Endlich Bewegung für Werders Stadtwahrzeichen?

Entweder Müller …oder schummeln!

Die Baumblütenstadt Werder sucht einen Müller. Oder mehrere! Denn nur, wenn das Stadtwahrzeichen, die Bockwindmühle auf der Inselstadt, sich wie in alten Zeiten dreht, dann kann der Zahn der Zeit nicht daran nagen!
„Der Verfall beginnt nach der Restaurierung“, nennt Mühlendoktor Thomas Mellner, 43, den Grund zur Eile. Er ist einer von nur fünf Fachleuten in ganz Deutschland, die sich noch mit historischen Mühlen auskennen. Der gelernte Zimmerermeister und langjährige Restaurator beim Deutschen Technik Museum ist eng mit der Werderaner Mühle verbunden und ist es seit Jahren gewohnt, „mit Blaulicht“ in die Havelstadt zu brausen, wenn der dortige Mühlenverantwortliche Walter Kassin wieder mal einen Notfall signalisiert. Zuletzt war das der Fall, als der Frühjahrssturm gerade wenige Tage vor dem Blütenfest mit den vielen Gästen einen Flügel abbrach. „Klar, bei der Montage der Mühle, die damals aus Jessen umgesetzt worden ist, haben die Werderaner ein paar Teile vergessen, einzubauen. Doch heute wäre die Mühle voll funktionsfähig. Man müsste sie nur endlich wieder in Gang bringen“, rät Mellner. An sich ist Walter Kassin ja der gleichen Meinung. „Eine funktionierende Mühle, das würde unsere Bürger und die Besucher freuen!“ Das Problem: Die Bockwindmühle kann nicht sich selbst überlassen werden. Zwar richten sich ihre Flügel dank der drehbaren Achse, auf der sie steht, selbstständig nach dem Wind aus. Doch wehe, der bläst zu stark!” Dann fangen die Flügel an zu sausen, da bekommt man echt Angst. Wir hatten während eines Probelaufs mal die Situation, dass das Ding sich selbstständig machte. Leute, die von der Brücke über die Föhse her zusahen, konnten die einzelnen Flügel gar nicht mehr unterscheiden. Da haben wir ganz nett geschwitzt, um das Ding wieder zum Stehen zu bringen“, errinnert sich Walter Kassin. Dosiert wird der Flügelschlag der Mühle per Hand, In den Flügeln liegen Holzfächer, die für Windwiderstand sorgen. Bei Sturm muss man die heraus nehmen und das Mühlenrad per Bremse manuell arretieren. Also heißt es, die Mühle Tag und Nacht im Auge zu behalten. Und dazu sieht sich Walter Kassin als hauptamtlicher Verantwortlicher fürs Stadtmarketing bei aller Liebe für das Wahrzeichen aus Zeitgründen nicht in der Lage. Wobei der das Stadtwahrzeichen von seinem Bürofenster im ersten Stock des früheren Stadtgefängnises schon immer im Blick hat. So steht das Wahrzeichen immer noch ganz traurig mit hängenden Flügeln da. Ansätze zur Gründung eines Fördervereins, der dann Freizeit-Müller für das Stadtwahrzeichen gstellt hätte, sind leider wieder im märkischen Sande verlaufen. Ein Freizeit-Müller ist also erneut dringend gesucht! Die Lage ist durchaus ernst, doch nicht hoffnungslos. Als Retter in der Not stieg Udo Müller, 63 wie die Phönix sozusagen aus der Asche der alten verbrannten Mühle. Der Tüftler, der im Zweirad-Museum die alten Gefährte wieder zusammenbaut, schlug vor, einen Motor in Werders Stadtwahrzeichen einzubauen: Dann wär’s zwar keine echte Windmühle mehr, aber die Flügel könnten sich, gefahrlos, drehen. Dass es Mühlendoktor Mellner bei dem Gedanken fast den Magen umdreht, ist verständlich. Doch die Zeiten sind eben so: „Endlich Müller – oder schummeln!“

Ist die Mühle krank –
Thomas Mellner weiß Rat.

Die Mühle brennt am 13. Dezember 1973. Das ist ein trauriger Tag für viele Werderaner.

Es handelt sich hier um einen Archiv-Eintrag.
Die Informationen, Daten und Bilder sind möglicherweise veraltet und nicht mehr aktuell.


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