Mit dem Zweirad durch die Region

Ideen muß man haben! „Viele Besucher wollen Werder mit dem Fahrrad erkunden, das zeigt unsere eigene Umfrage. Deshalb sollten wir unsere Ausflugstipps doch mal in diese Richtung machen!“
Das saß! Man konnte richtig an den Gesichtern sehen, wie die vereinigten Fahrradgegner in unserer Redaktionskonferenz zu kauen hatten. Klar, mein Chef würde doch nie… „Tolle Idee, Herr Schönstedt. Immer an die Leser denken! Machen Sie einen Termin mit den Verantwortlichen in der Stadt und setzen Sie sich selbst aufs Fahrrad. Das ist doch ein tolles Reportagethema!“ Muss ich da noch erwähnen, dass ich das letzte Mal kurz vor meiner Volljährigkeit auf einem wackligen Drahtesel sass? Und dass solche Ausflüge häufig mit Beulen, Schrammen und manch Schlimmerem endeten? Nein, wieder mal wird eine gute Idee härtestens bestraft. So treffe ich mich also, mit geliehenem schnieke glänzendem Fahrrad vor dem schönen Rathaus mit Walter Kassin, der als Leiter Marketing dafür mitverantwortlich ist, dass es diese Radwegeüberhaupt gibt, und mit der fröhlich-strahlenden Anne-Eva Ackermann, die als Tourismuschefin von Werder den Besuchern die Wünsche von den Augen abliest. Und los geht’s, und mein schönes bequemes Auto muss alleine bleiben...
Zielrichtung ist erst mal Richtung Glindow. Ein eigener Fahrradstreifen für Radler auf der sauber geteerten Straße, da rollt es sich fast wie von selbst. Doch dann wird’s spannender: Wir müssen mit auf den Bürgersteig, und das sieht manch Fußgänger nicht recht ein! Anschließend geht es auf die vielbefahrene B1, und mir fällt ein, wie störend Radfahrer doch sind, wenn man hinterm Steuer ist. Hoffentlich ärgert sich über uns nicht gerade ein genervter Autofahrer! Endlich biegen nach links in die Dr. Külz Straße ein, geradeaus ginge es zum Plessower See. „Vielleicht das nächste Mal“, verspreche ich dem wie Erik Zabels Schatten munter vor sich hin strampelden Kassin. Wo der nur die Kondition her hat, mit seinen 56 Jahren und sonst immer nur hinterm Büroschreibtisch! Wir sind an der Glindower Kirche, im alten Ortszentrum. Geradeaus ginge es nach Bliesendorf, wir aber fahren nach links in den Kietz. Das Fahrrad, zumindest meines, istüber das historische Kopfsteinpflaster alles andere als begeistert. Es holpert und hüpft wie ein wildgewordenes Pferd, mein armes armes Gesäß! Wie kann Anne-Eva Ackermann da so ein vergnügtes Gesicht machen??? Nun kommen wir zum Heimatmuseum, das etwas versteckt unter Bäumen und Büschen linker Hand liegt. „Hier müßten wir mal ein bißchen freischneiden“, brummelt Kassin. Endlich absteigen! Doch mit der erhofften Pause ist nichts. Denn geöffnet ist nur Samstag und Sonntag von 11 Uhr bis 17 Uhr, und heute ist blöderweise Dienstag! Also weiter!
Doch nun lacht das Radfahrerherz: Ein Weg, wie aus dem Bilderbuch: Kein Hoppeln, kein Rütteln, das schnieke Zweirad schnurrt sogar unter meinen ungeübten Beinen wie von selbst voran! Wir geniessen die Strandpromenade am Jahnufer, schon sind wir am Strandbad Glindow. Enge herrscht keine, denn es ist witterungsbedingt menschenleer. Wer würde bei 18 Grad Lufttemperatur schon ins Wasser gehen? Höchstens ein mittlerweile verschwitzter Fahrrad-Reporter! Aber ich bin ja nicht allein!
Weiter geht’s, und es sieht aus wie unberührte Natur. Bergauf und -ab, letzteres irgendwie seltener wie ersteres, kommt es mir vor, „geniessen“ wir die Glindower Alpen. Nur gut, dass die von ihren großen Namensvettern nur dem martialischen Namen haben, aber mir reichen die Hügelchen vollauf! „Wollen wir das letzte Stück nicht einfach schieben“, bricht es schließlich aus dem armen Reporter heraus. Na denn.
Zeitweise bietet sich ein toller Blick auf den See, das entschädigt für die Strapazen. Aus dem Wald wieder heraus, fällt der Blick direkt auf den alten Ringofen des Ziegeleimuseums. Besichtigung Mittwoch bis Sonntag von 10 Uhr bis 16 Uhr! So ein Pech!
Wunderschön, wie sich der Radweg jetzt am See entlang windet – wenn man es mit dem Auto geniessen könnte, schießt es mir durch den Kopf. Jedenfalls, überall sind nette, teils versteckte Ecken, wo man, wenn es warm ist, ungestört baden gehen könnte. Wir kommen am Jugendzentrum vorbei, umfahren die Grellebucht und kommen wieder auf die Straße.
Wir sind in Petzow angelangt. Die Kirche und das Schloß wurden im 19. Jahrhundert nach den Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbaut. Auch ein Bummel im Schloßpark lohnt sich, wurde der doch von Peter Josef Lenné gestaltet. Ein einmaliges Ensemble also – unbedingt sehenswert. Wir halten uns weiter links und da ist sie dann: Die neue Radstraße. „Da haben wir ein wenig Glück gehabt“, sagt Walter Kassin. „Die Straße gehört zu einem EU-Projekt, das sich „R1“ nennt und ein Radweg quer durch Europa werden soll. Da haben wir dann von der EU Fördermittel für den Ausbau bekommen.“
Die Straße soll einmal verkehrsberuhigt werden, was heißt, dass Fahrräder dann Vorfahrt haben sollen. In dem Moment fährt ein VW-Bus ziemlich schnell und dicht an Walter Kassin vorbei. „Das wird wohl eine Weile dauern, bis wir die Autofahrer soweit haben“, brummt er. Links und rechts liegen jetzt Obst- und Gemüseplantagen und Schilder laden zum selber pflücken und zu Obstwein ein. An der Riegelspitze, einem Campingplatz, vorbei, geht es zurück nach Werder. Links und rechts weisen Schilder zum Werderaner Obst- und Gemüsemarkt an der B1, der besonders am Wochenende gut besucht ist. Hier bieten die Obst- und Gemüsebauern der Umgebung ihre frischen Früchte direkt feil. Durch die Potsdamer Straße geht es zurück Richtung Stadtzentrum. Linker Hand liegt der Wachtelberg, der nördlichste anerkannte Weinberg Europas; zu erreichen über den Grünen Weg. Kurz vor dem Stadtzentrum biegt Anne Ackermann plötzlich nach rechts ab in Richtung Havel. Hinter den neuen Häusern, ein wenig versteckt, hat man den absolut besten Blick auf die Inselstadt!
Mir, als ungeübtem Radfahrer reicht das Pensum von etwas mehr als zehn Kilometern völlig aus. In einer guten Stunde haben wir den Glindower See umrundet. Und unterwegs habe ich mindestens zehn Rastmöglichkeiten entdeckt. Irgendwie kann ich nun schon verstehen, warum die Besucher der Blütenstadt gerne mal alles auf dem Fahrrad geniessen. Probleme mit Alkoholkontrollen gibt’s dann eher nicht.
Wär eigentlich auch mal was für später, denke ich. Am nächsten Tag allerdings nicht mehr: Bei dem Muskelkater hat ein Bürotag doch was für sich! 

Na dann geht´s mal los!

Entscheidung am Glindower Eck.

Versteckte Badeplätze

Schikanen für Autofahrer

Gesicherte Wege für Radler

Einfahrt zum Weinberg

Der schönste Blick auf Werder

Endlich geschafft - und ich auch!

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
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