Vom Hospital zum Leichenhaus
Gut beraten ist der Havelbergbesucher, sich nach einem Schwatz mit den netten Damen der Touristeninformation am Salzmarkt auf Erkundungstour zu begeben. Die haben nämlich so manchen Tip parat.

Also beginnen wir unseren kleinen Stadtbummel an eben jenem historischen Ort, dem Salzmarkt. Sein Name hängt mit dem Salzhandelsmonopol zusammen. Das geht auf ein Edikt des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg, des großen Kurfürsten, der zwischen 1640 und 1688 regierte, zurück. Im Jahre 1651 legte er fest, daß Salz ausschließlich aus Halle zu importieren sei. Die Kontrolle der Salzeinfuhr, die auf dem Wasserwege erfolgte, und der Weitervertrieb des begehrten Rohstoffs lagen in der Hand eines kurfürstlichen Salzinspektors, der in Havelberg ansässig war.

Die Stadtinformation hat ihren Sitz im Beguinenhaus, man erinnere sich an den freundlichen Schwatz... Das Beguinenhaus ist das älteste erhaltene Gebäude auf der Stadtinsel. Einst war es eine Hospitalkapelle, der 1397 sogar ein Altar gestiftet wurde. Die Hospitalinnen pflegten Kranke, Arme und Alte und betreuten auch die Wilsnackpilgerer, die Havelberg aufsuchten. Im Zuge der Reformation wandelte sich das Hospital in ein Beguinenhaus, dessen Bewohnerinnen zur Krankenpflege und Leichenbettung verpflichtet waren. Die Geißelung und Kreuzigung Christi wird in einem Sandsteinrelief aus der Zeit um 1400 über dem Eingang gezeigt.

Nach wenigen Schritten Richtung Zentrum trifft man auf die Lange Straße. Im Mittelalter war sie Wohnquartier für die Wohlhabendsten, die Fernhändler und Gewandschneider. Einen Blick sollte man auf das Haus Nr.13 werfen, das 1759 dem Generalstabsoffizier Major Reimar von Kleist als Anerkennung für seine militärischen Leistungen durch König Friedrich II (1740-1786) übereignet wurde. Das Grab Reimar von Kleists, der 1791 starb, ist übrigens in der Stadtkirche zu finden.

Am Ende der Langen Straße geht es rechts zweimal um die Ecke und durch die Scabellstraße, die ihren Namen vom Geheimen Regierungsrat und Branddirektor Scabell erhielt, direkt zum Markt. Unter seiner Leitung, so die Überlieferung, konnten 159 Kameraden der Berliner Berufsfeuerwehr und Feuerwehrleute aus der Region im Februar 1870 einen gewaltigen Stadtbrand eindämmen.

Nun, auf dem Markt angelangt, steht man vor dem imposanten Rathausgebäude. Das erste Rathaus entstand nach 1310. Der Dreißigjährige Krieg ging daran nicht spurlos vorüber. Die Dänen zerstörten mit ihrem Beschuß der Insel 1627 auch dieses Gebäude. Mittelalterliche Gewölbe sind im Ratskeller erhalten, während das heutige Haus auf einen Bau von 1854 zurückgeht, der 1995 und 1996 umfassend saniert wurde.

Direkt daneben erhebt sich der mächtige Bau der Stadtkirche Sankt Laurentius, die als Backstein-Hallenkirche Anfang des 15. Jahrhunderts entstand. Die barocke Turmhaube stammt aus dem Jahre 1660. Vor den eigentlichen Turm wurde 1459 eine zweigeschossige Eingangshalle gesetzt. Im Inneren birgt die Kirche manch Sehenswertes, wie die Barockkanzel von 1691, die Scholze-Orgel von 1754 oder zahlreiche Epitaphien des 16. bis 18. Jahrhunderts.

Weiter Richtung Schulstraße trifft man direkt auf das Gebäude der Stadtschule aus dem Jahr 1885. Jungen und Mädchen konnten hier Volks- und Mittelschulbildung erwerben. Bereits seit etwa 1600 besaß Havelberg eine höhere Lateinschule für Jungen und eine sogenannte Jungfernschule für Mädchen.

Links die Schulstraße entlang und rechts durch die Domstraße gelangt man über die frisch rekonstruierte Dombrücke auf die andere Seite des Stadtgrabens und erklimmt über die „Scharre“, die Domtreppe als älteste direkte Verbindung für Fußgänger, die „Oberstadt“. Die Bischofsstadt oberhalb der Havel war mit einer Mauer gut befestigt, was der Stadt selbst fehlte. Ein Teil der Mauer wird als Prälatenmauer bezeichnet, wobei der Begriff Prälat für Domherr, steht.

Sehenswert hier ist natürlich der Dom selbst mit seinem außergewöhnlich konstruierten Breitturm, das Prignitzmuseum mit interessanten Sammlungen zur Geschichte der Stadt Havelberg und der gesamten Region, zur Ur- und Frühgeschichte sowie zur sakralen Baukunst.

Die sanierten Häuser geben der Stadt ein freundliches Aussehen.
Der mächtige Dom beherrscht das Stadtbild.
Von der neuen Anlegestelle in Havelberg kann man die Region vom Wasser aus erleben.
Die Havelberger Jugend läßt sich vor dem Rathaus von der Sonne verwöhnen.
Hinab geht es den Bischofsberg, der einen reizvollen Panoramablick über die Stadt bietet. Im kleinen Park linker Hand fällt ein Gedenkstein auf, der Burggrafenstein. Er wurde 1912 anlässlich des 500. Jahrestages des Einzuges des Burggrafen Friedrich von Nürnberg am 17.12.1412, des ersten Hohenzollernherrschers in der Mark, eingeweiht. Kurzer Stop an der kleinen achteckigen Kapelle aus dem 15.Jahrhundert, der Kirche des ehemaligen St. Gertrud- und St. Annen-Hospitals.

Auf die Bedeutung der Kapelle für die Wallfahrtsbewegung nach Bad Wilsnack in die Wunderblutkirche, weist eine Nachbildung eines Pilgerkreuzes hin, das 1932 hier aufgestellt wurde und ein Werk des Havelberger Steinmetzmeisters Fritz Krege ist. Vorbild war ein Pilgerkreuz aus Lübeck aus dem Jahre 1436.

Zurück auf die Insel geht es über die Steintorbrücke in die Steinstraße. Offensichtlich gehörte sie zu den ersten Straßen, die Steinpflasterung erhielten. Bemerkenswert ist hier vor allem das Fachwerktraufenhaus aus dem Jahre 1715 in der Steinstraße 4, das früher auch als Lagerhaus diente. Von der Steintorbrücke hat man übrigens einen guten Blick auf den ehemaligen Winterhafen, der den Schiffen auf ihrem Weg nach Hamburg oder Berlin Schutz vor Eisgang bot. Künftig wird hier das Wassertouristikzentrum Havelberg von sich reden machen.
Von Klaus Zahn

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


Impressum | Datenschutz