30 Jahre Eisenbahnfreunde:
Der Duft von Kohle und Schweiß
Stop and Go ist des Dampfrosses Verderben: Weil die Stammstrecke der Basdorfer Museumsbahn nach Berlin-Wilhelmsruh von vielen Bahnübergängen gespickt ist, kommt die altehrwürdige Dampflok „Ampflwang“ meist mit ihrem beachtlichen Vorrat nicht ganz aus und muss „nachtanken“.
Dabei kann die 56 Tonnen schwere Lok immerhin 8 000 Liter Wasser und 1,5 Tonnen Kohle „bunkern“. Sie bringt es dabei auf 30 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit. „Das ständige Halten und Wiederanfahren an den Bahnübergängen kostet aber soviel Energie, dass wir trotz der kurzen Strecke von etwas mehr als 17 Kilometern meist nachschöpfen müssen“, berichtet Günter Werner.
Vom Strippenzieher zum Lokführer
Der frühere „Strippenzieher“ bei der Post, der als „Technischer Beamter“ im Bereich
Telefon tätig war, ist Schriftführer und langjähriges Mitglied bei den „Berliner
Eisenbahnfreunden“. Die können 2008 ihr 30. Jubiläum feiern und gleichzeitig darauf verweisen, dass sie schon wieder zehn Jahre in Basdorf sind. Denn mit dem Umzug der
Geschäftsstelle 1998 war der Einzug am neuen Standort perfekt.
In den Hallen in Basdorf finden sich historische Züge und Waggons. Ein Prunkstück ist ein Wagen von 1875, „der nachweislich in Basdorf stationiert war“.
Die ‚Donnerbüchsen‘ von 1928 hatten ihren Spitznamen von dem Lärm, den sie verursachten“, schmunzelt Werner. Ein Salonwagen befindet sich gerade im Umbau.
Millionen für den „TÜV“
Das Prunkstück, eine 50 Jahre alte 113 Tonnen schwere Dampflok, die es auf 90 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit bringt, steht voll funktionsfähig in der Halle: „Wir dürfen aber damit nicht fahren, weil die Hauptuntersuchung fällig ist. Die ist spätestens alle acht Jahre vorgeschrieben, wenn man auf öffentlichen Gleisen fahren möchte“, so Werner. Wer seine Lok oder die Waggons vorschriftsgemäß auf „Herz und Nieren“ prüfen lassen will, ist schnell einen sechsstelligen Eurobetrag los. Das kann sich bis auf eine knappe halbe Million summieren. „Um diese Summen zusammen zu bringen, sind wir auf die Einnahmen aus Spenden und den Museumsfahrten angewiesen“, gibt Vereinsvorsitzender Kurt Tatzel Einblick.
So stehen viele andere Schienengefährte trotz liebevoller Pflege auf Halde. Darunter ist ein Schienenbus, der sicher bei vielen nostalgische Erinnerungen wecken dürfte.
Waggons in der Luft
Die Halle der Eisenbahnfreunde erinnert an eine immense Fabrik: Da hängen Waggons in der Luft, darunter sind riesige Achsen. Die Räder einer Dampflok sind so hoch, dass man selbst als Erwachsener nach oben sehen muss. Kaum zu glauben, dass es nur 20 technisch versierte Bahn-Nostalgiker sind, die sich in der Freizeit das Wissen beigebracht haben, um diese Gefährte der Nachwelt zu erhalten.
Vor 30 Jahren, 1978, sammelten sich West-Berliner Eisenbahnfans. Sie wollten sich nicht länger mit dem Traum eines jeden Jungen, Lokführer zu werden, zufrieden geben, sondern wirklich den Duft von Kohle, Schweiß und Dampf, garniert mit Zugwind, atmen. Eine ausrangierte Rangier-Diesellok war der Anfang.
„Donnerbüchsen“ aus Polen
Dann gelang es, aus dem damals fest hinter dem „Eisernen Vorhang“ verschlossenen Polen drei „Donnerbüchsen“von 1928 zu kaufen. So ein Glück, dass sich dazu eine fast gleichaltrige Dampflok fand, die im österreichischen Kohleabbaugebiet von Ampflwang im Einsatz war, um das Fördergut von der Grube in den Ort zu transportieren. Als sich in den 1980-er Jahren die Vorteile der Diesel-Technologie bis nach Österreich herumgesprochen hatten, kamen die flinken Berliner gerade recht, um die kleine „Hanomag“ für sich zu retten. Doch gemach, erst mal hieß es vier Jahre warten, bis 1985 die in Österreich vollständig restaurierte Dampflok auf einem Tieflader nach Westberlin kam.
Schienenbus aus Lottomitteln
Als es 1982 galt, 750 Jahre Spandau zu feiern, wurden die Reinickendorfer Eisenbahnfreunde mit einem Schlag so bekannt, dass sie bald darauf aus Lottomitteln einen Schienenbus der Bundesbahn erwerben konnten. Mehrere Mitglieder begannen, sich in der Freizeit als Schaffner, Heizer, Diesel- und Dampflokführer ausbilden zu lassen, um „echte Fahrten“ zu machen. Als in Westberlin ein Jahr vor der Wende „150 Jahre Deutsche Eisenbahn“ gefeiert wurde, hatte der Verein an die 300 Mitglieder. 20 000 Berliner genossen 1988 die  Museumsbahn.
Zittern nach der Wende
Die Wende brachte für den Verein ebenfalls eine Wende, denn das bisherige Vereinsgelände in der Waldstraße von Reinickendorf war durch Rückübertragung an die damals von Daimler Benz dominierte Adtranz gegangen. Auf dem ehemaligen Gelände der Waggon Union sollte eine Eigenheimsiedlung entstehen. So kam es zum Schulterschluss mit der NEB. „Das  ist die
älteste private Eisenbahngesellschaft von Deutschland“, weiß Günter Werner.
Älteste Privatbahn
Das Unternehmen war 1901 als „Reinickendorf-Liebenwalder-Groß-Schönebecker Eisenbahn Aktien Gesellschaft“ gegründet worden. Die „Heidekrautbahn“ verkehrte regelmäßig  zwischen Wilhelmsruh und Groß Schönebeck, dem „Tor zur Schorfheide“. Die DDR versagte sich eine Enteignung, die Reichsbahn übernahm lediglich die Betriebsführung.
Nach der Wende konnte die in West-Berlin ansässige NEB an die frühere Geschichte anknüpfen und machte Basdorf zu ihrem Eisenbahn-Knotenpunkt. Auf diesem Gelände fanden nun die Berliner Eisenbahnfreunde ein großzügiges Areal, auf dem sogar Platz für ein kleines Eisenbahnmuseum ist. Allerdings kann man die Schätze nur im Sommer besichtigen, mangels Heizung.
Letzte Männerdomäne
Während Frauen im Flug so manche Männerdomäne vom Fußball bis zur Bundeswehr eroberten, machen sie bisher um die Riesen-Stahlrösser noch einen Bogen. Unter den etwa 250 Mitgliedern der Berliner Eisenbahnfreunde gibt es derzeit weder aktive Lokführerinnen, Heizerinnen noch Schaffnerinnen, die mit zarter Hand ans Werk gehen.
Infos: Tel. 03 33 97/7 26 56
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Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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