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Üppige Akte, Varieté, Rummel und Nachtleben,
wer würde da nicht an den französischen Impressionismus denken?
Besonders einer der damaligen Künstler nahm sich immer wieder dieser Themen an: Henri de Toulouse-Lautrec. Ihn verbindet seitdem jeder mit Kunst und Halbwelt. Doch wer würde denken, dass Toulouse-Lautrec ausgerechnet in Töplitz einen Nachfolger gefunden hat? Den machte nun Orts-Chronist Dr. Markus Vette ausfindig. Der „Toulouse-Lautrec von Töplitz“ hieß Georg Tappert. Er wurde 1880 in Berlin geboren und brachte es vom Schneiderlehrling zum Begründer und Leiter der neuen Hochschule für Kunst im Nachkriegs-Berlin.
Die Spurensuche von Dr. Markus Vette führt zum Porträt eines ungewöhnlichen Künstlers. Schneider-Sohn Georg Tappert legte mit 16 im Betrieb des Vaters die Gesellenprüfung ab. Seine Leidenschaft für die Malerei bringt ihn bereits zwei Jahre später dazu, dem bürgerlichen Leben adé zu sagen und sich gleich mal frech als freier Maler zu betätigen! Zufällig wird der damals bereits arrivierte Max Liebermann auf ihn aufmerksam. Er bestätigte Tappert „daß in demselben Anlagen sind, die des Ausbildens werth wären“. Mit dieser Empfehlung gelang dem Berliner Schneidergesellen 1900 tatsächlich das Kunststück, an der Karlsruher Akademie der Künste aufgenommen zu werden!
An Selbstbewusstsein fehlte es Georg Tappert also nicht. Bereits fünf Jahre später kommt er wieder nach Berlin zurück und bringt es im Kunstsalon von Paul Cassirer zur ersten eigenen Ausstellung. Es folgt ein Zwischenaufenthalt in Worpswede. 1908 sind Werke von Tappert in einer Ausstellung der „Berliner Secession“ zu sehen. Diese Gruppe hatte Max Liebermann aus Protest gegen die Einflussnahme des konservativen Kaisers Wilhelm II. auf die Auswahl der Bilder zur „Großen Berliner Kunstausstellung“ 1898 aus der Taufe gehoben.
Schon damals war die Zeit schnelllebig. Die „Berliner Secession“ verkannte die Bedeutung des neu aufkommenden Expressionismus als Kunstrichtung und lehnte, ganz wie vorher der König, die „jungen Wilden“ für ihre Ausstellung ab. Unter den 27 betroffenen Künstlern war auch Georg Tappert, der, nicht faul, im gleichen Jahr 1910 die Gründung der „Neuen Secession“ betrieb. Mit dabei waren viele Maler der späteren Künstlergruppe „Die Brücke“. Im gleichen Jahr wurde Tapperts Plakat „Reichstagswahl“ polizeilich verboten. Dabei sind politische Motive die absolute Ausnahme in seinem Schaffen. 1911 zieht der Schneider-Geselle nochmals die Fäden für eine Entwicklung, die in die europäische Kunstgeschichte einging. Er lädt Mitglieder der „Neuen Künstlervereinigung“ wie Franz Marc und Wassily Kandinsky ein, bei der Neuen Secession auszustellen. Das war die Geburtsstunde der „Blauen Reiter“!
Der aufmüpfige Tappert hatte schon das nächste Projekt im Auge: So gründete er zusammen mit Käthe Kollwitz im gleichen Jahr die „Berliner Juryfreien Ausstellungen“ nach dem Vorbild des 1884 in Paris gegründeten „Salon des Indépendants“, der sich dem Mainstream entgegenstellte. 1918 gehört Georg Tappert zu den Mitbegründern der revolutionären Novembergruppe und des Arbeiterrats für Kunst. Das Ziel ist „volksnahe Kunst“. Was ihn nicht davon abhält, ab 1919 wieder im normalen Lehrbetrieb der Staatlichen Kunstschule Berlin und an der Reimann-Schule Akt und Komposition zu unterrichten. 1921 nimmt er die Professur an der Kunstschule an. Im Privatleben war Georg Tappert sicher kein Kostverächter. Einige der wenigen erhaltenen Fotos zeigen ihn mit hübschen Mädchen. Schließlich machte er bereits in der Vorkriegszeit mit üppigen Akten von sich reden. Dabei suchte er nicht den perfekten Körper, sondern Modelle mit Natürlichkeit. Seine „Betty“ stand zeitweise im Fokus heißer Diskussionen. Nach dem Tod seiner ersten Frau Kathleen am 16. Juni 1925 heiratete er am 31. Dezember 1926 seine Schülerin Elisabeth Foerstermann. Auch diese Ehe ist von kurzer Dauer, die angehende Künstlerin stirbt am 30. Juli 1929 mit 28 Jahren. Als die Nazis Tappert die Lehrbefugnis entziehen, zieht er sich zeitweise nach Töplitz zurück. Er bezog im repräsentativen Ärztehaus Quartier. Wie lange er hier wohnte, welche Werke auf der Insel entstanden, ob er immer noch von Musen umgeben war oder vielleicht hübsche Mädchen aus dem Havelland Modell sitzen ließ, all das will Orts-Chronist Dr. Markus
Vette nun herausbekommen. Dazu hat er sich fest vorgenommen, einen Aufenthalt in Nürnberg einzulegen. „Ich habe herausgefunden, dass seine Witwe Annalise Friedrich den Nachlass dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg übereignet hat. Da müssten doch auch Zeichnungen oder vielleicht Entwürfe für Bilder dabei sein!“ Georg Tappert hatte nach dem Krieg den Wiederaufbau der Hochschule für Kunsterziehung betrieben und war deren Leiter. Als er die Schule in die Hochschule für bildende Künste überführte wurde er stellvertretender Direktor. 1953 ging er mit 73 Jahren in den Ruhestand. Im gleichen Jahr bekam er das Bundesverdienstkreuz und heiratete Annalise Friedrich. Am 17. November 1957 stirb er in Berlin mit 77 Jahren. Seine Werke sind heute weltweit gefragt. Dr. Vette will mit seiner Suche nach Künstlern in Töplitz dem Ort neue Impulse verleihen. Er plant einen Künstlerpfad durchs Havelland, der mehrere Orte, die mit der Havelländischen Künstlerkolonie in Verbindung stehen, für Besucher interessant machen könnte.
Infos Tel. 03 32 02/6 00 16
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ZUR PERSON:
Aufmüpfiger Physiker
Dr. Dr. Markus Vette verbindet mit seinem neuen Forschungsobjekt dessen rebellischer Charakter, obwohl Vette aus einer ganz anderen politischen Ecke entstammt. Seine Vorfahren lassen sich auf eine Glasbläser-Familie aus dem Elsass zurückverfolgen, die sich in der Oberlausitz niederließ. Ähnlich wie seine Parteivorsitzende Angela Merkel entstammt Markus Vette einem kirchlich-orientierten Elternhaus. Wie die CDU-Chefin wurde er Physiker, „weil die Naturwissenschaften eine der wenigen ideologiefreien Inseln der DDR waren, wo die SED nicht so dazwischenfunken konnte.“ Seine berufliche Laufbahn brachte ihn ins Havelland, seit 1997 lebt er in Töplitz. Er war zwei Legislaturperioden lang, von 1990 bis 1999, für die CDU im Potsdamer Landtag. Als Verwaltungsrats-Chef des ORB von 1991 bis 2003 war er maßgeblich am Aufbau des Senders und an der Fusion mit dem SFB zum RBB beteiligt. Mittlerweile hat er zehn Bücher veröffentlicht, darunter wissenschaftliche Werke. Die Mehrzahl sind aber historische Arbeiten über Töplitz oder seine alte Heimat. Dabei war es die Politik, die aus dem Physiker einen Hobby-Geschichtsforscher werden ließ: „Ich hatte immer öfters das Gefühl, dass es die Ansätze, über die wir heute diskutieren, schon früher mal gab. Deswegen wollte ich mich mit der Vergangenheit beschäftigen.“ Weil der sozial-orientierte CDU-Politiker nicht an seiner Partei-Karriere kleben wollte, drückte er noch während seiner Zeit als Landtags-Abgeordneter nebenbei die Schulbank. Er studierte bei Gesine Schwan, die Kanzler Gerhard Schröder 2004 als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt einsetzte, Verwaltungs- und Politikwissenschaften an der FU Berlin. Dr. Vette schaffte den Doktor-Titel und kann nun als Dr. Dr. Markus Vette vor seine Studenten treten, wenn er nicht gerade Geheimnissen aus Töplitz auf der Spur ist.
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