreht sich um die diversen Gewerbegebiete.
Das Thema hat sich mittlerweile derart aufgeschaukelt, daß manche Gemeindevertreter um ihre Stühle im Rathaus bangen müssen. Denn der Mittelstandsverein attestiert ihnen mangelnde Kompetenz und will mit einer eigenen Liste zu den nächsten Kommunalwahlen antreten.
Hintergrund: Während die Stadt Seelow ihr zweites und neues „Gewerbegebiet Nord” wie Sauerbier anbietet, freut sich die Gemeinde Diedersdorfüber regen Zuspruch für ihre „Waldsiedlung“. Dort sorgt die Nachfolgeorganisation der Treuhand für die Um- wandlung eines früheren militärisch genutzten Geländes.
Fritz Busse, stellvertretender Vorsitzender des Seelower Mittelstandsvereins meint dazu:„Ein Gewerbegebiet allein hätte für die Stadt Seelow gereicht. Mit dem Gewerbegebiet Nord ist etwas Neues mit sehr vielen Fördermitteln entstanden, wo ich das Gefühl habe, hier haben Abgeordnete und Verwaltungen entschieden, die nicht so kompetent sind. Nord ist jetzt vor allem eine leere Stadt mit Straßen, Wegen, Plätzen, Grün und sogar Laternen, aber ohne Häuser. Baut doch Eigenheime hierher, habe ich gefordert, aber die Flächen dafür werden schon wieder woanders ausgewiesen.“
Seelows oberster Wirtschaftsförderer Jörg Krüger sieht eine Hauptursache für die Situation in der Konkurrenz der nahe gelegenen Gemeinde Diedersdorf und würde sich wünschen, daß dort nur die Betriebe aufgenommen werden, die die stolze Kreisstadt aus Umweltschutzgründen nicht will: „Ich kann nicht sagen, daß ich unbedingt erfreut bin über die Waldsiedlung Diedersdorf.

Als Stadt haben wir eindeutig Stellung dazu bezogen, zumal jetzt erst begonnen wird, dieses Gebiet großzügig zu entwickeln. Es wäre besser, sich zumindest zusammenzusetzen und abzusprechen, welche Gewerbe wohin gehen – zum Beispiel könnten aus Emissionsschutzgründen in Seelow ausgeschlossene Gewerbe nach Diedersdorf gehen. Für uns ist nicht nachvollziehbar, daß jetzt die Treuhand in diesem großen Umfang in Diedersdorf investiert und es ist eigentlich traurig, daß man sich gegenseitig das Wasser abgräbt.“ Gleichzeitig gibt Seelows oberster Wirtschaftsförderer zu, mit den ungeliebten Konkurrenten nicht mal in Gesprächskontakt zu stehen!

Im Amt Seelow-Land hätte man wohl gerne zusammen mit der Stadt Seelow das erfolgreiche Gewerbegebiet Diedersdorf entwickelt, doch die Stadt wollte nicht. So jedenfalls sieht es Gernot Schmidt, der Amtsausschußvorsitzende: „Die Stadt Seelow hat sich gegen eine gemeinsame Entwicklung des Gewerbegebietes Diedersdorf gestellt, da sie daraus keine Gewerbesteuereinnahmen erzielt hätte“. Was zwar direkt stimmt, doch die geschaffenen Arbeitsplätze nützen ja auch den Bürgern der Stadt.

Das Nachsehen bei dem Politiker-Zank hat wieder einmal der Steuerzahler: Aus dessen ohnehin leerem Säckel wurde schließlich die Geisterstadt in Seelow Nord zu wesentlichen Teilen finanziert. Wirtschaftsförderer Jörg Krüger beziffert den Aufwand auf 8,4 Millionen Mark, „wobei die Stadt Seelow 1,7 Millionen als Eigenanteil aufbrachte und das Land dieübrigen Mittel bereitstellte“.
Seelows Bürgermeister Udo Schulz wiederrum hat schlaflose Nächte, weil er ein 1,8 Millionen Mark Defizit in seinem Haushalt stopfen muß!

Mehr Wirtschaftskompetenz ins Rathaus!
Einerseits fehlen der Stadt Seelow 1,8 Millionen Mark im laufenden Haushalt, andererseits wurden für ein leerstehendes Gewerbegebiet Nord 1,7 Millionen allein an städtischen Mitteln ausgegeben.
Da platzt nun manchen Bürgern der Kragen. Der Mittelstandsverein will deshalb die Politiker bei den nächsten Wahlen aus dem Rathaus jagen. Wir sprachen mit dessen Vizevorsitzenden und Presseprecher Fritz Busse.
Welche Chancen der Einflußnahme sehen Sie denn noch, wenn der Zug mit der Entwicklung dreier Gewerbegebiete oder -räume in und um Seelow schon längst abgefahren ist?
Wir werden Einfluß nehmen und sogar ganz massiv. Als Seelower Mittelstandsverein haben wir die Initiative ergriffen und eine Freie Wählergemeinschaft für Seelow ins Leben gerufen, da wir festgestellt haben, daß die sogenannten Volksparteien hier keine Basis haben. Leute mit Wirtschaftssachverstand gehören zum Vorstand dieser Wählergemeinschaft und haben schon viel Anklang gefunden. Vielleicht gelingt es uns mit der FDP zusammen, die Mehrheit im Stadtparlament zu erringen.

Das heißt, Sie wollen bei den Kommunalwahlen im September ’98 durch Veränderung der Mehrheitsverhältnisse...
...andere Rahmenbedingungen für die Kreisstadt schaffen? Ja. Die jetzigen Abgeordneten waren und sind fleißig, aber Wirtschaftskompetenz und mehr Öffentlichkeit, vor allem eine wirtschaftliche Denk- und Verhaltensweise muß ins Parlament eingeführt werden. Eigennutz sollte Gemeinnutz dienen.

Ich weiß, das klingt ein bißchen kapitalistisch und viele Leute, denken, die Wirtschaft engagiert sich nur, damit es ihr nutzt. Ja, warum denn nicht?

Ich bin der Auffassung, es ist gut wenn die Wirtschaft in Ordnung ist, Gewinne macht und demzufolge Gewerbesteuern an die Stadt abzuführen hat, damit man dann nach und nach vom zentralen Tropf wegkommt. Der hängt ja immer davon ab, wieviel Geld da ist.

Und ist wenig da, versiegen die Quellen immer mehr bis schließlich nur noch Pflichtaufgaben erledigt, und keinerlei Investitionen mehr getätigt werden. Und ohne Investitionen keine neuen Arbeitsplätze.

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