Die Havelberger und ihr Ochse
Das sind schon welche, die Havelberger. Ein eigenes Völkchen. Die meisten Leute sind sehr nett, sehr kooperativ, wirklich Klasse. Und dann gibt es die, die es wahrscheinlich überall gibt, wie unser Reporter Klaus Zahn festgestellt hat.

Ein altes Problem eben, wie ein Blick zurück in die Geschichte zeigt. Damals war es der Rats-Apotheker, der der Stadt einen unglaublich folgenschweren Rat gab. Die Sache war so: Die Havelberger wie die Sandauer waren sich nicht einig, wo die Grenze zwischen beiden zu ziehen sei. Das gab echt böses Blut. Die Hirten beider Orte kamen sich ins Gehege und selbst die ehrsamen Bürger und vor allem die Kinder ließen sich da mit reinziehen.
„Pötzenfreter“ schalten die Sandauer Gören die Havelberger Jungs, deren Väter meist Fischer waren, „Storkenpenner“ schimpften diese zurück, war es den Sandauern doch einmal passiert, daß sie, als sie Havelberger Gänse pfänden wollten, Störche für Gänse angesehen hatten.

So herrlich der Streit blühte, so nutzlos war er aber auch. Das erkannten sogar die Stadtoberen. Sie besannen sich auf Vernunft. Der Streit ging schließlich um die Weidegründe der Ochsen, sollten die doch entscheiden.

Gesagt getan. Man einigte sich, Sandauer wie Havelberger sollten einen Ochsen zu vereinbarter Zeit Richtung Weidegründe schicken. Jedem sei ein langer, schwerer Balken aufgebunden. Wo sich die Tiere träfen, dort sollte die Grenze gezogen werden. Die Havelberger nun holten ihren stattlichsten Ochsen hervor und banden ihm den Balken, auf Geheiß des Rats-Apothekers, der Ochse könne die Last so besser bewältigen, quer zwischen die Hörner. Das Tier trottete los und blieb nach Überquerung des Salzmarktes bereits am Sandauer Tor hängen, denn quer passte der Balken nicht hindurch. Die Havelberger zerrten, zogen und schoben, bekamen Balken samt Ochsen schließlich durch das Tor.

Über die Brücke ging es nun in Richtung Sandau. Das Seekengehöft hatte Havelbergs Ochse passiert, da kam ihm auch schon sein Sandauer Gegenpart entgegen, den Balken schön längs aufgebunden.
So also verlief die Grenze kurz hinter dem Seeken und zum Schaden für die Havelberger kam der Spott hinzu. Man erzählt sich sogar, daß Havelberger in den zwanziger Jahren auf dem Fahrrad lieber um Sandau herum statt mittendurch gefahren sind. Daß man heute den Weg durch Sandau nicht mehr zu scheuen braucht, liegt sicher nicht nur am anonymen Auto. Oder ist vom Havelberger Ochsen doch noch etwas übrig?

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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