Geschichte die für Wirbel sorgt

Warum der Wandlitzsee
schon wieder verkauft werden soll!

Der Wandlitzsee soll verkauft werden – schon wieder! Dabei war das Gewässer bereits 1831 schon einmal ausgeschrieben worden. Ob der Aufschrei der Bevölkerung damals ähnlich groß war, wie heute?
Das konnte Dr. Christine Papendieck, die neue Leiterin des Agrar- und Heimatmuseums, bei ihren Recherchen in den Aufzeichnungen des Museumsgründers Walter Blankenburg leider nicht mehr aufklären. Aber dafür hat sie herausgefunden, dass 1831 ein Ortsfremder den Zuschlag bekam. Der Fischer Christian Friedrich Otto aus Schöpfurth blätterte stolze 5000 Taler für den See auf den Tisch. Das war eine beachtliche Summe. Soviel Enthusiasmus für ein paar Fische? Wie so oft, steckte wohl eine „Herzensangelegenheit“ dahinter.
Denn Otto hatte sich in die verwitwete Tochter des Wandlitzsee-Pächters und -Fischers Georg Wilhelm Perlewitz verliebt.
1816 wurde Eleonore Friederike offiziell die Seine. Doch das junge Glück war wohl vom Heimweh der Braut nach Wandlitz etwas getrübt. Und so griff Otto tief in seinen Sparstrumpf, als der preußische Staat den See ausschrieb.
Preußen hatte das Gewässer eher zufällig bekommen. „Die Markgrafen Johann I. und Otto III. als ursprüngliche Besitzer hatten den See 1244 an das Kloster Lehnin verkauft. Im Zuge des Säkularisation wurde er wieder markgräfliches Eigentum und ging schließlich in den Besitz des preußischen Staats über, der ihn verkaufte“, hat Dr. Papendieck rekonstruiert.
Nach dem Tod des Ehepaars Otto wurde das Erbe geteilt. Der See blieb in Wandlitz – neuer Besitzer wurde der Sohn, den Eleonore Friederike zusammen mit ihrem ersten Mann Friedrich Barth hatte. Seitdem wurde der See innerhalb der Familie Barth immer wieder weitervererbt. Frieda Barth war 1945 letzte Eigentümerin, nachdem ihr Bruder Louis im Zweiten Weltkrieg gefallen war. Doch mit dem Kriegsende kamen die Sowjets und die Bodenreform.
„Wer mehr als 100 Hektar Besitz hatte, wurde enteignet. Dabei wurde nicht zwischen fruchtbarem Land und etwa einem See unterschieden. Der Wandlitzsee ist über 200 Hektar groß!“ Schlimm für die traditionsreiche Fischerfamilie: „Mit dem See verloren sie zugleich ihr kleines Stück Land, das sie zu ihrer eigenen Versorgung über die Jahrhunderte hatten“, las Dr. Papendieck aus Museumsakten. Sie hält die Abschrift des damaligen Erlasses im Museumsarchiv. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie ein Polizist meine Tante rüde vom Grundstück schubsen wollte“, errinnert sich Ilse Hauschild an diese dramatischen Tage. „Damals sorgte der See für viele Tränen.“ Die heute 83-jährige Ilse Hauschild wohnt nur wenige Meter vom früheren „Fischerhaus“ entfernt: „Wir waren alles andere als reich, das konnte man vom Fischfang doch nicht werden. Deshalb empfanden wir die Enteignung als sehr ungerecht. Ohne den See zu leben war für meine Tante unvorstellbar!“ Fast hätte sie zudem die Heimat verloren: „Wer von der Enteignung betroffen war, musste mindestens 50 Kilometer wegziehen. Die Barths waren in Wandlitz so beliebt, dass es deswegen offenbar Unruhe im Ort gab. Und so konnten sie doch noch bleiben“, fand die Museumschefin weiter heraus. Man erlaubte Frieda Barth sogar, ihre frühere Anbaufläche zu pachten und bis zum Tod 1956 zu bewirtschaften. Weil der See damals keinesfalls in privater Hand bleiben sollte, wird er nun privat werden. „Liegenschaften, die im Zuge der Bodenreform enteignet wurden, gehen nicht an die früheren Eigentümer zurück. Deshalb bieten wir den Wandlitzsee zum Verkauf an“, erklärt Heike Schüler. Sie ist beim Treuhand-Nachfolger BVVG für den Verkauf des Sees zuständig. „Wir hatten gehofft, dass die Gemeinde zugreift, aber da lagen die Vorstellungen doch weit auseinander!“ Woher sollte Wandlitz schließlich die geforderten 350000 Euro hernehmen? „Aus wirtschaftlichen Erwägungen wird wohl niemand den See kaufen“, vermutet Heike Schüler. Denn ein privater Eigentümer muss weiterhin die öffentliche Nutzung erlauben. Was ihm bliebe: Er könnte Fische fangen. Allerdings, ob er überhaupt an den See kommt, ist fraglich, schließlich gibt es kaum frei zugängliche Stellen!

Stand April 2003

Historische Postkarten zeigen den Wandlitzsee als Ausflugsziel der Berliner vor 100 Jahren.

Ilse Hauschild kann sich noch gut errinnern, wie ihrer Tante Frieda Barth der See durch die Bodenreform weggenommen wurde.

Heike Schüler soll einen Käufer für den Wandlitzsee finden.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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