Partner oder Gegner?
Seelow ist von allen Gemeinden der Umgebung gut per Bus zu erreichen und auf immer besseren Straßen gelangt man in die Kreisstadt.

Neuerdings führt ein breiter neuer Radweg – getrennt von der Bundesstraße – von Dolgelin über Friedersdorf nach Seelow.Eine hölzerne Brücke (Foto) verbindet dabei Stadt und Land. Ob es sonst zwischen Seelow und Seelow-Land mehr Verbindendes denn Trennendes gibt, erkundeten wir bei Udo Schulz (parteilos), Bürgermeister der über 5200 Einwohner zählenden Kreisstadt Seelow und Gernot Schmidt, Amtsausschuß-Vorsitzender Seelow-Land.

Seelow hat als Kreisstadt und Verwaltungssitz in den letzten Jahren zweifellos an Lebensqualität gewonnen, leidet aber ansonsten wie die ganze Region an den strukturellen Problemen geringer Wirtschaftsentwicklung und hoher Arbeitslosigkeit. Gemeinsam ist man bekanntlich stärker.
Zum gleichen Thema befragten wir Gernot Schmidt (SPD), Bürgermeister
von Werbig und Amtsausschuß-
vorsitzender von
Seelow-Land, wo knapp 6000 Menschen leben.
Udo Schulz
Gernot Schmidt
Brauchen die Stadt Seelow und das Amt Seelow-Land einander und können Sie miteinander?
Im Zuge der Ämterbildung hat es damals Kontakte zwischen Seelow und den umliegenden Gemeinden gegeben und ein wie auch immer gearteter Zusammenschluß, gar eine Fusion, waren sicherlich auch mal Gesprächsthema. Ganz abgesehen davon, daß vielleicht die damalige Bürgermeisterin von Seelow und die Amtsdirektorin hierzu konträre Standpunkte hatten, muß man berücksichtigen, daß ein Zusammenschluß Seelows mit den Gemeinden des Umlands von den Bürgern schlicht nicht gewollt wurde. Ich denke, daß man als Politiker solch einen Willen ganz einfach akzeptieren muß. Ähnlich wie bei der gescheiterten Fusion zwischen Berlin und Brandenburg muß man feststellen: die Menschen sind noch nicht soweit, solche Schritte zu gehen. Man muß auch wissen, daß in DDR-Zeiten für die Kreisstadt noch ein bißchen mehr getan wurde als für das Land.

Sehen Sie dennoch Notwendigkeiten der Zusammenarbeit zwischen Seelow und Seelow-Land oder macht jede Verwaltung stur ihr’s?
Es gibt schon Gemeinsamkeiten – wir betreiben zum Beispiel ein gemeinsames Standesamt und könnten uns auch ein gemeinsames Ordnungsamt vorstellen.
Gemeinsame Schulstandorte wie zum Beispiel vor wenigen Jahren diskutiert, lassen sich derzeit nicht verwirklichen. Wer soll da etwas aufgeben? Man könnte nur etwas gemeinsam machen, wenn man Seelow dabei als Kreisstadt stärkt. Das hieße also, die andere Seite müßte Abstriche machen. Und das werden die Dorfbewohner nicht wollen, was ich wiederum voll verstehe. Ansonsten hat jeder mit seinen alltäglichen Problemen noch so viel zu tun, daß für weiterführende Diskussionen kein Raum bleibt, aber mit der Verwaltung von Seelow-Land sind wir ständig im Kontakt.

Seelow hat jetzt im Frühjahr ’98 einen defizitären Haushalt, der von Seelow-Land ist ausgeglichen. Sehen Sie nicht, daß es aus wirtschaftlichen oder finanziellen Zwängen vielleicht einmal doch zur Fusion kommen muß?
Man kann nicht einfach so lapidar sagen, daß wir mit 1,8 Millionen DM einen defizitären Verwaltungshaushalt haben. Man muß vielmehr sehen, was wir dafür in der Stadt getan haben, zum Beispiel für 45 Millionen Marküber 1150 Wohnungen voll saniert. Eine rentierliche Maßnahme, da wir so gut wie keinen Leerstand haben. Jetzt arbeiten wir mit einem Haushaltssicherungskonzept daran, bis 2002 den Etat wieder auszugleichen.Dabei müssen wir bei einigen Aufgaben natürlich sparen, ohne daß aber Sport oder Kultur hinten runterfallen. Ich denke schon, daß wir den Haushalt wieder ausgeglichen bekommen, wenn wir wieder solche Gewerbesteuereinnahmen wie 1996 und nicht wie 1997 haben. Seelow-Land wird keine Schulden erben wollen und damit stellt sich die Frage jetzt nicht.

Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Seelow-Land und der Stadt Seelow ein?
Ich schätze das Verhältnis zur Zeit unter „gut” ein; es gibt keine Reibungspunkte oder Dissonanzen.

Wie sehen Sie angesichts geringer Wirtschaftsentwicklung und hoher Arbeitslosigkeit in der Region den Gedanken:
Brauchen Seelow-Land und -Stadt einander oder brauchen sie sich nicht?
Eine Region lebt ja nie alleine, sie benötigt ihr Umfeld, es gibt immer Wechselbeziehungen. Also: Man braucht schon einander und ist aufeinander angewiesen.

Sehen Sie da irgendwo konkreten Handlungsbedarf? Außer dem gemeinsamen Standesamt gibt es nichts Gemeinsames – und ansonsten?
Ansonsten lassen wir uns vom Amtsausschuß dahingehend leiten, daß wir unsere eigenen Interessen wahren und eigene Projekte durchziehen. Zu nennen wären da solche Entwicklungen wie die Waldsiedlung Diedersdorf oder unsere ganze Investitionstätigkeit in den Gemeinden.
Eine gemeinsame Zusammenarbeit mit der Stadt Seelow muß genau definiert werden und auch, wo die Vorteile für beide liegen sollen.

Müssen Seelow-Land und Seelow nicht doch irgendwann einmal unter dem Zwang bestimmter Entwicklungen fusionieren?
Unter welchen Zwängen?

Wirtschaftlichen und finanziellen, zum Beispiel bei einer Verschuldung?
Wir sind ja nicht verschuldet. Ich bin der Meinung, daß eine solide Haushaltspolitik und eine solide wirtschaftliche Politik wie sie im Amt Seelow-Land betrieben werden, für unsere Region mehr bringen. Das sollte man als Grundlage einer Zusammenarbeit sehen. Um eine Fusion braucht man sich jetzt nicht streiten, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen derzeit keine gleichberechtigte Vertretung beider Einwohnerschaften hergeben. Die Stadt Seelow mit nur zwei Stimmen im Amt Seelow wäre genauso in der Minderheit wie unsere Gemeinden sich nicht unter einer geschäftsführenden Verwaltung durch die Stadt Seelow vertreten fühlten. Wir können uns als Amt ja nicht so einfach aufgeben.

Bei einer Großgemeinde gingen die Einnahmen aber wieder in einen Topf?
Ja, aber eine Großgemeinde wollen unsere Dörfer nicht bilden.

Das Interview führte Ralf Döscher

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


Impressum | Datenschutz